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# taz.de -- Vertrauensabstimmung in Polen: Tusk kann aufatmen
> Im Sejm, dem polnischen Abgeordnetenhaus, hat über die Hälfte der
> Abgeordneten Premier Tusk das Vertrauen ausgesprochen.
Bild: Vertrauen gewonnen: der polnischen Premierminister Donald Tusk, Warschau,…
Warschau taz | In Polen hat der liberal-konservative Premier Donald Tusk
die Vertrauensabstimmung im Sejm, dem polnischen Abgeordnetenhaus,
gewonnen. Von insgesamt 460 Abgeordneten stimmten am Mittwoch 245 für die
heterogene Vierer-Koalition. Damit erreichte Tusk mehr als die für das
Vertrauensvotum erforderlichen 231 Stimmen.
Die Koalitions-Abgeordneten skandierten stehend und jubelnd: „Donald Tusk!
Donald Tusk!“ Zwar hatte im Oktober 2023 die rechtspopulistische Partei
Recht und Gerechtigkeit (PiS) erneut die Wahlen gewonnen, war aber nicht
koalitionsfähig, so dass Tusks liberal-konservative Bürgerkoalition (KO),
die christdemokratische Polska2050, die erzkonservativen Bauernpartei PSL,
und die Neue Linke (NL) eine Koalition bilden konnten und seitdem in Polen
regieren. Im Sejm verfügt das europafreundliche Regierungslager über eine
Mehrheit von 242 Abgeordneten.
Nötig geworden war die Vertrauensabstimmung, [1][weil bei der
Präsidentenwahl am 1. Juni nicht wie allgemein erwartet der Favorit und
KO-Kandidat Rafal Trzaskowski die Wahlen gewonnen hatte, sondern der
politisch völlig unerfahrene Historiker und PiS-Kandidat Karol Nawrocki].
Nicht nur der beliebte Warschauer Oberbürgermeister Trzaskowski ging aus
der Präsidentenwahl beschädigt hervor, auch die Parteiführer der anderen
Koalitionsparteien, die in der ersten Wahlrunde als Kandidaten gestartet
waren, hatten schlechter abgeschnitten als von allen erwartet.
Szymon Holownia von Polska2050 und Magdalena Biejat von der Neuen Linken
verpassten nicht nur die 5-Prozent-Marke, an ihnen zogen auch noch zwei
rechtsradikale und antisemitische Politiker vorbei. Bei den nächsten
Parlamentswahlen müssen sie fürchten, den Einzug ins Parlament knapp zu
verpassen.
## Herbe Schlappe
Als Premier Tusk, für den die Niederlage Trzaskowskis auch eine herbe
Schlappe darstellte, dann auch noch ankündigte, die Regierung
umstrukturieren zu wollen, packte einige Koalitionäre die schiere Panik.
Als PiS-Parteichef Jaroslaw Kaczynski den Rücktritt Tusks forderte und die
Etablierung einer „technischen Regierung“ aus Experten, begannen
Koalitionspolitiker öffentlich über die Vor-und Nachteile einer
„technischen Regierung ohne Tusk“ zu spekulieren.
Die Regierung schien angezählt zu sein. Um die Reihen wieder zu schließen
und im Juli mit neu strukturierter Regierung durchstarten zu können, musste
Tusk die Stimmung beruhigen und im allgemeinen Konsens die Vertrauensfrage
im Sejm stellen.
In seiner Regierungserklärung griff Premier Tusk den breit diskutierten
Vorschlag einer „technischen Regierung“ auf und fragte, ob die
oppositionellen Abgeordneten in diesem Fall ihre Mandate denn ebenfalls
aufgeben würden – zugunsten einer „technischen Experten-Opposition“.
PiS-Chef Kaczynski war zwar nicht im Plenarsaal, aber den wenigen
Oppositionellen, die Tusk zuhörten, schien der Gedanke gar nicht zu
gefallen. [2][Die „Situation der Regierung ist mit der Wahl Nawrockis zum
neuen Präsidenten nicht einfacher geworden“, stellte Tusk in seinem Expose
fest]. „Wir haben ein demokratisches Mandat. Über 11 Millionen Polen haben
unserer Koalition ihr Vertrauen ausgesprochen. Wir sollen die
Regierungsgeschäfte führen.“
## Knapp verloren
Die Präsidentschaftswahl habe dieses Mandat bestätigt. Trzaskowski habe nur
ganz knapp verloren. Hinter der Koalition stünden nach wie vor über 10
Millionen Wähler. Zudem müssten die Unregelmäßigkeiten bei der Wahl noch
geklärt werden. Als mehrere Oppositionelle im Seim höhnisch auflachten,
wies Tusk sie in scharfem Ton zurecht: „Wieso macht Ihr Euch lustig über
die Wähler? Jeder Wähler hat das Recht darauf, dass seine Stimme richtig
gezählt wird.“
Auf den Hauptvorwurf gegen die Regierung, die Nichterfüllung vieler
Wahlversprechen, ging Tusk nur indirekt ein. Wahrscheinlich nahm er an,
dass die Vetos, mit denen der bisherige Präsident Andrzej Duda die Gesetze
aus dem Regierungslager boykottiert hatte, allgemein bekannt sein dürften.
Nawrocki wiederum hatte in seinem ersten Fernsehinterview angekündigt, die
Boykottpolitik Dudas, der vor zehn Jahren ebenfalls als PiS-Kandidat
gestartet war, fortzusetzen. Tusk sei „der schlechteste Premier“, den Polen
seit 1989 gehabt habe, so Nawrocki.
11 Jun 2025
## LINKS
[1] /Praesidentschaftswahl-Polen/!6091998
[2] /Karol-Nawrocki-gewinnt-Praesidentenwahl/!6091162
## AUTOREN
Gabriele Lesser
## TAGS
Polen
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