| # taz.de -- Roman über Gewalt gegen Frauen: Wenn Serienmörder zu gut aussehen | |
| > Aus der Sicht der Frauen: In „Bright Young Women“ schreibt Jessica Knoll | |
| > wütend gegen die Mythisierung von Gewalttätern an. | |
| Bild: „Sind wir die Nächsten? Junge Frauen marschieren beim „March for Our… | |
| Kein einziges Mal wird in „Bright Young Women“ der Name des Serienmörders | |
| genannt, der in den USA der siebziger Jahre mindestens dreißig Frauen | |
| tötete und dessen Bluttaten Vorlage geworden sind für zahlreiche Filme, | |
| Serien und Romane. | |
| Auch Jessica Knolls Roman gäbe es nicht ohne die Morde, die jener Mann | |
| beging. Aber die Autorin geht bewusst nicht in die Falle, die in der | |
| Faszination für das Böse liegt, und ändert radikal sowohl die Perspektive | |
| als auch die Blickrichtung der Erzählung: Nicht der Gewalttäter steht im | |
| Zentrum ihres Buches, auch nicht die Gewalt. | |
| Es geht im Gegenteil darum, den jungen Frauen, die jener Mann verletzte und | |
| tötete, Stimme und Gesicht zu geben. Knoll stützt sich auf die reale | |
| Geschichte einer Überlebenden; wie viel fiktionalisiert ist, bleibt unklar | |
| und spielt auch keine Rolle. | |
| Durch die Hauptfigur Pamela und ihre Erfahrungen wird exemplarisch nicht | |
| nur die Ausnahmesituation erlebbar, in die Menschen geraten, die Opfer oder | |
| Zeugen einer Gewalttat werden, sondern wird auch die sexistische | |
| US-amerikanische Gesellschaft der siebziger Jahre vorgeführt. | |
| ## Der Mörder läuft frei herum | |
| Im Sommer 1978 bricht am College von Tallahassee in Florida ein unbekannter | |
| Mann in ein Wohnheim für Studentinnen ein und greift die jungen Frauen | |
| brutal an. Vier Personen werden schwer verletzt, zwei von ihnen sterben. | |
| Zufällig sieht die Ich-Erzählerin Pamela den Täter, als er das Haus | |
| verlässt, weiß zu diesem Zeitpunkt aber noch nicht, was geschehen ist. | |
| Später wird sie zu einer Hauptbelastungszeugin. | |
| Vorerst aber läuft der Gewalttäter noch eine Weile frei herum und begeht | |
| einen weiteren Mord, bevor die Polizei ihn verhaften kann. Die Studentinnen | |
| leben derweil unter großer Anspannung; denn zwar wird ihnen von allen | |
| Seiten geraten, extrem vorsichtig zu sein, doch die offizielle | |
| Unterstützung bleibt extrem überschaubar. Weder finanzielle Hilfe noch | |
| psychologische Betreuung wird ihnen angeboten, und auch die blutbesudelten | |
| Zimmer der Opfer müssen die traumatisierten jungen Frauen ganz allein | |
| putzen. | |
| Diese hauptsächliche Handlung wird ergänzt durch eine Rahmenhandlung, die | |
| im Jahr 2021 spielt, und durch eine weitere Erzählung, die zurückführt ins | |
| Jahr 1974 und ebenfalls in Ich-Perspektive gehalten ist, was man formal aus | |
| mehreren Gründen fragwürdig finden kann. Generell ist Knoll keine große | |
| Stilistin; aber der Spannungsaufbau stimmt, und tatsächlich erweitert und | |
| verdichtet sich durch diese Ich-Erzählung eines früheren Opfers desselben | |
| Mörders das gesellschaftliche Gesamtbild auf überzeugende Weise. | |
| Für US-amerikanische LeserInnen (oder auch Menschen, [1][die gern | |
| Serienmörder-Serien gucken]), die mit den realen Details der historischen | |
| Fälle besser vertraut sein dürften, wird die Lektüre vermutlich den einen | |
| oder anderen Wiedererkennungseffekt bieten – oder die eine oder andere | |
| überraschende neue Erkenntnis. | |
| ## Nicht überdurchschnittlich intelligent | |
| Jedenfalls schreibt Jessica Knoll geradezu wütend gegen eine Mythisierung | |
| des Serientäters an, dessen gutes Aussehen und überdurchschnittliche | |
| Intelligenz in den Medien stets so hervorgehoben worden seien. Dabei seien | |
| seine akademischen Leistungen absolut unterdurchschnittlich gewesen, und | |
| auch sonst lasse sich keine besondere Intelligenz aus seinem Verhalten | |
| herauslesen. | |
| Dass dieser Punkt im Roman immer wieder betont wird, wirkt fast ein | |
| bisschen komisch, weist aber deutlich darauf hin, dass es in der Tat eine | |
| Mythisierung gibt oder gegeben haben muss. Man will sich nur sehr ungern | |
| vorstellen, dass der Richter, der ihn verurteilte, jenen frauenhassenden | |
| Serienmörder „Kumpel“ genannt hat, aber vielleicht ist ja sogar das | |
| wirklich passiert. | |
| 28 Dec 2024 | |
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| ## AUTOREN | |
| Katharina Granzin | |
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