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# taz.de -- Ausstellung über Bauernkriege in Halle: Der Morgenstern ist nachge…
> Computerspiele über Feldarbeit, Agrarroboter und Waffen: Die Ausstellung
> „Planetarische Bauern“ in Halle fragt nach der heutigen Bedeutung der
> Bauernkriege.
Bild: Planetarische Bauern: Edgardo Navarro, Planetarisches Mandala, Zyklen, Ba…
Es sei nicht übertrieben, die Ausstellung „Planetarische Bauern“ im
Halleschen Kunstmuseum Moritzburg als „Kleine Documenta“ zu bezeichnen. Ob
sich Moritzburg-Direktor Thomas Bauer-Friedrich diesen Verweis beim
Eröffnungs-Pressetermin gut zurechtgelegt hatte?
Die Ausstellung ist Teil der Landesausstellung Sachsen-Anhalt
„Gerechtigkeyt 1525“ – und zugleich ein ambitioniertes, mit über zwei
Millionen Euro von Bund und Land gefördertes Projekt. Ziel ist es, die
Forderungen und Ereignisse des Bauernkriegs vor 500 Jahren mit den Mitteln
zeitgenössischer Kunst ins Heute zu überführen.
Mit aktuellen, erdumfassenden Themen sollen die historischen Begebenheiten
in Bezug zur Gegenwart und zu denkbaren Zukünften gesetzt werden.
Stichworte der Ausstellung mit dem Untertitel „Landwirtschaft, Kunst,
Revolution“ sind Biodiversität, Extraktivismus, Freiheit oder Bodenbesitz.
Bauer-Friedrich fungiert, gemeinsam mit dem Direktor der auch in Halle
ansässigen Werkleitz Gesellschaft, Daniel Herrmann, als Künstlerischer
Leiter der Ausstellung. Als er von ihrer Größe spricht, von dem
internationalen kuratorischen Team, dem aufwendigsten Vorhaben der
zurückliegenden Jahrzehnte für die Moritzburg und davon, dass für die 30,
teils eigens für die Schau geschaffenen Exponate, die Räumlichkeiten des
auf Kunst des 20. Jahrhunderts spezialisierten Hauses komplett umgeräumt
werden mussten.
## Der Documenta-Vergleich hält nur bedingt
In diesem Moment dürfte ihm der [1][Documenta-Vergleich] gekommen sein. Dem
auch beim Pressetermin anwesenden Ministerpräsidenten, Reiner Haseloff
(CDU), könnte da kurz der Atem gestockt haben: Zeigte nicht auch die
Weltkunstschau in Kassel vor drei Jahren nicht wenige „planetarische
Bauern“ – und geriet auch dadurch zwischen die kulturpolitischen Mühlsteine
von Universalismus und Identitätspolitik, die
[2][Antisemitismus-Diskussionen] obendrein?
Wer sich so sensibilisiert die Ausstellung „Planetarische Bauern“ in Halle
ansieht, wird nur sehr bedingt fündig: Die sechs Kurator*innen
erzeugten mit der Auswahl der Arbeiten – jedoch fast ausschließlich ohne
direkte Bezugnahme auf die jüngsten Bauernproteste in Deutschland – eine
zugängliche Vielfalt künstlerischer Perspektiven auf landwirtschaftliche
Themen.
Da gibt es durchaus die Dokumentationen zu und Arbeiten von indigenen
Gruppen – etwa die handgemalten Kalenderbilder der peruanischen NGO Waman
Wasi mit Darstellungen [3][von Agrargemeinschaften aus dem Amazonasgebiet].
Zu sehen gibt es aber auch im europäischen Mittelalter spielende Szenen aus
einem Computerspiel mit Frauen bei der Feldarbeit.
## Waffen, Computerspiele und Agrarrobter
Im Original stumm, hat die Künstlergruppe Total Refusal mit Sarah
Fichtinger und Nikola Supukovic den Figuren in dieser Version Stimmen
gegeben. Sie reden über Widerstand gegen die Pfaffen oder fordern Rechte
ein – ein Computerspiel als alternative historische Doku.
[4][Antje Majewski] hingegen unterhält sich in ihrem Video „Humus“ mit
einem Landwirt über autonome Agrarroboter und das Konzept eines staatlichen
Gehalts an Bauern – statt Subventionen. Einen Morgenstern als Waffe der
Bauern um 1525 zeigt Ulrike Kuschel. Allerdings handelt es sich wohl um
eine historische Nachbildung der Schlagwaffe, die vom Museum für Deutsche
Geschichte in Ostberlin erworben wurde und bis 2021 im Deutschen
Historischen Museum zu sehen war.
Ein Film Kuschels gibt dann auch Auskunft darüber, wie üblich es in der
DDR war, derlei Waffen nachzubauen. Denn es gab schlicht nicht genügend
originales Veranschaulichungsmaterial für die Museen damals, nahmen doch
die Bauernkreige in der DDR-Geschichtsschreibung des Klassenkampfes ein
wichtiges Kapitel ein. Der Film ist nicht nur ein Kommentar zur
Musealisierung des Bauernkriegsgedenkens, indirekt richtet er sich auch an
seine Inszenierung in dieser Schau.
Und da ist dann noch die Filminstallation des exilrussischen Kollektivs
Chto Delat, in der eine Muse „ein Ende der Zensur der Solidarität mit
Palästina“ in Deutschland fordert. Für einen Kleine-Documenta-Skandal
reicht letzteres wohl nicht. Zusätzlich zur Ausstellung in der Moritzburg
sind als Teil des diesjährigen Werkleitz Festivals im nahen „Zentralmagazin
Naturwissenschaftlicher Sammlungen“ am Domplatz künstlerische
Interventionen zwischen den Schauschränken mit den eingelegten,
präparierten oder skelettierten Tieren zu finden.
Tierischem Leben zugewandte Fotografien von Jochen Lempert etwa oder das
Kurzporträt einer solidarischen Landwirtschaft bei Dresden, die auf dem
Prinzip „beharrlicher Handarbeit“ beruht. Irgendwo zwischen solidarischem
Kärrnern und revolutionären Agrarrobotern scheint sie in Halle zu liegen,
die Zukunft der planetarischen Bauern.
26 May 2025
## LINKS
[1] /Eroeffnung-der-documenta15-in-Kassel/!5859290
[2] /Antizionismus-und-Antisemitismus/!5927531
[3] /Kuenstler-ueber-Ausstellung-im-HKW/!5935621
[4] /Outdoorausstellung-in-Britz/!5951097
## AUTOREN
Martin Conrads
## TAGS
Bauernkriege
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