# taz.de -- Wadephul in kritischer Mission: Von wegen „aus einem Guss“ | |
> Die europäischen Nato-Staaten versuchen sich in Solidarität mit der | |
> Ukraine und als Sparrings-Partner gegen Trump. Mittendrin: Außenminister | |
> Wadephul. | |
Bild: Außenminister in schwieriger Mission: Johann Wadephul auf dem Weg zu sei… | |
Belek taz | Am Donnerstagnachmittag marschieren sie gemeinsam auf: | |
Nato-Generalsekretär Mark Rutte und die Außenminister der USA, aus | |
Frankreich, Großbritannien, Italien und Deutschland, für die Bundesrepublik | |
ist erstmals Johann Wadephul dabei. Der Anfang des Treffens im so genannten | |
Quint-Format hat sich verzögert, weil Marco Rubio, der US-Amerikaner, noch | |
telefoniert. | |
Möglicherweise soll dieser später aus dem noblen Badeort Belek an der | |
türkischen Riviera weiter nach Istanbul reisen. Es ist vieles im Fluss rund | |
um das informelle Treffen der Nato-Außenminister*innen in der Türkei. Auch | |
das Quint-Format wurde erst spät auf die Tagesordnung gesetzt. Der Bedarf, | |
sich auszutauschen, ist groß. | |
Tagelang sah es so aus, als könne es zeitgleich, nur 700 Kilometer | |
entfernt, in Istanbul, [1][zu einem vielleicht historischen Treffen | |
kommen.] Am Wochenende hatte Russlands Präsident Wladimir Putin selbst | |
direkte Verhandlungen mit der Ukraine vorgeschlagen – und lange offen | |
gelassen, wer für die russische Seite daran teilnehmen wird. Der | |
ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj reiste in die Türkei. Putin | |
dagegen sagte schließlich ab und schickte nur noch die dritte Reihe. | |
## Wadephul will Führung zeigen | |
Der deutsche Außenminister Wadephul hatte schon am Morgen eine Schlagzeile | |
produziert. Noch bevor das Treffen der Nato-Außenminister*innen beginnt, | |
tritt er kurz vor die Presse, das ist so üblich. Doch Wadephul will | |
offensichtlich [2][eine Nachricht setzen]: Er stellt sich hinter die | |
Forderung des US-amerikanischen Präsidenten Donald Trump, die | |
Verteidigungsausgaben in den Mitgliedstaaten des Militärbündnisses auf 5 | |
Prozent des Bruttoinlandprodukts zu erhöhen. „Wir folgen ihm da“, sagt | |
Wadephul. Deutschland sei bereit und in der Lage, die Verpflichtungen zu | |
erfüllen. „Wir haben unsere Verfassung geändert und die Möglichkeit, die | |
Verteidigungsausgaben zu tätigen, die nötig sind.“ Deutschland könne | |
Vorbild sein. | |
Wadephul, das ist klar, will Führung zeigen. Und Trump auch mit dieser | |
Zusage in der Nato halten, was wiederum Russland abschrecken soll. Die | |
Nachricht läuft schnell als Eilmeldung über die Agenturen. | |
Johann David Wadephul, 62, CDU, ist seit anderthalb Wochen neuer | |
Außenminister, und übernimmt das Amt in krisengeschüttelten Zeiten. | |
Wadephul ist deshalb bereits nach Warschau und Paris, nach Kyjiw, Israel | |
und ins Westjordanland gereist, in London hat er am sogenannten „Weimar | |
plus“-Treffen teilgenommen. An diesem Donnerstag trifft er erstmals auf | |
seine 31 Amtskolleg*innen der Nato-Mitgliedstaaten. Bei dem informellen | |
Treffen soll der Nato-Gipfel Ende Juni in Den Haag vorbereitet werden. Dann | |
sollen die neuen Verteidigungsausgaben beschlossen werden. Möglicherweise | |
steht das ganze Bündnis auf dem Spiel. | |
## Abgrenzung von Baerbock | |
Wadephul unterscheidet sich deutlich von seiner Vorgängerin, der Grünen | |
[3][Annalena Baerbock], nicht nur weil er fast 20 Jahre älter, ein Mann und | |
Christdemokrat ist. Wadephul ist ein eher sachlicher, nüchterner Typ, | |
manche nennen ihn blass. Mit feministischer Außenpolitik – die seine | |
Vorgängerin hochgehalten hat – kann er nicht viel anfangen, im Bundestag | |
kündigte er eine „grundnüchterne Orientierung an unseren Interessen als | |
Deutsche und Europäer an“. Seit vielen Jahren macht der Jurist und | |
Oberstleutnant der Reserve Außen- und Sicherheitspolitik, zuletzt als | |
stellvertretender Vorsitzender der Unionsfraktion. Nicht nur bei | |
Parteifreunden wird er als einer geschätzt, der sich inhaltlich auskennt. | |
Und anders als Baerbock will er mit dem Kanzler an einem Strang ziehen. | |
Erstmals seit fast 60 Jahren kommen Außenminister und Kanzler wieder aus | |
der selben Partei. „Aus einem Guss“ solle die Außenpolitik jetzt sein, das | |
wird Wadephul nicht müde zu betonen; außerdem ist der Mann aus | |
Schleswig-Holstein für seine Loyalität bekannt. Viele stellen sich deshalb | |
die Frage, wie viel Platz überhaupt für Wadephul bleibt. Friedrich Merz | |
will einen Schwerpunkt seiner Kanzlerschaft auf die Außenpolitik legen, | |
[4][im Kanzleramt soll ein Nationaler Sicherheitsrat entstehen] – das | |
schwächt das Auswärtige Amt und seinen Minister. | |
Mit dem Aufschlag in Belek aber hat Wadephul erst einmal Furore gemacht – | |
und sich selbst ein bisschen bekannter. Am Nachmittag kommt dafür Lob vom | |
Nato-Generalsekretär. Deutschland übernehme „eindeutig die Führung“, | |
darüber sei er „sehr froh“, sagt Rutte vor der versammelten internationalen | |
Presse. | |
## Druck auf europäische Nato-Staaten steigt | |
Bei dem Treffen der Nato-Außenminister*innen steht neben dem Krieg in der | |
Ukraine die Erhöhung der Verteidigungsausgaben ganz oben auf der Agenda. | |
Rutte hat dazu als Ziel bis 2032 ausgegeben: 3,5 Prozent des | |
Bruttoinlandsprodukts für Verteidigungsausgaben plus 1,5 Prozent für | |
Infrastruktur mit Verteidigungsbezug – was auf Straßen, Schienen und | |
Brücken fast immer zutrifft. Es sind diese Zahlen, auf die sich auch | |
Wadephul bezieht. Sie sollen inhaltlich hergeleitet sein, machen aber | |
zusammen auch genau fünf Prozent, so wie Trump es gefordert hat. | |
Die USA fordern von den Europäern eine solche Erhöhung schon lange. Schon | |
Ex-Präsident Barack Obama machte Druck. Wegen des russischen Angriffskriegs | |
auf die Ukraine erscheint sie jetzt umso dringlicher. Und auch, weil sich | |
Europa unter Trump auf den Schutz durch die USA nicht mehr verlassen kann. | |
Doch davon will Wadephul in Belek nichts wissen. Am Morgen hat er sich | |
zunächst mit Marco Rubio getroffen, dem US-Außenminister. „Wir haben eine | |
fast vollständige Übereinstimmung in allen wichtigen Fragen, nicht nur die | |
Nato, sondern auch die weltpolitische Lage betreffend“, sagt Wadephul. „Das | |
ist sehr erfreulich.“ Er gehe davon aus, dass auch in den USA über weitere | |
Sanktionen gegen Russland nachgedacht wird. „Insofern: Die USA und Europa | |
lesen vom selben Blatt.“ | |
Bereits am vergangenen Wochenende musste man das stark bezweifeln. Erst | |
unterstützte Trump Merz und seinen französischen, britischen und polnischen | |
Regierungskollegen, die gemeinsam nach Kyjiw gereist waren, eine Waffenruhe | |
von Putin forderten und mit neuen Sanktionen drohten. Ein starker Moment. | |
Doch kurz darauf war bei Trump keine Rede mehr von Druck und Sanktionen. | |
Die europäische Initiative wirkte wie ein Bluff. | |
## Macht Wadephul den ersten Alleingang? | |
Es ist auffällig, wie offensiv Wadephul in Belek die Nähe zu den USA sucht. | |
Das klingt schon sehr anders als noch vor wenigen Wochen. „Europa muss | |
jetzt handlungsfähig sein und die USA ersetzen, so gut es eben geht“, hatte | |
Wadephul gesagt, [5][nachdem Trump Ende Februar] den ukrainischen | |
Präsidenten vor laufenden Kameras aus dem Weißen Haus geschmissen hatte. | |
Von Ersetzen ist inzwischen – trotz aller weiteren Ausfälle Trumps – nicht | |
mehr die Rede. Ist das reine Strategie, um den US-Präsidenten möglichst | |
lange „im Boot“ zu halten, wie Merz es gerne nennt? | |
Oder hofft der Transatlantiker wirklich noch auf die Möglichkeit einer | |
verbindlichen Zusammenarbeit mit Trump? „Wir wissen, dass sich unser | |
Verhältnis zu den Vereinigten Staaten im Wandel befindet“, sagte Wadephul | |
bei seiner ersten Rede als Minister im Bundestag. „Es ist in unserem | |
allergrößten Interesse, diese Partnerschaft neu auszutarieren.“ Was das | |
bedeutet, sagte er nicht. | |
Abgesprochen war Wadephuls Vorstoß nicht, zumindest nicht mit dem | |
Koalitionspartner. Zwar steht im Koalitionsvertrag, dass sich Schwarz-Rot | |
an die Fähigkeitsziele der Nato halten werde – aber dass sich der | |
Außenminister für eine drastische Erhöhung stark machen soll, das steht da | |
nicht. In Deutschland lagen die Verteidigungsausgaben bislang bei etwa 2 | |
Prozent. Nach Angaben von Merz würde jeder Prozentpunkt mehr ein Plus von | |
etwa 45 Milliarden Euro bedeuten. Fünf Prozent entsprächen demnach 225 | |
Milliarden Euro, jedes Jahr. Eine gigantische Summe. Zum Vergleich: Der | |
gesamte Bundeshaushalts 2024 belief sich auf rund 466 Milliarden Euro. Eine | |
Finanzierung ist dank der Reform der Schuldenbremse zwar möglich – schnell | |
aber häufte sich auch ein riesiger Schuldenberg an. | |
## Rückkehr der Ampel-Dynamik | |
Kritik kam umgehend nicht nur von der Opposition, sondern auch von der SPD. | |
Wadephul wird noch Überzeugungsarbeit leisten müssen: Der Vorstoß muss vom | |
Kabinett und auch vom Bundestag beschlossen werden. Das ist nicht ohne | |
Risiko. | |
Am Abend fällt auch noch der Kanzler seinem Minister in den Rücken. Im | |
Fernsehen versucht Friedrich Merz, die Debatte einzukassieren. Die | |
Diskussion über Prozentzahlen sei eine „Hilfskonstruktion“, sagt er in der | |
Polit-Talkshow „Maybrit Illner“. Besser solle es um konkrete militärische | |
Fähigkeiten gehen. „Wir müssen die Fähigkeit entwickeln, den europäischen | |
Kontinent aus eigener Kraft heraus verteidigen zu können“, so der Kanzler. | |
Auf die 5-Prozent-Forderung Trumps geht Merz nicht ein, auch nicht auf | |
seinen Außenminister Johann Wadephul. Das klingt fast ein bisschen nach der | |
Dynamik der Ampel. | |
16 May 2025 | |
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Sabine am Orde | |
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