# taz.de -- Nullwachstum in Deutschland: Autoindustrie als Risikofaktor | |
> Die Wirtschaftsweisen fordern feste Investitionsquoten. Die Regierung | |
> soll sich keine Konsumausgaben genehmigen können. | |
Bild: Regionen mit viel Autoindustrie sind besonders von Umbrüchen bedroht, wa… | |
Berlin taz | Die [1][Wirtschaftsweisen] trauen der neuen Bundesregierung | |
nicht über den Weg. Deswegen schlagen sie eindeutige Investitionsquoten für | |
den Bundeshaushalt vor. Union und SPD sollten gesetzlich regeln, dass | |
zunächst 10, später 12 Prozent der Bundesausgaben speziell für | |
Investitionen reserviert werden. Die Modernisierung des Staates und der | |
[2][Wirtschaft] müsse unbedingt vorankommen, erklärte der | |
Sachverständigenrat für Wirtschaft, der die Regierung berät. | |
Diese Mittel – momentan wären das rund 50 Milliarden Euro jährlich – | |
sollten im normalen Haushalt neben dem neuen, schuldenfinanzierten | |
Infrastrukturfonds von 500 Milliarden Euro bereitstehen. Dies sei nötig, | |
erklärte Ökonomin Ulrike Malmendier, weil die Regierung ihren Etat sonst | |
für Konsumausgaben nutzen könne – „Stichworte Mütterrente, | |
Agrardiesel-Subventionen, Gastrosteuersenkung“. Die 10-Prozent-Quote steht | |
zwar in einem gemeinsamen Beschluss von Union, SPD und Grünen, aber der | |
höhere Anteil müsse auch festgezurrt werden, sagten die Wirtschaftsweisen. | |
„Es kommt kritisch auf die Zusätzlichkeit an“, fordert Ökonom Achim Truge… | |
Damit außerdem „zukunftsorientierte Ausgaben für Infrastruktur, Bildung und | |
Verteidigung nicht wieder ausbleiben oder zu gering ausfallen, sollten ein | |
dauerhafter Fonds für die Verkehrsinfrastruktur mit eigenen Einnahmen sowie | |
Mindestausgabenquoten für Bildung und Verteidigung gesetzlich geregelt“ | |
werden. | |
Für das Militär schlagen die Wirtschaftsweisen eine 2-Prozent-Quote im | |
Verhältnis zur Wirtschaftsleistung im Bundeshaushalt vor. Bisher will die | |
Regierung alle Verteidigungsausgaben über 1 Prozent mit neuen Krediten | |
finanzieren – das aber könnte die Neuverschuldung zu sehr in die Höhe | |
treiben. | |
Das Gutachten bestätigt die ernüchternde Erkenntnis, dass der Laden | |
momentan nicht läuft. [3][Null Prozent Wirtschaftswachstum hierzulande, | |
Stagnation, lautet die Diagnose für dieses Jahr.] 2026 wären demnach mit 1 | |
Prozent zu rechnen, immerhin, wobei die Lage unsicher bleibt. Aber das | |
Gremium geht davon aus, dass der 500-Milliarden-Euro-Investitionsfonds und | |
die höheren Militärausgaben die Produktion anschieben. Zum Beispiel werde | |
die „Bauwirtschaft expandieren“, sagte Wirtschaftsweise Veronika Grimm. | |
## Schnitzer rechnet nicht mit Massenentlassungen | |
Während die Inflation im kommenden Jahr leicht auf 2 Prozent zurückgehen | |
könnte, sollen die Löhne durchschnittlich um 2,7 Prozent steigen, wodurch | |
die Privathaushalte mehr Geld auf den Konten hätten. Die Arbeitslosigkeit | |
bleibt mehr oder weniger da, wo sie jetzt ist, bei 6,1 Prozent. Mit | |
Massenentlassungen sei nicht zu rechnen, erklärte Monika Schnitzer, die | |
Vorsitzende des Gremiums. | |
Das alles liegt nicht nur in deutscher Verantwortung, sondern hat auch | |
globale Ursachen: Die Weltwirtschaft schlumpft mit vergleichsweise | |
niedrigen 2,1 Prozent dahin. | |
Für Baden-Württemberg und Bayern heißt es: Aufpassen! Denn für diese | |
Bundesländer und weitere Regionen etwa um Bremen, Düsseldorf, Köln, Hamburg | |
oder Halle-Leipzig enthält das Gutachten eine deutliche Warnung. „Von | |
künftigen wirtschaftlichen Umbrüchen besonders betroffen“ seien „Regionen | |
mit einer starken Spezialisierung auf das wissensintensive Verarbeitende | |
Gewerbe wie die Automobilbranche oder die chemische Industrie“. So machten | |
sich große Veränderungen auch in den Gegenden bemerkbar, die bisher die | |
industriellen Wachstumstreiber waren. | |
## Mehr Investitionen in Infrastruktur und Bildung gefordert | |
Den Strukturwandel beschreiben die Wirtschaftsweisen mit den Stichworten | |
„Handelskonflikte, Dekarbonisierung, Digitalisierung, Künstliche | |
Intelligenz und demografischer Wandel“. | |
Als Reaktion befürwortet der Sachverständigenrat unter anderem „gezielte | |
Investitionen in lokale Infrastruktur, Unternehmen, Bildung und | |
Umschulung“. Alte Industrien und Produktionsverfahren künstlich am Leben zu | |
erhalten, habe hingegen wenig Sinn. | |
Ökonom Martin Werding präsentierte Ideen, wie die Politik die Arbeit der | |
Unternehmen erleichtern könnte. Er sprach sich für „Genehmigungsfiktionen“ | |
aus: Habe eine Firma eine Genehmigung beantragt, von der Behörde innerhalb | |
einer bestimmten Frist aber keine Entscheidung erhalten, solle die | |
Erlaubnis als erteilt gelten. Dies ist einer von vielen Vorschlägen aus der | |
Abteilung „Bürokratieabbau“. | |
Nicht in allen Punkten konnten sich die Weisen einigen. Grimm gab mehrere | |
Minderheitsvoten ab. Sie argumentierte, die in Deutschland geplante höhere | |
Verschuldung werde die europäischen Schuldenregeln sprengen. Unter | |
bestimmten Bedingungen ließe sich beides in Einklang bringen, meint dagegen | |
die Mehrheit des Gremiums. | |
21 May 2025 | |
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## AUTOREN | |
Hannes Koch | |
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