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# taz.de -- Neues Buch von Alejandro Zambra: Von Vätern und Söhnen
> In „Nachrichten an meinen Sohn“ führt der chilenische Autor Alejandro
> Zambra die Erfahrung des Vaterseins zu einem hybriden Erzählband
> zusammen.
Bild: Zambra erinnert an Kindheit und Jugend in der Diktatur und danach. Alltag…
Seit ein paar Jahren schon lebt der 1975 in Santiago de Chile geborene
Schriftsteller Alejandro Zambra in der mexikanischen Hauptstadt. Dort ist
er Vater geworden, bereitet dem kleinen Sohn Silvestre nun ein
mexikanisches Frühstück aus Quesadilla mit Heuschrecken und spaziert mit
ihm durch den Bosque de Chapultepec. Auch von diesem neuen Alltag mit Kind
erzählt seine jüngste Veröffentlichung „Nachrichten an meinen Sohn“.
Risikofreudig und reflektiert lässt sich Zambra auf das literarische Wagnis
ein.
Mit Silvestres Geburt und seinen ersten 365 Tagen beginnt das Buch. Der
erste Teil handelt von den einschneidenden Veränderungen im Leben des
Chilenen und seiner Partnerin, der mexikanische Schriftstellerin Jazmina
Barrera – vom frühen Aufstehen, quälenden Cluster-Kopfschmerzen, der
Pandemie und dem neuen Vergnügen an Kinderbüchern. Die spanischsprachige
Originalausgabe erschien 2023 unter dem Titel „Literatura infantil“.
Doch es wäre kein Buch von Alejandro Zambra, wenn all diese alltäglichen
Beobachtungen aus der Vater-Perspektive nicht zwangsläufig in Beziehung zu
vielfältigen Lektüren oder dem Prozess des eigenen Schreibens gesetzt
würden, um dem Lauf der Erzählung immer wieder eine überraschende Wendung
zu verleihen. Mit dem konstanten Wechseln der Ebenen wird das Private mit
dem Öffentlichen verbunden.
Literarische Stimme seiner Generation
Der chilenische Schriftsteller gilt als scharfsinniger Chronist der
Gesellschaft seines Geburtslandes. Mit „Die Entdeckung der Kindheit“
(2012), [1][„Bonsai“ (2015)] oder zuletzt „Fast ein Vater“ (2021) hat er
seiner Generation, die ihre Kindheit unter der Diktatur Pinochets und die
Jugend in den ernüchternden Übergangsjahren erlebte, eine literarische
Stimme verliehen.
„Nachrichten an meinen Sohn“ scheint nun eine versöhnlichere Facette des
Autors hervorzukehren. Hellsichtig stellte Alejandro Zambra schon 2017 in
[2][einem taz-Gespräch] fest: “… eigentlich schreibt man doch immer am
selben Buch. Was sich verändert, ist die Welt und man selbst natürlich
auch.“
Im zweiten Teil ändert das Buch seinen Erzählstil. Neue Protagonisten
tauchen auf. „Schimpfkanonade“ erzählt von der engen Kinderfreundschaft
zwischen Dario und Sebastián, der allein mit seiner Mutter aufwächst. In
der Nachbarschaft macht ihn das zum Sonderling. Doch Dario findet dieses
Familienleben ohne Vater besonders interessant.
Die zwei Jungen treffen sich bald täglich zum Spielen oder Fernsehen, meist
bei Sebastian, dessen Mutter Lali erst spät aus dem Büro nach Hause kommt.
Ein besonderes Vergnügen bereitet es den Freunden, in andere Rollen zu
schlüpfen und sich gegenseitig unflätige, vulgäre Briefe voll wüster
Beschimpfungen zu schreiben. Durch ein unglückliches Missverständnis wird
ihre Verbindung dadurch für viele Jahre unterbrochen.
Lokal verankerte Sprache
Spätestens in dieser Kurzgeschichte zeigt sich eindrücklich, wie viel
Bedeutung der Autor einer lokal verankerten Sprache und dem präzisen
Jonglieren mit Worten beimisst. Für Susanne Lange, die Übersetzerin, mag
dies eine beachtliche Herausforderung dargestellt haben, und nicht immer
überträgt sich Zambras chilenisch geprägter Wortwitz problemlos ins
Deutsche.
Nicht nur die Entscheidung, den chilenischen „Estallido“, jene Oktober 2019
einsetzenden Massenproteste, die an anderer Stelle des Buches erwähnt
werden, negativ konnotiert mit „Ausschreitungen“ zu übersetzen, wirft
Fragen auf.
Erinnerung an die eigene Kindheit und Jugend
In „Nachrichten an meinen Sohn“ weckt die intime Betrachtung der
veränderten Lebenssituation beim Autor auch Erinnerungen an seine eigene
Kindheit und Jugend in Chile.
Während „Wolkenkratzer“, eine autobiografisch anmutende Erzählung, noch d…
Blick auf ein konfliktreiches Vater-Sohn-Verhältnis wirft, schaltet sich
gegen Ende des Buches nun Silvestres chilenischer Großvater regelmäßig per
Videocall dem mexikanischen Familienalltag zu. Der neue Austausch mit dem
Vater veranlasst Zambra nachträglich, einige Kapitel seiner Kindheit
umzuschreiben.
Dem weit verbreiteten Drang, dem eigenen Vater darin eine herausragende
Rolle zu geben, widersteht der Schriftsteller allerdings nicht.
23 May 2025
## LINKS
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## AUTOREN
Eva-Christina Meier
## TAGS
wochentaz
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Buch
Erzählungen
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Kunst im öffentlichen Raum
Buch
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verknüpft darin individuelles Handeln mit der Realität in Chile.
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