# taz.de -- Reaktionen auf Rechtsruck in Polen: „Wie angespuckt vom Feind“ | |
> Agnieszka Holland ist traurig. Auch viele andere polnische Künstler sind | |
> entsetzt darüber, dass wieder ein Rechtspopulist ihr Präsident wird. | |
Bild: Der neue Präsident Karol Nawrocki auf dem Buchcover: Protest gegen Immig… | |
Polens Kulturszene ist entsetzt über die Wahl des Rechtspopulisten Karol | |
Nawrocki zum neuen Staatspräsidenten Polens. Viele namhafte Künstler hatten | |
sich schon vor der Wahl am 1. Juni für den weltoffenen und der Kunst und | |
Literatur zugeneigten Kandidaten Rafał Trzaskowski ausgesprochen. Der | |
beliebte Warschauer Oberbürgermeister war über Monate hinweg der Favorit in | |
allen Umfragen. | |
Als die ersten Nachwahlbefragungen am Wahlabend seinen – wenn auch sehr | |
knappen – Sieg bestätigten, gingen die meisten Theaterleute, Schriftsteller | |
und Malerinnen Polens erleichtert zu Bett. Die Ära des | |
engstirnig-nationalen Kunstverständnisses der wichtigsten Politiker im | |
Lande schien sich ihrem Ende zuzuneigen. | |
Schon im Oktober 2023 hatte die Mitte-links-Koalition von Donald Tusk das | |
achtjährige Regime der nationalpopulistischen Recht und Gerechtigkeit (PiS) | |
unter Jarosław Kaczyński abgelöst. Mit Trzaskowski an der Spitze des | |
Staates würde man endlich wieder frei durchatmen können. Doch die böse | |
Überraschung kam am nächsten Morgen: Sieger war nicht der liberale Favorit | |
geworden, sondern Nawrocki, der Rechtsaußen-Historiker ohne jede politische | |
Erfahrung. | |
## Gefühl der Demütigung | |
„Angespuckt vom Feind“ fühlt sich die bekannte Theaterregisseurin Krystyna | |
Janda, wie sie auf ihrer Facebook-Seite schreibt: „So ein Land, so eine | |
Heimat“, stellt sie fest. Das Wahlergebnis rufe bei ihr sowohl „Scham für | |
andere“ und das Gefühl der Demütigung hervor, aber auch „Mitgefühl für … | |
alle, vor allem für die Verlierer.“ Polen beginne wieder sich | |
zurückzuentwickeln. Der Hass wachse von Tag zu Tag, schreibt sie. | |
Die [1][Malerin Karolina Niedenthal] gibt ihrer Enttäuschung bildlich | |
Ausdruck. Eine rote Holzperlenkette, die die gescheiterte linke Kandidatin | |
Joanna Senyszyn vor der zweiten Runde Małgorzata Trzaskowska schenkte und | |
die zu einem Symbol für Herzlichkeit und Solidarität geworden war, liegt | |
auf einem weißen Untergrund, der aber immer schwärzer wird. Weiß-Rot steht | |
für das eigentlich geliebte Polen und Schwarz für die Trauer nach der | |
Präsidentschaftswahl. | |
Der auch in Deutschland bekannte [2][Schriftsteller Szczepan Twardoch („Der | |
Boxer“, „Das schwarze Königreich“, „Demut“)] schäumt nach den Wahlen | |
geradezu vor Wut über die Anhänger beider Seiten. „Wie viele Stimmen hat | |
Professor Hartman für seinen Kandidaten gewonnen, der die Wähler von | |
Nawrocki als Idioten, Ignoranten und Faschisten bezeichnete?“, fragt der | |
Oberschlesier auf seiner Facebookseite. Und: „Wie viele hat Professor | |
Bilewicz ihm verschafft, der behauptet, dass diejenigen, die für Nawrocki | |
stimmen, auf der Seite der Mörder von Jedwabne stehen, und all die anderen, | |
bei denen die Verachtung für die Hälfte der Bürger ihres eigenen Landes | |
über die Vernunft siegt?“ | |
Auch die andere Seite bekommt ihr Fett weg, ohne dass Twardoch jedoch | |
jemanden persönlich angreift: „Ihr Triumph ist maßlos angesichts des | |
Prozentbruchteils, mit dem ihr Kandidat gewann. All diese | |
geschäftstüchtigen Schlitzohren reiben sich schon die Hände in Erwartung | |
der Stiftungsgelder, die nun wieder zu haben sein werden, und verweigern | |
dabei der anderen Hälfte der Bürger dieses unglücklichen Landes das Recht, | |
sich Patrioten zu nennen“, empört er sich. | |
## Als Bürgerin gescheitert | |
Die international berühmte [3][Filmregisseurin Agnieszka Holland] fragte | |
sich schon nach der ersten Wahlrunde, die noch Trzaskowski gewann, aber mit | |
sehr knappem Vorsprung: „Fühle ich mich nach diesen Wahlen als Bürgerin | |
gescheitert? Ich bin traurig, aber nein, es ist nicht mein Scheitern als | |
Aktivistin oder Regisseurin, der soziale Themen sehr am Herzen liegen. (…) | |
Natürlich habe ich Angst, denn dies ist ein historischer Moment, der | |
Schwenk nach rechts ist keine Episode, sondern etwas, das über unsere | |
Zukunft für viele Jahre entscheiden kann“. Nach der zweiten Runde | |
schlussfolgert sie ganz pragmatisch: „Wir müssen etwas tun!“ | |
Andrzej Mleczko, der wohl berühmteste Karikaturist Polens, hielt mit seiner | |
Meinung zu den Wahlen auch nicht hinter dem Berg: In seiner mit klaren | |
Strichen gezeichneten Wahlkarikatur macht sich ein zähnefletschender Boxer | |
bereit zum Zuschlagen. Außerhalb des Rings steht dessen Coach und feuert | |
ihn an: „Denk dran, du hast einen Vorteil, Du bist ein Psychopath!“ | |
In der Vergangenheit war Nawrocki nicht nur aktiver Amateurboxer, sondern | |
nahm auch schon mal an Fußballhooligan-Massenschlägereien teil. | |
7 Jun 2025 | |
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## AUTOREN | |
Gabriele Lesser | |
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