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# taz.de -- Buch „Harry Rowohlt – Ein freies Leben“: Im Anekdoten-Univers…
> Vor zehn Jahren verstarb Harry Rowohlt. Alexander Solloch hat eine
> angenmessen distanzierte Biografie über den Sprach-Beherrscher
> geschrieben.
Bild: Mythen, Legenden und am Ende 14 Seiten Werkverzeichnis: Harry Rowohlt, hi…
Mutig, oder? Eine Biografie über Harry Rowohlt zu schreiben, diesen
Übersetzer, Schauspieler, Sprecher; diesen wilden Kolumnisten und
Vermittler Winnie the Poohs und der irischen Literatur, vor allem aber
vielleicht umtriebigen Vorleser – einen, bei dem ein Abend schon mal drei,
vier, fünf, ach: bis zu sieben Stunden dauern konnte. Bis heute rühmt sich
der TV-Literaturkritiker Denis Scheck, dass er nie eine Rowohlt-Lesung
besucht habe – das seien doch Geiselnahmen gewesen!
Harry Rowohlt also, geboren 1945 in Hamburg, wo er am 15. Juni 2015 auch
verstarb. Ein Mann, umgeben von einem ganzen [1][Universum an Legenden und
Mythen und Anekdoten] und Weitererzähltem. Vier Jahre lang habe er an dem
Buch gearbeitet, bekennt der Rundfunkjournalist Alexander Solloch gleich am
Anfang.
Einmal habe er Rowohlt zu einem Radiogespräch eingeladen, an einem
Vormittag, mehr sei nicht gewesen. Und listet gleich darauf auf, wen er
später alles getroffen habe, um sich von Rowohlts Leben erzählen zu lassen:
frühe Freunde, zeitweilige Weggefährten, spätere Kollegen wie [2][Frank
Schulz] und [3][Gerhard Henschel].
Vor allem aber Rowohlts Ehefrau Ulla, die sehr offenherzig über die
gemeinsamen, manchmal komplizierten und doch glücklichen Ehejahre
gesprochen haben muss. Am Schluss des Buches folgen 434 Fußnoten, ein
dichtgewebtes Personenverzeichnis von Adenauer, Konrad, über Phettberg,
Hermes bis Zischler, Hanns. Plus ein 14-seitiges, eng getipptes
Werkverzeichnis.
Eine Fleißarbeit, die sich gelohnt hat: Solloch erzählt mit gebotener
Distanz vom 1968er-Leben eines Verlagserben, der nichts weniger wollte, als
einen Verlag zu erben und der diesem Nicht-Wollen glücklicherweise
vertraute. Der sich anfangs zuweilen wünschte, Vollwaise zu werden,
entstammte er doch einer mehr als seltsamen Familie: im Zentrum besonders
seine Mutter Maria Rowohlt, Schauspielerin und irgendwann auch Ehefrau von
Verleger Ernst Rowohlt, die noch auf der Hochzeit ihres Sohnes hoffte, dass
diese Hochzeit nie stattfinden werde. Dann sein Halbbruder Heinrich Maria
Ledig-Rowohlt, 37 Jahre und noch mehr Welten liegen zwischen ihnen; von dem
er doch so sehr wollte, dass er sein Freund sei.
Angenehm ist, dass der Biograf bei seiner Rolle als beobachtender
Beschreiber bleibt. Er protzt auch nicht mit vorgeblichen Enthüllungen;
gut, eine einzige gibt es davon doch, eine, bei der mancher Rowohlt-Fan
auch wirklich sehr tapfer sein muss: Harry war HSV-Fan. Echt.
Ganz nebenbei, sozusagen durch Rowohlt hindurch, erzählt Solloch von der
fast vergessenen Kunst des Briefeschreibens. Harry Rowohlt nämlich hat
nicht nur nahezu alle Briefe, die ihm im Laufe von Leben und Karriere
geschickt wurden, aufgehoben und archiviert; sondern auch fast alle, die er
geschrieben hat: sein Mittel, Freundschaften wie Feindschaften genüsslich
zu pflegen, barsch aufzukündigen oder überhaupt liebevoll zu initiieren.
Eine Kostprobe? 1976, Rowohlt lebte in München, als ihn die Mutter eines
einstigen Schulfreundes anschrieb, ob er für diesen nicht einen Job habe.
Die Antwort: „Wenn Heinz-Dieter (wie kann man seinem Kind nur so einen
Namen geben?) mal nach München kommen sollte, findet er hier immer
Verständnis und eine ruhige Poofe, aber ganz sicher keinen Job. Ansonsten
verstehe und ehre ich Ihre Bemühungen; ich habe selbst eine Mutter und
entsprechend zu leiden. Vielleicht können Sie sich mal mit ihr
kurzschließen und Entsetzen austauschen.“
Und selbst? Ich habe Harry Rowohlt einmal getroffen, im Sommer 2011. Für
das Straßenmagazin Hinz&Kunzt war ich mit ihm in seiner Eppendorfer Wohnung
verabredet: Er hatte gerade die Rolle des Hartmut Rennep in der
[4][TV-Serie „Lindenstraße“] inne; der fiktive Nachname erkennbar ein
Anagramm von „Penner“.
Rowohlt erzählte und erzählte und kam von einem zum anderen. Etwa, dass er
das Kölner Publikum wegen dessen prophylaktischem Lachens hasse. Oder wie
er mal im Hamburger Literaturhaus, in dem er auftreten sollte, am Einlass
wegen seines Äußeren abgewiesen wurde – an diesem Abend sei hier nämlich
eine Dichterlesung.
## Mitten im Gespräch legte er einfach auf
Nach einer dreiviertel Stunde stand er auf, er habe nun zu tun. Wie
abgesprochen schickte ich ihm bald meinen ausgedruckten Text per Brief: Ob
ich ihn richtig zitiere und so weiter. Mit bangem Herzen rief ich ihn am
nächsten Tag an, und tatsächlich hielt er mir einen langen, eindringlichen
Vortrag über die richtige Kommasetzung anhand aktueller Beispiele.
Dass der Text noch zweimal Korrektur gelesen werden würde, mindestens, wie
ich beschämt einwarf, interessierte ihn nicht. Mitten im Gespräch legte er
einfach auf. Klack, weg war er. Stille.
Ich sehe bis heute vor mir, wie Harry Rowohlt aus seinem Telefonier-Sessel
aufsteht und den langen Flur entlang schlendert in sein Arbeitszimmer, sich
an den Schreibtisch setzt und [5][die nächste zu übersetzende Seite]
aufschlägt.
14 Jun 2025
## LINKS
[1] /Nachruf-Harry-Rowohlt/!5204372
[2] /Frank-Schulz-Amor-gegen-Goliath/!6039894
[3] /Gerhard-Henschel/!a42952/
[4] /taz-Autorin-in-der-Lindenstrasse/!5548483
[5] /Das-ist-wie-St-Pauli-und-HSV/!1113013&s=Harry+Rowohlt+HSV&SuchRahm…
## AUTOREN
Frank Keil
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