# taz.de -- Neonazi-Veranstaltung zum Tag der Arbeit: Rechtsextreme Maifeier in… | |
> Wenig Protest wird erwartet, wenn ein berüchtigter Neonazi mit Tausenden | |
> am 1. Mai durch Gera marschiert. Der bemüht sich, harmlos zu wirken. | |
Bild: Christian Klar spricht bei einer rechtsextremen Demonstration in Gera | |
Gera taz | Die Sonne taucht Gera in ein romantisches Abendlicht, als | |
Christian Klar am vergangenen Montag seine Truppe auf die große | |
Demonstration am 1. Mai einschwört: „Wir wollen gute Deutsche sein und das | |
müssen wir auch selber abliefern, und ich denke, das können wir.“ Von den | |
rund 200 Teilnehmer:innen kommt zustimmendes Klatschen. | |
Wie jeden [1][Montag demonstrieren sie durch die Stadt], früher gegen die | |
Maßnahmen zur Eindämmung der Coronapandemie, heute „gegen Krieg“. Manche | |
tragen schwarz-rot-goldene Flaggen mit sich herum, andere die Reichsflagge | |
in Schwarz-Weiß-Rot. Dazwischen die Logos der Neonaziparteien Heimat | |
(früher NPD) und Freie Sachsen. Ein paar Flaggen lassen sich der Szene der | |
Reichsbürger:innen zuzuordnen, auf anderen sind weiße Tauben zu sehen. | |
Eine Russlandfahne ist auch dabei. | |
Christian Klar freut sich auf den Donnerstag, er rechnet mit 3.000 | |
Teilnehmer:innen. Mehrere rechtsextreme Parteien und Organisationen | |
mobilisieren für den 1. Mai nach Gera: die Heimat (früher NPD), die Freien | |
Sachsen, das Freie Thüringen und mehrere Rapper:innen des Labels „Neuer | |
Deutscher Standard“. Laut den Veranstalter:innen ist zunächst ein | |
„Marsch“ und dann eine „Maifeier“ geplant, die Bühne soll auf dem zent… | |
Platz Geras stehen, vor dem Kultur- und Kongresszentrum. | |
Ganz oben in der Redner:innenliste steht Christian Klar selbst. Der | |
Neonazi und Selbstdarsteller organisiert seit Jahren kleinere und größere | |
Demonstrationen in der ostthüringischen Stadt mit etwa 96.000 | |
Einwohner:innen. Für Neonazi-Aufmärsche ist die Stadt auch deshalb | |
attraktiv, weil die Rechtsextremen weitestgehend ungestört bleiben. Zwar | |
ist für den 1. Mai auch ein antifaschistischer Gegenprotest um 12 Uhr am | |
Sachsenplatz angemeldet, Expert:innen schätzten allerdings auf Anfrage | |
der taz, dorthin würden voraussichtlich weniger Menschen kommen als zur | |
Veranstaltung der Neonazis. | |
## Die Strategie: harmlos wirken | |
Klar ist mehrfach vorbestraft. Laut der Staatsanwaltschaft Gera laufen | |
derzeit elf Ermittlungsverfahren gegen ihn, unter anderem wegen | |
Verleumdung, Beleidigung, Verstöße gegen das Versammlungsgesetz, | |
Volksverhetzung und Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger | |
Organisationen. | |
Öffentlich fällt er vor allem durch effekthascherische Aktionen auf: | |
Pferde, Bengalos und Feuerwerk auf Demonstrationen oder ein Sommerfest für | |
das [2][zwischenzeitlich verbotene Compact-Magazin]. Vergangenes Jahr | |
organisierte er etwa ein Protestcamp gegen eine geplante Unterkunft für | |
Geflüchtete. Auf dem Camp lief Musik, die das Pogrom von | |
Rostock-Lichtenhagen verherrlicht. Politisch Andersdenkende entmenschlichte | |
Klar in Reden schon als „Viehzeug“ und drohte mehrfach öffentlich, sie | |
würden getötet. Im vergangenen Oktober kündigte er etwa an, | |
Gegendemonstrant:innen überfahren zu lassen. | |
In der rechtsextremen Szene ist Klar seit Jahren, schon als Jugendlicher | |
lief er beim Thüringer Heimatschutz mit, der Brutstätte des NSU-Komplexes. | |
Mittlerweile ist Christian Klar Mitglied des Bundesvorstands der Partei | |
Heimat. Im Januar eröffnete er in Gera ein Parteibüro. [3][Fotos zeigen]: | |
Zur Eröffnungsfeier kamen Reichsbürger:innen, Jungnazis der „Gerschen | |
Jugend“ und mehrere AfD-Lokalpolitiker:innen. | |
In seinen Reden bemüht sich Klar aktuell aber um ein gemäßigtes Bild – und | |
fordert das auch für den 1. Mai. „Wir sind die Guten“, sagt er am Montag in | |
ein Mikrofon. Schlauchschal, Springerstiefel und Handschuhe mit | |
Protektoren, „lasst es an dem Tag zu Hause“. Möglichst harmlos wirken, das | |
ist die Strategie. | |
In der Vergangenheit gab es immer wieder Kritik an Geras Stadtverwaltung, | |
weil diese Demonstrationen von Klar ohne Auflagen laufen ließ. Stattdessen | |
setzte Oberbürgermeister Kurt Dannenberg (CDU) auf Kooperationsgespräche. | |
Das tue er auch immer noch, erklärt er auf Anfrage der taz. Die Strategie | |
bleibe: „Wenn erforderlich, werden Versammlungen beauflagt“, ansonsten | |
nicht. Zur Demonstration am 1. Mai von Christian Klar sagt Dannenberg: | |
„Derartige Versammlungen sind für die Stadt image- und | |
wirtschaftsschädigend.“ Er wolle an der 1.-Mai-Veranstaltung des Deutschen | |
Gewerkschaftsbunds auf dem Geraer Markt teilnehmen. | |
Auch Thüringens Innenminister Georg Maier (SPD) [4][hatte im Januar noch | |
kritisiert], dass die Stadtverwaltung mehr Auflagen für die Versammlungen | |
von Klar erlassen könne. Diese Kritik sei nun durch die „Task Force | |
Versammlungslagen“, eine Arbeitsgruppe des Thüringer Innenministeriums, an | |
die Stadtverwaltung herangetragen. Aus dem Ministerium heißt es: | |
„Mittlerweile hat sich durch einen Personalwechsel in der | |
Versammlungsbehörde sehr viel verbessert.“ | |
Aus der Zusammenarbeit berichtet das Innenministerium weiter, die „Task | |
Force“ unterstütze die Versammlungsbehörde Gera. Demnach gibt es Auflagen | |
für die Demo am 1. Mai. Christian Klar selbst berichtet ebenfalls etwa von | |
einem Alkoholverbot von Versammlungsbeginn bis zur „Maifeier“ um 14.30 Uhr. | |
Aus dem Innenministerium heißt es, aktuell bleibe abzuwarten, „ob der | |
Veranstalter gegen die Auflagen gerichtlich vorgehen wird“. | |
## Gegenprotest in Gera | |
Innenminister Maier betonte, durch die Veranstaltung werde die Stadt „in | |
ein Licht gerückt, das sie nicht verdient“. Gera sei nicht rechtsextrem. | |
„Das ist nur eine sehr kleine, aber leider laute Minderheit, die immer | |
wieder durch solche Veranstaltungen auf sich aufmerksam macht“, ist der | |
Innenminister sicher. Die große Mehrheit hält sich dann wohl bedeckt. | |
Aber ganz unwidersprochen bleiben auch Klars wöchentliche Demonstrationen | |
nicht. Das Bündnis „Gera Nazifrei“ organisiert jeden Montag Aktionen vor | |
dem Theater der Stadt. An diesem Montag vor dem 1. Mai tritt die Thüringer | |
Punkband Brettfett auf, rund hundert Menschen sind gekommen. „Besser leben | |
ohne Nazis“, steht auf einem großen Banner. Doch bevor Brettfett loslegt, | |
ist das Publikum noch in Aufruhr: Die Demo von Christian Klar sammelt sich | |
unweit und marschiert um kurz nach 19 Uhr vorbei. | |
Mit Cappy und Sonnenbrille läuft Klar auf der Demo neben einem schwarzen | |
Van. Aus einer Box klingt laut eine weiche, hohe Stimme und singt: „Freies | |
Wort, verwegene Tat – das ist und bleibt die deutsche Art.“ Deutsch zu | |
sein, das könne nicht jeder, es sei ein verschworenes Volk, „gebunden durch | |
Blut“. Die rassistische Ideologie des deutschen Volkskörpers, die im Lied | |
durchklingt, stört aber offenbar niemanden auf der Demo von Christian Klar. | |
Lächelnd winken die Teilnehmer:innen in die Kamera eines Streamers, der | |
sie regelmäßig begleitet. | |
Von den hundert Gegendemonstrant:innen vor dem Theater her schallt | |
hingegen „Nazis raus“ über den Platz. Nach fünf Minuten ist die Gruppe um | |
Christian Klar vorbeigezogen. Aus dem Lautsprecherwagen klingt noch der | |
letzte Teil des Liedes: „Heilig’ Deutschland über alles.“ Dann entspannt | |
sich die Stimmung vor dem Theater, und Brettfett legt mit E-Gitarre, Bass | |
und Schlagzeug los. | |
30 Apr 2025 | |
## LINKS | |
[1] /Protest-in-Ostdeutschland/!5893766 | |
[2] /Compact-Sommerfest-in-Gera/!6026265 | |
[3] https://rechercheportaljenashk.noblogs.org/post/2025/03/05/von-wieschke-zu-… | |
[4] https://www.tagesschau.de/investigativ/kontraste/gera-rechtsextreme-aufmaer… | |
## AUTOREN | |
David Muschenich | |
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