# taz.de -- Rowohlt und Gysi lesen Marx und Engels: Alle Kalauer werden gebracht | |
> Harry Rowohlt und Gregor Gysi beleben auf einem Hörbuch Marx und Engels | |
> wieder - Zoten, Homophobie und Rassismus inklusive. | |
Bild: Lesen Marxistisches: Gregor Gysi und Karl - pardon - Harry Rowohlt. | |
Karl Marx und Friedrich Engels haben sich in ihrer privaten Korrespondenz | |
nicht zurückgehalten mit ihrer Misanthropie. Kollegen, Mitstreitern und | |
Völkern gaben sie Schmähnamen, spielten, manchmal sehr dilettantisch, | |
Weltpolitik und gaben sich schlauer aus, als sie waren. | |
So schrieb Marx 1862 über Ferdinand Lassalle: "Es ist mir jetzt völlig | |
klar, dass er, wie auch seine Kopfbildung und sein Haarwuchs beweist, von | |
den Negern abstammt, die sich dem Zug des Moses aus Ägypten anschlossen | |
(wenn nicht seine Mutter oder Großmutter von väterlicher Seite sich mit | |
einem Nigger kreuzten). Nun, diese Verbindung von Judentum und Germanentum | |
mit der negerhaften Grundsubstanz müssen ein sonderbares Produkt | |
hervorbringen. Die Zudringlichkeit des Burschen ist auch niggerhaft." | |
Antisemitismus und Rassismus waren, gerade bei Marx, der aus jüdischem | |
Elternhaus stammte, sehr ausgeprägt. Engels wusste über Schwule zu hetzen: | |
"Krieg den Mösen, Friede den Arschlöchern" laute wohl deren Programm. | |
Das alles ist seit Jahrzehnten bekannt, manche sehen in diesen Äußerungen | |
die Rede von Marxens und Engels Witz bestätigt (der sich jedoch woanders | |
findet), die einschlägigen Stellen sind auch gut im Internet zu finden. | |
Trotzdem waren die Autoren Björn und Simon Akstinat "so sehr erstaunt" über | |
"die Sprüche", dass sie eine Lesung mit den einschlägigen Stellen in der | |
Berliner Kalkscheune organisierten, mit Katherina Thalbach, die den Text | |
der "Akstinat-Brüder", wie sich das Künstlerduo nennt, verlas, und Harry | |
Rowohlt sowie Gregor Gysi, die Marx und Engels mit ihren Stimmen belebten. | |
Nun ist die Lesung auf CD zu hören, unter dem Titel "Marx & Engels intim". | |
Thalbach, obschon sie den größten Sprechanteil hat, wird auf der Hülle nur | |
verschämt genannt, Gysi und Rowohlt stehen im Vordergrund, als Kaufanreiz. | |
"Aus dem unzensierten Briefwechsel" läsen beide, heißt es, damit ja jeder | |
denkt, hier gehe es um Geheimnisse. | |
In der Anrede gibt es einen obszönen Scherz über Dawid Rjasanow, einen | |
Leiter des Moskauer Marx-Engels-Instituts: "Herr Rjasanow sammelte einfach | |
alles. Auch die Briefe, aus denen diese Lesung besteht. Das machte ihn in | |
den Augen der sowjetischen Führung so verdächtig, dass man ihn 1938 | |
vorsichtshalber erschießen ließ. Man kann ja nie wissen, bei so neugierigen | |
Leuten. Es wird vorgelesen, was teilweise nie für die Öffentlichkeit | |
bestimmt war! Und sie werden fürs Zuhören bestimmt nicht erschossen! | |
Versprochen!" Da lacht das Publikum, bis es pupsen muss. | |
Alle Kalauer werden gebracht, selbst das zu Tode geschundene Marx-Wort | |
"Alles, was ich weiß, ist, dass ich kein Marxist bin." Die Gebrüder finden | |
witzig, dass Marx und Engels - wie alle Freidenker ihrer Zeit - die | |
Amerikaner loben und die Russen als rückständig bezeichnen. Was letzteres | |
angeht, sollten sie einmal Lenin lesen, da wären sie erst mal erstaunt! | |
Doch es geht ihnen um nichts als die Vorführung von Marx und Engels. Daher | |
wird, "nachdem wir nun alle Marx- und Engelssprüche gehört haben", noch | |
einmal der alte Engels zitiert: "Der Antisemitismus ist nichts anderes als | |
eine Reaktion mittelalterlicher, untergehender Gesellschaftsschichten gegen | |
die moderne Gesellschaft, die wesentlich aus Kapitalisten und Lohnarbeitern | |
besteht, und dient daher nur reaktionären Zwecken unter scheinbar | |
sozialistischem Deckmantel; er ist eine Abart des feudalen Sozialismus, und | |
damit können wir nichts zu schaffen haben." | |
Ist es Bigotterie? Den Satz veröffentlichte Engels selbst. Überhaupt hält | |
sich der Antisemitismus, die Homophobie und selbst der Rassismus von Marx | |
und Engels in ihren zu Lebzeiten veröffentlichten Schriften in Grenzen. | |
Doch die Akstinat-Brüder interessieren sich weder für den Unterschied von | |
öffentlicher und privater Äußerung, noch erlauben sie dem alten Engels eine | |
Läuterung. Dass das Publikum, begeistert über die politisch unkorrekten | |
Ausfälle, affirmativ mitlacht mit den Rassismen, irritiert sie nicht. Ihnen | |
geht es um die Diskreditierung. Dass ein Politiker der Linkspartei dem | |
seine Stimme leiht - geschenkt. Aber warum sich Thalbach und Rowohlt für | |
diese zudem noch sehr lieblos gestaltete CD hergegeben haben, bleibt | |
unverständlich. | |
"Aus dem unzensierten Briefwechsel" läsen beide, heißt es, damit jeder | |
denkt, hier gehe es um Geheimnisse | |
15 Jul 2009 | |
## AUTOREN | |
Jörg Sundermeier | |
## TAGS | |
Rowohlt | |
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