| # taz.de -- Russisch-ukrainische Verhandlungen: Die Unmöglichkeit von Istanbul | |
| > Putin und Selenskyj an einem Tisch? Was toll klang, war von Anfang an ein | |
| > Trick Moskaus, um Trump zu gefallen und die Ukraine vorzuführen. | |
| Bild: Vorgeführt: der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj kommt am 15. … | |
| Moskau taz | Donnerstag: Warten und sich gegenseitig piesacken. Freitag: | |
| Warten und ins Ungewisse blicken. Russland und die Ukraine, gemeinsam an | |
| einem Tisch, um über das Ende des Kriegs in der Ukraine zu sprechen, zum | |
| ersten Mal seit drei Jahren – die Verheißung der vergangenen Woche klang | |
| erst mal toll. Wer kann etwas gegen Verhandlungen haben? Die Welt war | |
| aufgeregt, die Welt spekulierte, die Welt wartete. Am Ende passierte wenig. | |
| Kein Trump, kein Selenskyj, kein Putin am Verhandlungstisch in Istanbul. | |
| Die vergangenen Tage zeigten geradezu exemplarisch, welcher Graben, welche | |
| Sprachlosigkeit zwischen Russland und der Ukraine längst vorherrschen. Es | |
| fehlt an Tagesordnungen, an Zeitplänen, es fehlt an allem. Als Russlands | |
| Präsident Wladimir Putin [1][in der Nacht zu vergangenen Sonntag mit seinem | |
| „Wurf“ kam, direkte Verhandlungen mit der Ukraine führen zu wollen], war | |
| bereits klar, dass der Vorschlag für ihn nichts Überraschendes sei und | |
| schon gar nichts Neues. Denn er nannte das Ganze eine „Wiederaufnahme der | |
| Gespräche von Istanbul vom Frühjahr 2022“. | |
| Die seien damals vom Westen, so die russische Sichtweise, „unterbrochen“ | |
| worden. Dabei sei ein Abkommen bereits klar und unterschriftsreif gewesen. | |
| Auch das ist ein russischer Mythos und längst widerlegt. Klar war im | |
| Frühling 2022 in Istanbul nichts, klar ist auch heute nur so viel: Russland | |
| ist an einem Frieden, wie er für die Menschen in der Ukraine annehmbar | |
| wäre und auch für Europa, nicht interessiert. Moskau sucht nicht nach | |
| Kompromissen, Moskau will mit aller Macht seine Interessen durchsetzen. | |
| Auch mit Bomben und Raketen, wie es das unmissverständlich zeigt seit mehr | |
| als drei Jahren. | |
| Putin spricht gern von Frieden, solange seine Armee weiter angreifen kann. | |
| Deshalb letztlich auch seine Absage an eine 30-tägige Waffenruhe, wenn auch | |
| ohne ein direktes „Njet“. Russlands Kriegsherr will die Unterwerfung der | |
| Ukraine, er will eine Neuordnung der europäischen Sicherheit, er will das, | |
| was er als [2][„Entnazifizierung“] und „Demilitarisierung“ der Ukraine | |
| bezeichnete, bevor er am 24. Februar 2022 seine Panzer gegen das | |
| Nachbarland in Bewegung setzen ließ. Daran hat sich seitdem so gut wie | |
| nichts geändert. | |
| ## Warum sollte Putin nach Istanbul fahren? | |
| Die Menschen aber dürstet es nach Hoffnung. Endlich Frieden, endlich weg | |
| mit diesen negativen Nachrichten. Endlich Verhandlungen! „Wir waren schon | |
| immer am Frieden interessiert“, wiederholt Putin sein Mantra und untermalt | |
| es in seiner nächtlichen Erklärung mit „direkten Gesprächen“. Viele | |
| Menschen freuen sich und sind offensichtlich wenig bereit zu sehen, mit | |
| welchen Tricks der einstige Geheimdienstmann arbeitet. Moskau versteht | |
| unter Verhandlungen etwas anderes als Europa. | |
| Putin fuhr nicht nach Istanbul. Warum auch hätte er das machen sollen? | |
| Warum dem „illegitimen Präsidenten eines nicht existierenden Staates“, | |
| einem „Nazi und Junkie, der seine Hände im Blut badet“, wie der | |
| Kremlherrscher den frei gewählten, jüdischen Präsidenten der Ukraine | |
| bezeichnet, die Hand entgegenstrecken? Eine Erniedrigung sondergleichen. | |
| Putin lässt sich nicht bitten, er entscheidet selbst. Die „Sprache von | |
| Ultimaten“, so erklärte es der Kreml-Sprecher Dmitri Peskow in diesen | |
| Tagen, sei inakzeptabel für Russland. „So redet man nicht mit Russland.“ | |
| Was für eine Sprache akzeptabel wäre, sagte er nicht. Und was hätten beide | |
| Seiten zu verhandeln? Mit „Verhandlungsbereitschaft“ allein ist es nicht | |
| getan. Es liegt nichts Ausgearbeitetes vor. Das ist in erster Linie die | |
| Arbeit von Diplomat*innen im Vorfeld, bevor die Staatenlenker irgendwo | |
| eine Unterschrift drunter setzen. Etwaige Abkommen müssten gut vorbereitet | |
| werden, sie müssten letztlich auch durch die Parlamente der Länder | |
| ratifiziert werden – und auch vom UN-Sicherheitsrat, um als völkerrechtlich | |
| verbindlicher Vertrag zu gelten. Die Ziele der beiden Länder liegen so weit | |
| auseinander, das zunächst überhaupt Worte dafür gefunden werden müssten, | |
| worüber genau geredet werden soll. Selbst die Amerikaner haben mittlerweile | |
| den Eindruck, die Russen verlangten doch arg viel. | |
| So hat Putin quasi die Leute nach Istanbul geschickt, die auch schon vor | |
| drei Jahren dabei waren. Es ist eine „Wiederaufnahme“. Wladimir Medinski, | |
| einst Russlands Kulturminister, führt die Russen an. Zudem sind die Vizes | |
| aus dem Außenministerium und dem Verteidigungsministerium in die Türkei | |
| gereist. Diese Positionen waren vor drei Jahren ebenfalls vertreten. Neu | |
| ist die Figur von Igor Kostjukow, dem Chef des Militärgeheimdienstes. | |
| Beobachter bezeichnen ihn als scharfen Hund. | |
| ## Letztlich müsste Kyjiw kapitulieren | |
| Medinski gilt als Leichtgewicht, passt aber in seiner Weltsicht bestens zu | |
| Putin. Der 54-jährige Autor von geschichtsverdrehenden Bestsellern verehrt | |
| den Schlächter Stalin. [3][Mit einem von Medinski mitverfassten Buch lernen | |
| Schüler*innen, dass die Ukraine das Land der „Ultranazis“ sei] und der | |
| Westen Russland schon immer habe in die Knie zwingen wollen. | |
| Am Freitagmittag begegneten sich die Delegationen Russlands und der | |
| Ukraine. Die Position Russlands sei „allseits bekannt und logisch“, hatte | |
| Medinski bereits vor drei Jahren in Istanbul gesagt. Das wird er jetzt | |
| wiederholen. Seine Streitkräfte müsste Kyjiw reduzieren, auf die eroberten | |
| Gebiete verzichten, der Nato abschwören, die Verfassung zugunsten Russlands | |
| ändern. Letztlich müsste Kyjiw seine Kapitulation unterschreiben. Ein | |
| unmögliches Unterfangen. | |
| Nachtrag: Um 14.31 Uhr wurden die russisch-ukrainischen Gespräche in | |
| Istanbul beendet. | |
| 16 May 2025 | |
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| ## AUTOREN | |
| Inna Hartwich | |
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