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# taz.de -- taz-adventskalender „24 stunden“ (18): 18 Uhr im Kino
> Viele Kulturorte gelten als Institution – das Bali-Kino in Zehlendorf ist
> tatsächlich eine. Es trotzt seit Jahrzehnten Großkinos und
> Zuhause-Gucken.
Bild: Das Bali-Kino in Zehlendorf gibt es seit 1946. Von 1979 bis zum Juni dies…
Stressig und chillig, hässlich und schön, herzerwärmend und abstoßend:
Berlin hat viele Seiten, rund um die Uhr. In diesem Advent hangeln wir uns
durch 24 Stunden Hauptstadtleben und verstecken jeden Tag aufs Neue 60
Minuten Berlin hinter unserem [1][taz-berlin-Kalendertürchen]. Heute: ab 18
Uhr im Bali-Kino in Zehlendorf.
Rot leuchten die Buchstaben auf weißem Grund ins abendliche Zehlendorf,
„18.00“ steht in Blau davor: die Anfangszeit des Vorabendfilms im
[2][Bali-Kino]. Vorabendfilm jedenfalls nominell – manche witzeln, wegen
des höheren Altersschnitts im Ortsteil sei das der eigentliche Abendfilm
und nicht die 20.30-Uhr-Vorstellung.
[3][„In Liebe, Eure Hilde“ ist der Film], den die roten Buchstaben
ankündigen, die Geschichte um die Widerstandskämpfer des
Schulze-Boysen-Kreises. Es ist ein trauriger und zugleich Mut machender
Film, wie so viele im Bali. Still ist es in den Reihen mit den roten
Polstersitzen nach Filmende auch noch, als die Tür aufgeht und eine
Kinomitarbeiterin das Licht einschaltet.
## Das Bali ist eine Institution
Zahlreiche Kulturorte Berlins und nicht wenige Kinos gelten als
„Institutionen“. Doch für wenige trifft das so sehr zu wie für das 1946
gegründete Bali, dessen vier Buchstaben nicht für die indonesische Insel
stehen, sondern den Namen „Bahnhofslichtspiele“ abkürzen. Das Bali liegt
nämlich Luftlinie keine 70 Meter entfernt vom S-Bahnhof Zehlendorf. Dass
diese Institution auch förderwürdig ist, belegen schon seit Jahren Urkunden
im seitlichen Schaukasten. In diesem Sommer gab es sogar 40.000 Euro beim
26. Kinoprogrammpreis Berlin-Brandenburg.
Dabei ist im Bali nicht nur anspruchsvolles Aktuelles wie eben „In Liebe,
Eure Hilde“ mit „Babylon Berlin“-Star Liv Lisa Fries zu sehen. Der Stutz,
der Miniflügel links neben der Leinwand, steht dort nicht nur zur
Dekoration. Regelmäßig treten hier Lehrer und Schüler der örtlichen
Musikschule auf, von der es nur 400 Meter bis zum Bali sind. Jazz-Bands
waren gleichfalls öfter zu hören. Und auch Star-Synchronsprecher Christian
Brückner gastierte hier schon, an einem Abend mit Jazz und Lyrik. Der
brauchte nur probeweise ins Mikro zu hauchen, um quasi Robert De Niro im
Kinosaal erscheinen zu lassen, dessen deutsche Stimme er ist.
Umso größer war unter der Stammkundschaft der Schock, als Betreiberin
Helgard Gammert, die das Kino 1979 übernommen hatte, im Frühjahr
ankündigte, nun mit 80 Jahren als Kinochefin aufzuhören. Es sollte zwar
einen Nachfolger geben, was viele aufatmen ließ. Doch erst einmal war am
30. Juni Schluss im Bali – und zwei Tage vor dem Abschiedsfest für Gammert
lief der Klassiker „Cinema paradiso“, wo am Ende des Films das titelgebende
Kino gesprengt wird und Raum für Parkplätze macht.
## Eine lang ersehnte Toilette im Gebäude
Erst als der neue Macher Andreas Neun in einem [4][Tagesspiegel-Interview]
ankündigte, dass die folgende Schließung bis Oktober nur dazu diene, eine
Toilette einzubauen und die Leinwand zu erneuern – und dass ansonsten alles
bleibe –, verflüchtigten sich allzu düstere Gedanken.
Das mit der Toilette war zuvor eine echte Besonderheit beim Bali. Wer
musste, durfte sich nämlich am Eingang einen Schlüssel holen und zwei
Häuser weiter – „bei dem goldenen Klingelschild“ – über den Hausflur …
einem WC eilen. Was einen um ein paar Minuten Film bringen konnte.
Als das Bali im Oktober wieder öffnete, kam das einer Quadratur des Kreises
nahe: immer noch die rot-plüschigen, auch schon mal durchgesessenen Sitze,
die lieb gewonnenen Plakate weiter an der Seitenwand, aber eben mit
Toilette und noch besserer Filmqualität auf der Leinwand. An diesem 18.
Dezember läuft übrigens um 18 Uhr (und auch um 20.30 Uhr) [5][der
italienische Erfolgsfilm des vergangenen Sommers]: „Morgen ist auch noch
ein Tag“. Glücklicherweise auch im Bali.
17 Dec 2024
## LINKS
[1] /taz-Adventskalender/!t5732120
[2] https://www.balikino-berlin.de/
[3] /Berlinale-Film-In-Liebe-Eure-Hilde/!5990225
[4] https://www.tagesspiegel.de/berlin/bezirke/es-ist-das-was-ich-immer-machen-…
[5] /Spielfilm-Morgen-ist-auch-noch-ein-Tag/!6000148
## AUTOREN
Stefan Alberti
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