# taz.de -- Hannah Deitchs Roman „Killer Potential“: Unschuldig verfolgt in… | |
> In ihrem hochspannenden Romandebüt, einem Sozialdrama-Thriller, schickt | |
> Hannah Deitch zwei Frauen quer durch die USA – in schäbige Motels und | |
> opulente Strandvillen. | |
Bild: „Killer Potential“ bietet praktisch nonstop visuelle Highlights | |
Zwei Frauen, von denen eine als Mörderin verfolgt wird, fliehen quer durch | |
die USA, überstehen lebensgefährliche Situationen und kommen sich | |
persönlich sehr nahe. Das ist ein bekanntes, ja berühmtes Sujet und durch | |
Susan Sarandon und Geena Davis als [1][„Thelma und Louise“] in die | |
Filmgeschichte eingegangen. Nun hat eine junge US-Amerikanerin einen | |
hochspannenden Thriller geschrieben, der dieses Basis-Setting mit neuen, | |
aktuellen Perspektiven auf die amerikanische Gesellschaft verbindet. | |
Die Hauptfigur, ihre Ich-Erzählerin Evie, hat Autorin Hannah Deitch | |
großzügig aus ihrer eigenen Biografie gespeist, wie sie in Interviews gern | |
erzählt. Wie Evie habe auch sie selbst jahrelang als Nachhilfelehrerin für | |
Sprösslinge reicher Familien gearbeitet, und die Idee zu dem Roman sei ihr | |
in einer Lebensphase gekommen, als sie frustriert merkte, dass sie trotz | |
Vollzeitanstellung immer noch in erbärmlicher ökonomischer Unsicherheit | |
lebte. | |
Der brutale Kontrast zwischen den Lebensumständen jener, die in Geld | |
schwimmen, und anderer, die trotz glänzender akademischer Leistungen von | |
der Hand in den Mund leben, zieht sich von Anfang bis Ende durch den Roman. | |
Wegen dieser tiefempfundenen sozialen Ungerechtigkeit wird Evie, das merkt | |
sie aber erst sehr spät, von vielen Menschen als eine Art Robin Hood | |
verehrt – ganz zu Unrecht, denn die Tat, deretwegen sie verfolgt und in den | |
Medien überall als Mörderin bezeichnet wird, hat sie nicht begangen. Doch | |
leider sieht alles danach aus. | |
## Sie ist nicht die Mörderin | |
Denn wie sollte Evie jemals nachweisen können, dass nicht sie es war, die | |
die Eltern ihrer Nachhilfeschülerin Serena im Garten des herrschaftlichen | |
Anwesens der Familie ermordet hat – da sie doch tatsächlich Serena | |
niedergeschlagen hat, als das Mädchen überraschend auftauchte und sie | |
angriff. Als noch ein weiterer Zeuge die Szene betritt, flieht Evie spontan | |
und nimmt eine fremde junge Frau mit, die sie zu ihrem Entsetzen in einem | |
Verschlag des Hauses gefunden hat: gefesselt, stinkend, halb verhungert und | |
offensichtlich misshandelt. Wer hat ihr das nur angetan? | |
Eine Antwort darauf bleibt die Fremde lange schuldig, denn sie spricht | |
nicht, und Evie bedrängt die Traumatisierte nicht mit Fragen. Allerdings | |
verfügt ihre Begleiterin über nützliche Fähigkeiten, stiehlt sehr geschickt | |
Lebensmittel, Brieftaschen und immer wieder neue Fahrzeuge. | |
Für eine Verfilmung (die Rechte sind bereits verkauft) bietet „Killer | |
Potential“ praktisch nonstop visuelle Highlights, denn zwischen der Küste | |
Floridas und jener des amerikanischen Nordwestens nehmen die beiden Frauen | |
viele sehenswerte Landschaften mit – und verlegen sich im Handlungsverlauf | |
zunehmend auf das Klauen von Booten, sodass dramatische Zusammentreffen mit | |
Verfolgern auch gern einmal in opulenten Strandvillen stattfinden. | |
## Liebesgeschichte zwischen zwei Frauen | |
In scharfem ästhetischem Kontrast zu diesen optischen Leckerbissen aus der | |
Welt der Reichen und Schönen stehen die schäbigen Motelzimmer, in denen die | |
Fliehenden hier und da ein Bett für die Nacht finden. Im Verlauf der Reise | |
entwickelt sich aus unterschwelliger sexueller Anziehung eine Art | |
Liebesgeschichte zwischen den beiden Frauen. Und als die stumme Jae endlich | |
ihre Sprache wiedergefunden hat, hat sie eine Geschichte zu erzählen, die | |
noch erschütternder ist als Evies eigene bittere Erfahrung … | |
Ein prima Pageturner also, fein queerfeministisch getönt und tendenziell | |
sozialrevolutionär gestimmt. Und die deutsche Übersetzung von Conny Lösch | |
liest sich so gut, dass auch anglophile SprachpuristInnen nicht zum | |
Original greifen müssen. | |
11 Jun 2025 | |
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[1] /Feministischer-Roman/!5841158 | |
## AUTOREN | |
Katharina Granzin | |
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