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# taz.de -- Präsidentschaftswahl Polen: „Es wird keinen geopolitischen Reset…
> Wie steht es um die polnisch-europäischen Beziehungen? Sicherheitsexperte
> Kai-Olaf Lang sieht den neuen Präsidenten Nawrocki auf dem Kurs seines
> Vorgängers.
Bild: Polen groß geschrieben. Unterstützer von Karol Nawrocki
taz: Herr Lang, trotz Hoffnung der liberalkonservativen Kräfte in Polen,
ist nun doch [1][mit Karol Nawrocki] erneut ein PiS-naher Präsident gewählt
worden. Ein schlechtes Zeichen für die [2][europäischen Partner?]
Kai-Olaf Lang: Die Konstellation aus europafreundlicher bis
europapragmatischer Regierungskoalition und einem nationalkonservativen
Staatsoberhaupt ist nicht neu. Der bisherige Präsident Duda als auch
Nawrocki kommen aus demselben politischen Lager und haben ähnliche
Vorstellungen bezüglich der EU: Sie möchten eine lockere Gemeinschaft, in
der die Mitgliedstaaten das Sagen haben. Nawrocki wird sicherlich den
Kontakt zu ähnlich Denkenden, nationalstaatlich orientierten Kräften in
Europa suchen, auch wenn diese im Einzelnen vielleicht abweichende
Positionen einnehmen. Etwa mit der italienischen Ministerpräsidentin Meloni
oder dem ungarischen Regierungschef Orbán. Er wird versuchen, das
souveränistische Lager in der Europäischen Union zu stärken und der
Regierung das Leben in der Innenpolitik, aber auch der Europapolitik schwer
zu machen.
taz: Welche Wirkmacht hat er als Präsident auf außenpolitischer Ebene?
Lang: Die Kompetenzen des Staatsoberhaupts in der Außenpolitik sind
begrenzt. Es ist die Regierung, die die Außen-, Sicherheits- und
Europapolitik im Wesentlich gestaltet. Allerdings hat der Präsident
durchaus Gewicht, so muss er zum Beispiel internationale Verträge
ratifizieren oder Botschafterinnen und Botschafter ernennen. Durch die
Möglichkeit, gegen Gesetzesvorhaben ein Veto einzulegen, kann er überdies
indirekt gerade in die Europapolitik eingreifen. Das war und ist ein Thema
im Zusammenhang mit der Rückabwicklung der Justizreform aus der Zeit der
Regierungen der PiS. Denn hierfür bedarf es auch legislative Prozesse.
Darüber hinaus wird es keinen sicherheits- oder geopolitischen Reset geben,
nur weil ein Nationalkonservativer die Wahlen gewonnen hat. Das hat der
bisherige Amtsinhaber schon gezeigt. Nicht nur, weil ihm hier die
Befugnisse fehlen, sondern auch weil Nawrocki und seine politische Option
in Sachen Russland eine harte Gangart fordern und eine starke
NATO-Ostflanke wollen.
taz: Zum Beispiel die Ukraine. Polen gilt als einer der großen Unterstützer
seit dem Beginn der Vollinvasion 2022. Welche Rolle wird Nawrocki, in der
polnisch-ukrainischen Beziehung spielen?
Lang: Auch wenn der Zungenschlag gegenüber der Ukraine bei Nawrocki
kritisch ist, wird sich sicherheitspolitisch wenig verändern. Wir können
davon ausgehen, dass Nawrocki die Linie seines Vorgängers beibehalten wird.
Auch Nawrocki sieht Russland als den Aggressor an und möchte eine
unabhängige und sichere Ukraine. Allerdings wird er geschichtspolitische
Fragen stärker betonen und die Wahrung polnischer Belange etwa im Kontext
der Annäherung der Ukraine an die EU beziehungsweise der
Beitrittsverhandlungen anmahnen. Auch die Regierung Tusk hat etwa beim
Import landwirtschaftlicher Güter und bei strittigen historischen Fragen
durchaus polnische Interessen durchgesetzt, doch Nawrocki könnte wird keine
Chance auslassen, die Regierung als nachgiebig darzustellen. Vermutlich
wird Nawrocki versuchen, Polens Umgang mit der Ukraine aus einer Position
der Stärke heraus zu formulieren. Und er greift damit Stimmungen in der
Bevölkerung auf, in der immer mehr Menschen zwar die sicherheitspolitische
Unterstützung für die Ukraine nicht revidieren wollen, aber mehr
„Dankbarkeit“ und Entgegenkommen vom Nachbarland erwartet. Dass Nawrocki
sich gegen einen NATO-Beitritt der Ukraine ausspricht, dürfte weniger ein
Paradigmenwechsel sein, sondern war eher ein wahlkampftaktisches
Zugeständnis an die Nationalisten. Sollte die Ukraine tatsächlich einmal
eine realistische NATO-Aufnahmeperspektive bekommen, würde sich Nawrocki
wohl nicht sperren. Er könnte aber die Mitgliedschaft des Nachbarlands in
der NATO, wie auch in der EU, an Bedingungen, etwa im Bereich der
Geschichtspolitik knüpfen. Aber dies alles ist hypothetisch.
taz: Nawrocki ist als Präsident auch Oberbefehlshaber der polnischen
Streitkräfte. Bisher lehnte Warschau den Einsatz eigener Truppen ab. Wird
es dabei bleiben?
Lang: Über die Lager hinweg ist man sich einig, dass Polen keine Soldaten
für eine mögliche Friedenssicherung schicken wird. Nawrocki wird daran
nichts ändern wollen, auch weil in großen Teilen seiner Wählerschaft, aber
auch in der polnischen Bevölkerung insgesamt eine solche Form der
Unterstützung für die Ukraine abgelehnt wird. Auch für die Regierung, die
ja geschwächt aus der Wahl hervorgeht, wäre eine Kehrtwende in dieser Frage
riskant.
taz: Immer wieder gibt es Zweifel unter den europäischen Partner, wie
verlässlich die US-Regierung in Bezug auf Europas Sicherheit und den Krieg
in der Ukraine ist. Nawrocki hat gute Kontakte in das politische Lager von
Donald Trump. Welche Rolle könnte er spielen?
Lang: Auch manch andere Europäer haben gute Kontakte zu Trump oder seiner
Administration, doch wer wirklich Einfluss auf Trumps Handels- und
Russlandpolitik hat, ist unklar. Daher wage ich zu bezweifeln, dass
Nawrocki etwas verändern kann oder gar als Emissär der Europäer agieren
könnte. Aber vielleicht könnte er für Polen etwas herausschlagen, indem er
Trump Loyalität anbietet und dafür etwa fortgesetztes
sicherheitspolitisches US-Engagement erwirkt. Auch in solchen Fragen müsste
er sich dann mit der polnischen Regierung gut koordinieren.
taz: Nach der Wahl des liberalkonservativen Tusk hatte die EU-Kommission
EU-Gelder in Milliardenhöhe ausgezahlt, die zuvor wegen dem Abbau der
Rechtsstaatlichkeit eingefroren worden waren. War die Entscheidung aus
Brüssel verfrüht?
Lang: Die EU bzw. die Europäische Kommission wollte offenkundig die neue
Regierung Tusk stützen und die von ihr angekündigte und in Teilen auch
praktizierte Rechtsstaatspolitik honorieren. Die EU wusste, wie die
innenpolitischen Parameter in Polen sind, dass also wichtige
Gesetzesänderungen wohl blockiert werden würden und eine
Rechtsstaatlichkeitswende in Polen erst finalisiert werden kann, wenn es
einen neuen Präsidenten geben würde. Hätte man EU-Mittel nicht freigegeben,
hätte Tusk eines seiner wichtigsten Wahlversprechen, nämlich den raschen
Zugang zu europäischen Geldern, nicht einlösen können, obwohl er ja den
Forderungen Brüssels nachkommen wollte.
taz: Nawrocki gilt als antideutsch. Der neue Polen-Beauftragte der
Bundesregierung, Knut Abraham, geht trotz seines Sieges nicht von
weitreichenden Folgen für Deutschland aus. Zurecht?
Lang: Man hatte eigentlich nach den Parlamentswahlen und dem
Regierungswechsel Ende 2023 gehofft, dass ein Neuanfang in der
deutsch-polnischen Zusammenarbeit kommt, aber der blieb aus. Jetzt bekommt
man einen selbstbewussten Staatspräsidenten, der, wie die
Nationalkonservativen in den letzten Jahren, Tusk immer wieder unter den
Generalverdacht stellen wird, ein willfähriger Handlanger deutscher
Interessen zu sein. Man muss also davon ausgehen, dass es in den
deutsch-polnischen Beziehungen keine großen positiven Feuerwerke geben
wird. Gleichzeitig wird Tusk unter Druck geraten, auch weil die PiS schon
wieder auf die nächsten Parlamentswahlen hinarbeitet. Er könnte versuchen,
Sympathien aus dem moderat konservativen Lager oder von der Konföderation
zurückzugewinnen, der Wind wird also rauer. In der Praxis wird aber auch in
der polnischen Deutschlandpolitik vieles so bleiben wie bisher. Die
Regierung Tusk bleibt in Fragen wie Migrationspolitik und Grenzkontrollen
konsequent und Deutschland-kritisch. Sie wird von Deutschland mehr
Verantwortung, und das heißt auch finanzielle Verantwortung für Europas
Sicherheit anmahnen und sie möchte, dass Deutschland bei der europäischen
Klimapolitik mehr Wirtschaftsorientierung berücksichtigt. Das ist nicht
neu, nur dass Tusk in allen diesen und vielen anderen Fragen unentwegt
Entschlossenheit zeigen muss.
2 Jun 2025
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## AUTOREN
Anastasia Zejneli
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