# taz.de -- NRW-Grüne Zeybek über Wohnungsbau: „Es muss einfach leichter we… | |
> Auch in NRW fehlen Wohnungen. Der Landesparteitag der Grünen will über | |
> Lösungen sprechen. Ein Ende des Heizungsgesetzes gehört nicht dazu. | |
Bild: Yazgülü Zeybek | |
taz: Frau Zeybek, nicht nur in den Großstädten explodieren die Mieten. Nun | |
soll bezahlbares Wohnen auf dem Landesparteitag der NRW-Grünen am | |
Wochenende in Köln zum Schwerpunktthema werden – auch mit Blick auf den | |
anstehenden Kommunalwahlkampf? | |
Yazgülü Zeybek: Wohnen darf kein Luxusgut werden. Das wollen wir bei den | |
Kommunalwahlen im September klarmachen. Steigende Mieten sind die größte | |
soziale Frage unserer Zeit – und wir sehen leider, dass der Markt keine | |
Antwort hat. Deshalb müssen wir politisch und staatlich eingreifen. | |
taz: Wie? | |
Zeybek: Zunächst einmal: Die schwarz-grüne Landesregierung in NRW hat schon | |
viel für bezahlbare Mieten getan. Wir haben die Mietpreisbremse erweitert: | |
Statt in bisher 18 dürfen Mieten jetzt in 57 besonders teuren Städten | |
innerhalb von drei Jahren nur noch um 15 statt regulär 20 Prozent steigen. | |
Bei Umwandlung in Eigentumswohnungen sind Mieter:innen jetzt 8 statt 3 | |
Jahre vor Eigenbedarfskündigungen geschützt. Außerdem stecken wir 10,5 | |
Milliarden Euro bis 2027 in die öffentliche Wohnraumförderung. Allein 2024 | |
sind dadurch NRW-weit bereits 12.000 bezahlbare Wohnungen neu entstanden. | |
taz: Das reicht aber offensichtlich nicht. | |
Zeybek: Deshalb wollen wir gezielt kommunale Wohnungsbaugesellschaften | |
fördern, damit sie wieder mehr bauen. Dafür soll die NRW-Bank ihnen | |
günstige Kredite geben können. Außerdem sollen kommunale Gesellschaften | |
einfacher auf Grundstücke des Landes zugreifen können. Wir wollen unsere | |
Städte und Gemeinden mit sogenannten Vorkaufsrechten ausstatten. Der Bau | |
bezahlbarer Wohnungen muss ab jetzt immer Vorrang haben. Doch um bauen zu | |
können, brauchen Kommunen natürlich Geld – deshalb muss der Bund die | |
Kommunen endlich von ihren Altschulden befreien. | |
taz: Aber wirken dürfte das alles doch erst in Jahren? | |
Zeybek: Darum wollen wir in angespannten Wohnungsmärkten wie in Köln, | |
Düsseldorf oder Münster die Vermietung an Tourist:innen durch Portale | |
wie Airbnb einschränken. Zusätzlich fordern wir, dass die neue | |
Bundesregierung, die mit dem 500 Milliarden schweren Investitionspaket viel | |
Geld zur Verfügung hat, vor Ort den Umbau von leerstehenden Büro- und | |
Gewerbeflächen in Wohnungen unterstützt. Und wir wollen Bauen einfacher | |
machen durch Bürokratieabbau und die Senkung unnötiger Baustandards. | |
taz: Was heißt das konkret? | |
Zeybek: Gerade beim Umbauen müssen nicht immer Neubaustandards gelten. Und | |
im Neubau kann etwa die Dicke von Stahlbetondecken um 4 Zentimeter | |
verringert werden, ohne Lärm- und Brandschutzregelungen zu verletzen, sagen | |
uns Fachleute. | |
taz: Aber haben die Grünen mit ihren Forderungen nach [1][energetischer | |
Modernisierung], besserer Dämmung und dem Umstieg auf klimafreundliche | |
Wärmepumpen nicht selbst zum massiven Anstieg der Mietpreise beigetragen? | |
Zeybek: Wir haben als Teil der letzten Bundesregierung mit dafür gesorgt, | |
dass die Kosten für eine energetische Sanierung nicht komplett auf die | |
Mieter:innen umgelegt werden dürfen. CO2-Kosten sollen künftig zwischen | |
Mieter und Vermieter geteilt werden und nur noch ein kleiner Teil der | |
Kosten darf bei einem Heizungstausch umgelegt werden. Außerdem fordern wir | |
als Grüne eine Entlastung durch ein Klimageld – wer wenig klimaschädliches | |
Kohlendioxid produziert, soll vom Staat entlastet werden. Außerdem wird der | |
Umstieg auf Wärmepumpen massiv gefördert. Jeder Euro, den Hauseigentümer | |
nicht selbst investieren müssen, brauchen sie nicht auf die Mieter:innen | |
umlegen. Klar ist aber auch: Der Gebäudesektor ist für 30 Prozent des | |
gesamten deutschen CO2-Ausstoßes verantwortlich. Da müssen wir ran. | |
taz: Die neue Wirtschaftsministerin Katherina Reiche von der CDU will das | |
von Robert Habeck forcierte Gebäudeenergiegesetz abschaffen [2][und wieder | |
auf Gasheizungen setzen]. | |
Zeybek: Eine Rückabwicklung des Gebäudeenergiegesetzes wäre ein | |
dramatischer Fehler. Und ein Schlag ins Gesicht für alle, die schon in | |
Wärmepumpen investiert haben. Jetzt zu sagen, Gasheizungen sind wieder | |
total in, führt ins Chaos – und schreckt Eigentümer:innen ab, zu | |
investieren. Stattdessen brauchen wir Planungssicherheit. Das | |
Gebäudeenergiegesetz muss bleiben, sonst wird Deutschland seine gesetzlich | |
und vertraglich festgeschriebenen Klimaziele nicht erreichen. An die muss | |
sich aber auch Katherina Reiche halten – und dafür sorgen, dass Deutschland | |
klimaneutral wird. Aktuell sehe ich das noch nicht. | |
taz: Besonders Menschen mit geringem Einkommen leiden unter der | |
Wohnungsnot. In Köln fehlen 17.000 Sozialwohnungen. Warum taucht der | |
Begriff in Ihrem Parteitagsantrag nur einmal auf? | |
Zeybek: Weil unser Plan für soziales Bauen und Wohnen mehr umfasst. Wir | |
wollen nicht nur die Zahl von Sozialwohnungen erhalten und ausbauen, | |
sondern auch barrierefreie Wohnungen für Pflegebedürftige und Menschen mit | |
Handicap schaffen. Und die NRW-Landesregierung bekämpft Wohnungslosigkeit | |
jährlich mit fast 16 Millionen Euro. Es ist doch ein Skandal, dass Menschen | |
in einem reichen Land unter Brücken schlafen müssen. Deshalb wollen wir mit | |
„Housing First“-Projekten Wohnungs- und Obdachlosigkeit beenden. | |
taz: Trotzdem bekommt in Städten wie Köln nicht einmal jeder fünfte Mensch | |
mit Wohnberechtigungsschein eine Sozialwohnung. Wie wollen die Grünen das | |
ändern? | |
Zeybek: Noch gibt es in NRW rund 430.000 Sozialwohnungen – das ist etwa das | |
Doppelte wie im Bundesdurchschnitt. Bis 2030 könnten davon aber 130.000 aus | |
der Mietpreisbindung herausfallen. Auch deshalb stecken wir mit 10,5 | |
Milliarden Euro Rekordsummen in die Wohnungsbauförderung – und dabei sind | |
Sozialwohnungs-Anteile von bis zu 30 Prozent vorgeschrieben. Generell aber | |
gilt: Es muss einfach wieder leichter werden, mehr zu bauen. | |
taz: Die Grünen haben NRW bis 2017 zusammen mit der SPD regiert – [3][und | |
stellen seit 2022 zusammen mit der CDU die Landesregierung]. Trägt Ihre | |
Partei nicht eine Mitschuld an der Wohnungsmarktkrise? | |
Zeybek: Das Thema ist jahrelang politisch nicht richtig angegangen worden. | |
Wir Grüne haben uns aber schon immer für bezahlbaren Wohnraum starkgemacht. | |
In jeder Kommune sind wir diejenigen, die mehr Wohnungen mit | |
Sozialpreisbindung fordern. Und wir haben in jeder Landesregierung für | |
Bürokratieabbau und mehr öffentliche Wohnbauförderung gekämpft. | |
taz: Auch im Bund regierten die Grünen in der Ampel mit. Ihr Ziel, jährlich | |
400.000 neue Wohnungen zu schaffen, wurde deutlich verfehlt: 2024 wurden | |
nur 215.900 genehmigt. Zeigt das nicht, dass Ihre Partei auch im Bund zu | |
wenig für bezahlbares Wohnen getan hat? | |
Zeybek: Im Bund hat die SPD acht der letzten zehn Bauminister:innen | |
gestellt. Die SPD zieht eine Spur des Versagens hinter sich her. In der | |
Ampel waren wir Grüne es, die dafür gesorgt haben, dass die Kosten für | |
energetische Sanierungen abgefedert und eben nicht nur von den | |
Mieter:innen getragen, sondern sozial gerecht verteilt werden. Wir haben | |
immer versucht, die Menschen vor zu starken Belastungen zu schützen. | |
taz: Ist das miese Ergebnis der Grünen von 11,6 Prozent bei der | |
Bundestagswahl nicht trotzdem die Folge davon, [4][dass soziale Fragen | |
schlicht zu wenig vorkamen]? | |
Zeybek: Wir reden als Gesellschaft insgesamt zu wenig über soziale Fragen. | |
Der Bundestagswahlkampf – insbesondere der von Union und SPD – drehte sich | |
fast nur um das Thema Migration. Da sind wir mit sozialen Themen nicht | |
durchgedrungen. Aber es stimmt natürlich: Wir müssen die Themen anpacken, | |
die die Menschen bewegen. Wir müssen uns um ihre Alltagssorgen kümmern. Das | |
ist unser Ziel besonders auch hier in NRW. Deshalb setzen wir das Thema | |
bezahlbares Wohnen ganz oben auf die politische Agenda. | |
23 May 2025 | |
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## AUTOREN | |
Andreas Wyputta | |
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