| # taz.de -- Zukunft der EU: Europa macht sich ehrlich | |
| > Die europäische Erfolgsgeschichte droht, nationalchauvinistischen | |
| > Interessen zu weichen. Mehr denn je gilt es, sich auf gemeinsame Werte zu | |
| > besinnen. | |
| Bild: Deutsch-polnische Grenze in Frankfurt/Oder, auch hier Abwehr von Menschen… | |
| Es war eigentlich keine schlechte Woche für Europa. Trotz des [1][Wahlsiegs | |
| des nationalkonservativen Kandidaten Karol Nawrocki] zum Staatspräsidenten | |
| Polens. [2][Oder des Sturzes der niederländischen Regierungskoalition durch | |
| den Rechtspopulisten Geert Wilders] und des daraus folgenden politischen | |
| Chaos. | |
| Auch der nächste Schritt für einen Kurswechsel in der deutschen | |
| Migrationspolitik – [3][nämlich einer einfacheren Einstufung von sicheren | |
| Herkunftsländern, um Menschen schneller abschieben zu können, ohne den | |
| Bundesrat] – muss in der Reihe der bemerkenswerten Ereignisse genannt | |
| werden. Alle drei stehen für eine Woche der Ehrlichkeit in der Europäischen | |
| Union. | |
| Ehrlich deshalb, weil die hohe Taktung an Ereignissen in den europäischen | |
| Staaten sehr klar nachzeichnet, was gerade auf dem Spiel steht, wie sehr | |
| die europäische Erfolgsgeschichte von wirtschaftlicher Stabilität, von | |
| gemeinsamen Wertevorstellungen, von Menschenrechten und einer liberalen, | |
| von Solidarität geprägten Welt unter Druck steht. Bestes Beispiel ist der | |
| neue Staatspräsident Polens Nawrocki. Er wird den amtierenden | |
| Premierminister Donald Tusk mächtig vor sich hertreiben. | |
| Er wird Rechtspopulismus und grobschlächtiges Auftreten salonfähig machen | |
| und sein Ziel, Polen weiter zu spalten, vorantreiben. Sein Kurs ist bekannt | |
| und von einer Mehrheit der polnischen Wähler:innen so gewollt. | |
| Gegenkandidat:innen hatten zuletzt versucht, mit ähnlich scharfen | |
| Äußerungen zur Migrationspolitik, zur Ukraine-Hilfe Stimmen zu fischen. | |
| Aber wie so häufig, bewahrheitete sich auch im Fall Polens, dass die | |
| Menschen im Zweifel lieber das Original wählen als die mildere Kopie. | |
| ## Für oder gegen Europa? | |
| Polen, das seine Verteidigungsausgaben auf fünf Prozent des | |
| Bruttoinlandsprodukts aufstocken wird, das sich zum wirtschaftlichen | |
| Stabilitätsanker seit dem EU-Beitritt entwickelte, das in Sicherheitsfragen | |
| als verlässlicher Partner für die Ukraine und Europa dasteht, stehen harte | |
| Jahre bevor. Denn längst geht es nicht mehr nur um die nationale Agenda, | |
| sondern um die Frage für oder gegen Europa, eine Zukunft mit oder ohne | |
| EU-Staatenbündnis. | |
| [4][Tusk will in der kommenden Woche die Vertrauensfrage im Parlament | |
| stellen]. Ob er sich Unterstützung für das europäische Projekt im Parlament | |
| sichern kann, ist alles andere als sicher. Dass der niederländische | |
| Rechtspopulist [5][Geert Wilders die Regierungskoalition sprengen] würde, | |
| wenn die von ihm geforderte menschenfeindliche Abschottungspolitik | |
| gegenüber Geflüchteten nicht umgesetzt wird, muss niemanden überraschen. | |
| Die Drohung vom Koalitionsbruch machten er und seine „Partei für die | |
| Freiheit“ (PVV) mehr als einmal lautstark klar. Im Fahrwasser des | |
| Rechtsauftriebs in Polen nutzte Wilders offenbar die Gunst der Stunde und | |
| stürzte die Regierung von Ministerpräsident Dick Schoof. Die | |
| Regierungsbildung in den Niederlanden ist gewöhnlich kompliziert, dauert | |
| zermürbend viele Monate. Der Wahlkampf wird hart und hässlich werden. Auch | |
| wenn Umfragen derzeit ein grün-rotes Bündnis im Aufwind sehen. | |
| Klar ist, ein weiteres Land in Europa ist politisch instabil, wird | |
| attackiert von antidemokratischen Kräften, die Zweifel an den europäischen | |
| Grundwerten säen. Zur Freude des ungarischen Ministerpräsidenten Viktor | |
| Orbán, des slowakischen Premierministers Robert Fico oder der | |
| österreichischen FPÖ und der AfD in Deutschland. Ihr verbindendes Thema ist | |
| die Schließung der Grenzen, die Zurückweisung von Menschen in Not. | |
| ## Menschenfeindliche Abschottung | |
| Und nichts Geringeres als der Angriff auf einen der Grundwerte Europas, | |
| [6][Menschen Zuflucht zu gewähren], die von Folter, Repression, Verfolgung | |
| betroffen sind. Es wird mit der Angst vor Europa gespielt, der Rückzug auf | |
| nationale Interessen gepriesen. Der europäische Gedanke wird nicht so | |
| schnell untergehen, aber die Fliehkräfte innerhalb der Union sind mächtig | |
| am Werk. | |
| Dabei erfordern die geopolitischen Veränderungen, die Wankelmütigkeit eines | |
| [7][erratischen Präsidenten im Weißen Haus] und der Zulauf für | |
| autokratische Systeme gerade jetzt den Zusammenhalt der Staatengemeinschaft | |
| und ein gefestigtes Wertesystem. Hinzu kommt ein [8][Krieg mitten in | |
| Europa], dessen Ende sich derzeit nicht abzeichnet. | |
| EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hat kürzlich den | |
| [9][Karlspreis] verliehen bekommen, als Zeichen ihres Einsatzes für Europa. | |
| Von der Leyen sparte nicht an markigen Worten – sprach davon, für Europa | |
| kämpfen zu müssen. Nach der Woche der Ehrlichkeit wäre von der Leyen gut | |
| beraten, die Worte mit Leben zu füllen. Die Signale sind mehr als deutlich, | |
| dass sie nun gefragt ist, die EU-Mitgliedstaaten zusammenzuhalten. | |
| 7 Jun 2025 | |
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| ## AUTOREN | |
| Tanja Tricarico | |
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