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# taz.de -- Antifeministische Allianz: Reich, radikal, mit Reichweite
> AristokratInnen, religiöse ExtremistInnen und OligarchInnen machen
> Politik gegen Frauen und Queers. Ein EPF-Bericht zeigt, wie groß ihr
> Einfluss ist.
Bild: Rechtskatholische Fürstin: Gloria von Thurn und Taxis in ihrem Schloss i…
Gut 20.000 Hektar Land, mehrere Schlösser und ein Vermögen, das auf rund 3
Milliarden Euro geschätzt wird: Gloria Fürstin von Thurn und Taxis hat
einiges vorzuweisen. Ihr eigen sind auch klare Positionen, unter anderem zu
gleichgeschlechtlicher Ehe und Schwangerschaftsabbrüchen: Beides lehnt sie
ab, Letztere bezeichnete sie schon mal als Mord.
2023 gab die Fürstin ein Spendendinner für [1][Hans-Georg Maaßen], gegen
den in der CDU da schon ein Parteiausschlussverfahren wegen rechtsextremer
Äußerungen lief. Auch international pflegt die Katholikin laut Berichten
des Guardian und der New York Times einschlägige Verbindungen, darunter zu
Steve Bannon, ehemals Trumps Chefstratege und noch immer einer der
einflussreichsten Köpfe der MAGA-Bewegung, sowie dem ultrakonservativen
Richter des U. S. Supreme Court, Samuel Alito.
„The german princess“, wie Thurn und Taxis international gern genannt wird,
ist nicht die Einzige, die aristokratischen Glamour in eine bedrohliche
Bewegung bringt. Mit dabei in einer globalen Szene, einem weit verzweigten
Netzwerk, das gegen Rechte von Frauen und LGBTIQ mobil macht und teils weit
rechte Positionen teilt, sind neben vielen deutschen Adeligen auch
„Dutzende“ internationale Erzherzoge, Gräfinnen und Prinzen. „Eine neue
Allianz“ von AristokratInnen, religiösen ExtremistInnen, extrem rechter
PopulistInnen und OligarchInnen „gestalte derzeit europäische Politik neu“,
heißt es in dem Bericht „Die Nächste Welle“, den Parlamentarier*innen
des Europäischen Parlaments am Donnerstag vorlegten.
Dieser globalen antifeministischen Szene gehe es darum, „Jahrzehnte von
hart erkämpften sexuellen und reproduktiven Rechten in ganz Europa zu
demontieren“, heißt es in dem Bericht des Europäischen Parlamentarischen
Forums für sexuelle und reproduktive Rechte (EPF). Sie zeichne sich dadurch
aus, „religiösen Extremismus in den Mainstream des Regierens“ bringen zu
wollen – und zu können. Das geschehe über eigens gegründete Medien und
Social Media, Stiftungen und Thinktanks, Lobbyismus und strategische
Prozessführung. Und über viel Geld.
## Kampagnen mit ernsten Folgen
Was erstaunlich klingen mag, ist gut belegt. Der akribisch recherchierte
und hellsichtig analysierte Report basiert auf der Arbeit von
Forscher*innen, investigativen Journalist*innen und
Aktivist*innen, zudem auf Open-Source-Informationen und
Geschäftsberichten. Auf 160 Seiten zeichnet er nach, wie ein nicht zentral
gesteuertes, aber in Inhalt und Form konzertiertes strategisches Vorgehen
von mehr als 270 teils international aktiven AkteurInnen zu harten
Rückschlägen im Bereich von Frauenrechten und Rechten von LGBTIQ führt.
So wurden und werden in vielen Ländern Europas, darunter Deutschland,
„Desinformationssysteme“ aufgebaut, wie EPF schreibt, die Frauen durch
„Krisenzentren“ und Hotlines davon abhalten, Zugang zu legalen und sicheren
Abbrüchen zu finden. Organisiert wird das unter anderem von der
Organisation „Heartbeat International“. Es führt dazu, dass in 13
europäischen Ländern „Mahnwachen“ vor gynäkologischen Praxen, die Abbrü…
anbieten, gehalten werden. Mit Plakaten, auf denen zerstückelte Föten zu
sehen sind – [2][vor dem Verbot sogenannter Gehsteigbelästigungen] 2024
hierzulande etwa in München, Pforzheim und Frankfurt am Main, organisiert
etwa von „40 Days for Life“.
Es führt dazu, dass Kampagnen gegen LGBTIQ-Prides und Attacken auf
Frauenrechte gefahren werden, was unter anderem in Bulgarien für eine
Blockade der Istanbulkonvention gegen Gewalt gegen Frauen sorgte. Dass
[3][Georgien ein Gesetz gegen LGBTIQ] und zum „Schutz von Familienwerten
und Minderjährigen“ verabschiedete, das medizinische Eingriffe zur
Geschlechtsangleichung sowie Adoption von Kindern durch queere Personen
verbietet und im Ausland geschlossene gleichgeschlechtliche Ehen für
ungültig erklärt. Und dass Abtreibung in Polen faktisch verboten ist und
[4][bis heute nicht wieder liberalisiert wurde.]
Auch in den USA, die jenseits finanzieller Mittel, die nach Europa flossen,
nicht Gegenstand des Berichts sind, trug die strategische Prozessführung
einer Organisation namens Alliance Defending Freedom (ADF) maßgeblich dazu
bei, dass der U. S. Supreme Court das Recht auf Schwangerschaftsabbruch
kippte. ADF ist eine der größten Organisationen der christlichen Rechten in
den USA, sie wird von Bürgerrechtsgruppen als Anti-LGBTIQ-Hategroup
gelistet und hat heute Büros in Brüssel, Genf und London sowie ein
Hauptquartier in Wien.
## Die Politik als Epizentrum
Vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte hat ADF 35 Siege im
Zusammenhang mit Anti-Gender-Rechten errungen. Auch der religiös
extremistische Opus Dei und die Heritage Foundation – die Organisation
hinter dem „[5][Project 2025]“, das den Fahrplan der aktuellen
Trump-Präsidentschaft zur Umgestaltung der US-Bundesregierung und zur
Konsolidierung der Exekutivgewalt zugunsten einer extrem rechten Politik
entwarf – ließen viel Geld nach Europa fließen.
Zwischen 2019 und 2023, so der EPF-Bericht, wurden von 275 Organisationen
Mittel in Höhe von fast 1,2 Milliarden Dollar aufgebracht, die in Europa an
Anti-Gender-Initiativen beteiligt waren. Anti-Gender-Initiativen sind für
das EPF Institutionen, Unternehmen und Organisationen, die sich dafür
engagieren, sexuelle und reproduktive Rechte, Rechte von LGBTIQ sowie
Kinderrechte zu unterminieren und gegen Geschlechtergleichheit mobil
machen.
Rund drei Viertel der Mittel kamen aus Ländern Europas, neun Prozent von
US-amerikanischen Organisationen. Dabei stiegen die Mittel, die investiert
wurden, in den vier Berichtsjahren um 23 Prozent. In Deutschland wurde
innerhalb von vier Jahren ein Äquivalent von rund drei Millionen US-Dollar
investiert, wobei diese Zahlen aufgrund fehlender Transparenz „sehr
unvollständig“ seien. Unter den Geldgebern sind so prominente Namen wie die
der superreichen rechten Industriellen, der Koch-Brüder, und [6][Peter
Thiel], Gründer unter anderem von PayPal und Palantir und einer der derzeit
wirkmächtigsten Patrone der extremen Rechten. Unter anderem unterstützte er
2022 die Kampagne des heutigen US-Vizepräsidenten J. D. Vance als Senator.
„Das Epizentrum“ der derzeitigen Anti-Gender-Strategie aber ist jenseits
der teils privaten, teils ultrareligiösen, teils klerikal-aristokratischen
Gelder, Stiftungen, Organisationen und Thinktanks die „Politik selbst“,
sagt EPF-Geschäftsführer Neil Datta. In den vergangenen Jahren hätten sich
die politischen Parteien der Länder „zu den wichtigsten Motoren der
anti-gender und religiös extremistischen Mobilisierung in ganz Europa
entwickelt“, heißt es in dem Bericht. „Einst von ideologisch ausgerichteten
zivilgesellschaftlichen Organisationen angeführt, ist die
Anti-Gender-Agenda nun fest in den formellen politischen Institutionen
verankert, insbesondere durch rechtskonservative und rechtsextreme
Parteien.“
## Mobilisierung gegen „globalistische Kräfte“
Zwischen 2019 und 2023 kann ein Äquivalent von mindestens 171 Millionen
US-Dollar öffentlicher Mittel, die in Anti-Gender-Initiativen flossen, auf
staatliche oder mit der EU verknüpfte Quellen zurückverfolgt werden – ein
„signifikanter Anteil“ an der Anti-Gender-Mobilisierung, so das EPF. Und
der Anteil wächst.
In Ungarn etwa, einem der wichtigsten staatlichen Sponsoren der
Anti-Gender-Bewegung in Europa, pumpt die Regierung neben eigenen
Anti-Gender-Programmen öffentliche Gelder längst in Orbán-loyale NGOs,
Medienplattformen und Thinktanks. So schaffe man „Echokammern“
gegenseitiger Legitimierung. Letztlich führe das dazu, dass „demokratische
Normen von innen erodieren“.
Auf europäischem Level sind laut EPF insbesondere drei Fraktionen stark in
die Mobilisierung eingebunden: die Europäischen Konservativen und Reformer
(EKR), die Europäische Christliche Politische Partei (ECPP) und die rechte
Fraktion Identität und Demokratie (ID). Ungeachtet verschiedener Positionen
ihrer Mitgliedsparteien spielte etwa die EKR „eine führende Rolle bei
Anti-Gender-Initiativen innerhalb des Europäischen Parlaments“ und
sponserte Großveranstaltungen in Polen, Spanien und Kroatien, bei denen der
Kampf gegen „ ‚Gender-Ideologie‘ ganz oben auf der Tagesordnung stand“.…
ID-Fraktion macht proaktiv gegen „globalistische Kräfte“ mobil, die sie
beschuldigt, LGBTIQ- und Gender-Themen zu fördern. Und die ECPP sponsorte
Treffen des antifeministischen Netzwerks Agenda Europe.
Alle europäischen Fraktionen erhalten zudem Spenden, wovon wiederum einige
von Anti-Gender-AkteurInnen stammen. So bestehe die Möglichkeit, dass
ideologische Geldgeber „die Agenda der politischen Fraktionen auf
europäischer Ebene bestimmen“. Zu den größten privaten Sponsoren der EKR
etwa gehörte laut Bericht 2023 und 2024 mit insgesamt 36.000 Euro Tilman
Rüsch. Er sitzt im Rat der Stiftung für Familienwerte, die rechte
PublizistInnen wie Birgit Kelle, Hedwig von Beverfoerde und Roland Tichy
für Vorträge einlädt und sich laut Website für die „Ehe zwischen Mann und
Frau“ einsetzt.
„Die Anti-Gender- und religiös-extremistische Bewegung ist nicht nur
ideologisch laut – sie ist auch finanziell aufgerüstet“, heißt es im
Bericht. Ob von AristokratInnen, religiösen ExtremistInnen, extrem rechten
PopulistInnen oder der öffentlichen Hand: „Von Moskau bis Washington, von
Brüssel bis Budapest – Geld ist die treibende Kraft bei der Umgestaltung
von Gesetzen, Politik und öffentlichen Normen rund um Geschlecht,
Sexualität und reproduktive Rechte.“
28 Jun 2025
## LINKS
[1] /Maassen-und-Verfassungsschutz/!5985997
[2] /Gesetz-gegen-Abtreibungsgegner/!6019176
[3] /Georgiens-queerfeindliche-Gesetzgebung/!6034309
[4] /Abtreibungsrecht-in-Polen/!6023320
[5] /Project-2025-Manifest-in-den-USA/!6043014
[6] /Podcast-ueber-Paypal-Gruender-Peter-Thiel/!6089888
## AUTOREN
Patricia Hecht
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