| # taz.de -- Gesetz gegen Abtreibungsgegner: Gegen Scham und Schuldgefühle | |
| > Der Bundestag hat beschlossen, dass sogenannte Gehsteigbelästigungen vor | |
| > Beratungsstellen künftig strafbar sind. Paragraf 218 wurde nicht | |
| > gestrichen. | |
| Bild: Gehsteigbelästigungen vor Beratungsstellen sollen künftig strafbar sein | |
| Schwangere, denen auf dem Weg zu Beratungsstellen Bilder mit | |
| zerstückelten Föten entgegengehalten werden oder die Spaliere lautstark | |
| betender Personen passieren müssen: Das soll es künftig nicht mehr geben. | |
| Am Freitag hat der Bundestag ein Verbot dieser sogenannten | |
| Gehsteigbelästigungen beschlossen. | |
| In einem Bereich von 100 Metern um gynäkologische Praxen und | |
| Beratungsstellen ist es AbtreibungsgegnerInnen künftig untersagt, | |
| Schwangere dabei zu beeinträchtigen, die Beratung wahrzunehmen, diese | |
| absichtlich zu erschweren oder ihnen „durch Ansprechen wissentlich die | |
| eigene Meinung aufzudrängen“, heißt es in dem Gesetz. Auch Inhalte, die auf | |
| „unmittelbare emotionale Reaktionen von Furcht, Ekel, Scham oder | |
| Schuldgefühle“ zielen, dürfen nicht mehr gezeigt werden. Passiert das doch, | |
| kann es mit bis zu 5.000 Euro geahndet werden. | |
| Während Union und AfD im Plenum behaupteten, das Problem werde von den | |
| Ampelfraktionen „erfunden“, sagte Denise Loop (Grüne): „Der Spießrutenl… | |
| von Schwangeren hat ein Ende.“ Man stärke Schwangere in ihrer | |
| selbstbestimmten Entscheidung über einen möglichen Schwangerschaftsabbruch. | |
| Carmen Wegge (SPD) sagte: „Wir machen mit diesem Gesetz etwas, das | |
| selbstverständlich sein sollte: Wir stehen an der Seite von Frauen in | |
| diesem Land.“ | |
| Céline Feldmann vom Deutschen Juristinnenbund begrüßte den | |
| „bundeseinheitlichen Schutz“: Bislang habe enorme Rechtsunsicherheit | |
| geherrscht, da Behörden und Gerichte der Länder uneinheitliche Regelungen | |
| getroffen hätten. „Zum ersten Mal gibt es nun einen einheitlichen | |
| präventiven Schutz über Schutzzonen, zudem repressiven Schutz über das | |
| Ordnungswidrigkeitenrecht.“ | |
| ## Paragraf 218 noch nicht gestrichen | |
| Der Berufsverband der Frauenärzte erklärte, viele seiner rund 15.000 | |
| Mitglieder berichteten immer wieder über Anfeindungen. Man fürchte, dass | |
| die beschlossenen Sanktionen „nicht ausreichen“: Praxen seien nicht nur von | |
| analogen, sondern auch „von massiven digitalen Belästigungen betroffen“. | |
| Sogenannte LebensschützerInnen würden nicht nur auf dem Gehsteig, sondern | |
| auch per Brief, E-Mail und Anzeige die Beratungsstellen und Praxen | |
| belästigen. | |
| Gehsteigbelästigungen zu verbieten, ist eines von mehreren Vorhaben der | |
| Ampelkoalition, um reproduktive Rechte zu verbessern. Diese ermöglichen es, | |
| selbstbestimmt über den eigenen Körper und die eigene Sexualität zu | |
| entscheiden. Zu Beginn der Legislatur hatte die Ampel den Paragrafen 219a | |
| gekippt, der es Ärzt*innen verboten hatte, auf ihren Webseiten über | |
| Schwangerschaftsabbrüche zu informieren. Zudem wurde das | |
| Selbstbestimmungsgesetz verabschiedet, das es trans, inter und nonbinären | |
| Personen erleichtert, den eigenen Geschlechtseintrag und Vornamen ändern zu | |
| lassen. | |
| Offen ist, ob in dieser Legislatur noch ein Vorstoß kommt, den Paragrafen | |
| 218 aus dem Strafgesetzbuch zu streichen. Der verbietet | |
| Schwangerschaftsabbrüche in Deutschland und stellt sie nur unter bestimmten | |
| Bedingungen straffrei. Eine von der Bundesregierung eingesetzte | |
| Expert*innenkommission war im April zu dem Schluss gekommen, dass | |
| diese Regelung aus völker-, verfassungs- und europarechtlicher Perspektive | |
| „nicht haltbar“ sei. Sie empfiehlt die Legalisierung von Abbrüchen | |
| mindestens in den ersten drei Monaten. | |
| Von [1][Seiten der Regierung ist bisher nichts] in diese Richtung passiert. | |
| Und das, obwohl sowohl [2][SPD als auch Grüne eine Legalisierung in ihren | |
| Wahlprogrammen versprochen hatten]. Die [3][SPD-Fraktion hingegen hat | |
| kürzlich ein Positionspapier beschlossen], das auf die Streichung des | |
| Paragrafen zielt, und kündigte an, mit der FDP-Fraktion ins Gespräch gehen | |
| zu wollen. Je nach Ergebnis wäre eine parlamentarische Initiative möglich. | |
| Auch die Gruppe der Linken fordert ein Ende des Abtreibungsverbots. Zwar | |
| begrüßte deren Abgeordnete Gökay Akbulut das Verbot der | |
| Gehsteigbelästigungen – das viel größere Problem aber sei der Paragraf 218: | |
| „Es kann nicht sein, dass der kleinste Koalitionspartner FDP sowohl Grüne | |
| als auch SPD vor sich hertreibt“, sagte Akbulut. Die Gesellschaft sei viel | |
| weiter, eine Mehrheit habe sich für die Legalisierung ausgesprochen. | |
| Schwangerschaftsabbrüche gehörten zu einer guten Gesundheitsversorgung. | |
| „Der Paragraf 218 muss in dieser Legislatur endlich gestrichen werden.“ | |
| 5 Jul 2024 | |
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| ## AUTOREN | |
| Patricia Hecht | |
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