| # taz.de -- Mietenpolitik: Berlin soll sich ein Beispiel an Frankfurt am Main n… | |
| > Nachdem die Linkspartei eine App gegen Mietwucher freigeschaltet hat, | |
| > häufen sich die Meldungen in den Bezirksämtern. Geahndet wurde aber noch | |
| > nichts. | |
| Bild: Der Mangel an Wohnungen führt immer wieder zu Fällen von Mietwucher | |
| Berlin taz | In Berlin liegen die Wohnungsmieten oft weit über dem | |
| gesetzlich erlaubten Maß, die meisten Verstöße bleiben jedoch ungeahndet. | |
| Zu diesem Ergebnis kommen Vertreter der Linkspartei, die bei einer | |
| Podiumsveranstaltung am Montag Zahlen aus ihrer Mietwucher-App | |
| präsentierten. Eingeladen hatte die Rosa-Luxemburg-Stiftung mit ihrer | |
| Landesstiftung Helle Panke. | |
| Die Zahlen der Verstöße könnten eine neue Dimension illegaler Praktiken auf | |
| dem Berliner Wohnungsmarkt offenlegen. Im Herbst hat die Berliner | |
| Linkspartei [1][gemeinsam mit der Bundespartei ein Mietwucher-App | |
| geschaltet], die seither in Berlin mehr als 50.000 Mal genutzt worden sei. | |
| Dies teilte Niklas Schenker, mietenpolitischer Sprecher seiner Partei, mit. | |
| In rund 35.000 Fällen habe demzufolge eine überhöhte Miete um mindestens 20 | |
| Prozent vorgelegen, so Schenker. | |
| Laut [2][Paragraf 5 des Wirtschaftsstrafgesetzes] liegt eine | |
| Ordnungswidrigkeit vor, wenn der Vermieter für die Miete vorsätzlich mehr | |
| als 20 Prozent über der ortsüblichen Vergleichsmiete verlangt. Die | |
| vermeintlichen Mietüberschreitungen in der App fallen indes überwiegend | |
| höher aus. Die durchschnittliche Überhöhung liegt Schenker zufolge bei 54,7 | |
| Prozent. | |
| Ab einer Überschreitung von mehr als 50 Prozent handelt es sich nach dem | |
| Strafgesetzbuch um Mietwucher. Allerdings nur, wenn der Vermieter die | |
| Zwangslage oder Unerfahrenheit des Mieters auf dem Wohnungsmarkt | |
| ausgenutzt hat. In diesem Fall kann eine Haftstrafe von bis zu drei Jahren | |
| verhängt werden. | |
| ## „Flächendeckendes Problem“ | |
| „Es kann niemand mehr behaupten, dass es kein flächendeckendes Problem mit | |
| Mietwucher gibt“, kommentierte Schenker die Zahlen. Viele Vermieter würden | |
| die Wohnungsnot der Menschen schamlos ausnutzen. Mit der Mietwucher-App | |
| wolle die Linke den Druck auf den Senat und die Bezirke erhöhen, das | |
| Problem endlich ernst zu nehmen, so Schenker. „Mieter*innen sind keine | |
| Zitronen, die man einfach auspressen kann.“ | |
| Angesichts der angespannten Mietsituation könnten die von der Linkspartei | |
| dokumentierten Fälle eine neue Dynamik in die Debatte um ein härteres | |
| Vorgehen gegen überhöhte Mieten und Mietwucher auslösen. Schenkers Kollegin | |
| Martha Kleedörfer, die für die Linke in der BVV Mitte sitzt, sieht dafür | |
| jedoch [3][keinen politischen Willen bei der schwarz-roten | |
| Regierungskoalition]. | |
| „Der Senat will einfach nicht genug Mittel zur Verfügung stellen, um Fälle | |
| von Mietbetrug flächendeckend zu ahnden“, kritisierte Kleedörfer. „Die | |
| Wohnungsämter der Bezirke sind ohne das nötige Personal schlichtweg | |
| überfordert, insbesondere, seitdem die Linke die Mietwucher-App gestartet | |
| hat und deutlich mehr Anzeigen beim Bezirksamt ankommen.“ | |
| Laut Kleedörfer ist Mitte Spitzenreiter bei den eingehenden Fällen. Seit | |
| dem 12. November seien 400 Meldungen eingegangen. Die gemeldeten Mieten | |
| lägen im Durchschnitt bei 15,7 Euro, laut Mietspiegel dürften sie aber nur | |
| bei rund 9 Euro kalt liegen. Das seien ungefähr 300 Euro pro Haushalt zu | |
| viel, resümiert Kleedörfer. | |
| Die Zahlen geben einen Einblick in das Ausmaß des Problems – und in die | |
| Lücke zwischen rechtlichem Anspruch und tatsächlicher Umsetzung. Zwar ist | |
| Mietwucher in Deutschland verboten, doch in der Praxis scheitert die | |
| Ahndung oft an unklaren Zuständigkeiten und fehlenden Ressourcen. Fachleute | |
| warnen seit Jahren, dass das Instrumentarium gegen überhöhte Mieten zwar | |
| vorhanden sei, aber kaum zur Anwendung komme. | |
| ## „Unterlassende Hilfeleistung“ | |
| Schenker ergänzte, dass von den berlinweit 2.000 gemeldeten Fällen noch in | |
| keinem einzigen eine Absenkung der Miete erfolgt sei. Mit verschiedenen | |
| Anträgen habe die Linksfraktion den Senat aufgefordert, die Bezirke bei der | |
| Durchsetzung zu unterstützen. Bislang seien alle Anträge abgelehnt worden. | |
| Die Untätigkeit des Senats sei „unterlassene Hilfeleistung für zehntausende | |
| Mieter*innen in Berlin“, so Schenkers Fazit. | |
| Auf Anfrage der taz zu den Vorwürfen äußerte sich die Senatsverwaltung für | |
| Stadtentwicklung, Bauen und Wohnen nicht. In einer früheren Antwort der | |
| Pressestelle heißt es aber, man habe im Mai 2024 ein digitales Verfahren | |
| zur Erfassung entsprechender Anzeigen bereitgestellt. Bis Ende des Jahres | |
| seien über 500 Fälle erfasst worden. | |
| Ergänzend verweist die Verwaltung darauf, dass Mietrecht im wesentlichen | |
| Bundesrecht sei: Während Mietwucher als Straftat gelte, könnten Verstöße | |
| gegen die Mietpreisbremse nur zivilrechtlich durch Mieterinnen selbst | |
| geltend gemacht werden. | |
| Der Bezirksverordneten Kleedörfer genügt diese Erklärung nicht. Für die | |
| nächste Sitzung der BVV hat ihre Fraktion einen Antrag eingebracht, mit dem | |
| sie das Bezirksamt auffordert, softwaregestützt bereits vor | |
| Mietvertragsabschluss an Vermieter zu schreiben, die über digitale | |
| Immobilienportale überteuerte Wohnungen anbieten. | |
| ## Spezialabteilung gegen Wucher | |
| In einem weiteren Antrag fordert die Linke die zusätzliche Schaffung von | |
| mindestens zwei Stellen für die Verfolgung von Mietpreisüberhöhungen. Auch | |
| eine berlinweite Öffentlichkeitskampagne und ein einheitliches Verfahren | |
| nach dem Vorbild von Frankfurt am Main sollen auf den Weg gebracht werden. | |
| Dort leitet das Wohnungsamt automatisch Verfahren ein, wenn der Verdacht | |
| besteht, dass Mieten das zulässige Maß um mehr als 20 Prozent übersteigen. | |
| Frankfurt gilt als Vorreiterin im Kampf gegen überhöhte Mietpreise und | |
| Mietwucher. „Seit über 30 Jahren haben wir eine eigene Abteilung, die sich | |
| ausschließlich mit Paragraf 5 Wirtschaftsstrafgesetz befasst“, sagte | |
| Daniela Hirchenhain vom Amt für Wohnungswesen der Stadt Frankfurt. | |
| Vier bis fünf Fachkräfte bearbeiten dort rund 200 Verdachtsfälle im Jahr – | |
| mit aufwendiger Prüfung, Rückforderungsbescheiden und Bußgeldern, sofern | |
| sich der Verdacht bestätigt. In einem aktuellen Fall wurde gerade erst eine | |
| Verurteilung wegen Mietwuchers nach § 291 StGB erwirkt. | |
| Ein Problem bleibt die Angst der Mieter*innen: „Viele trauen sich nicht, | |
| überhaupt Anzeige zu erstatten“, sagte Hirchenhain. Die Dunkelziffer liege | |
| daher vermutlich weit höher. Das Amt arbeite eng mit Jobcentern zusammen, | |
| die Verdachtsfälle ebenfalls melden können. Das Verfahren selbst dauere im | |
| Schnitt etwa ein Jahr. | |
| ## Missbrauch beeinflusst den Mietspiegel | |
| Die Diskutanten aus Frankfurt und Berlin waren sich einig, dass Politik und | |
| Behörden auch in anderen Städten ihr Engagement verstärken sollten. Denn | |
| die überteuerten Mieten fließen am Ende in den Mietspiegel – und verteuern | |
| den Wohnraum für alle Mieter. | |
| 21 May 2025 | |
| ## LINKS | |
| [1] /App-gegen-Mietwucher/!6065703 | |
| [2] https://www.berlin.de/ba-mitte/politik-und-verwaltung/aemter/amt-fuer-buerg… | |
| [3] https://www.berlin.de/rbmskzl/politik/senat/koalitionsvertrag/ | |
| ## AUTOREN | |
| Christoph Mayer | |
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