| # taz.de -- Demos am Nakba-Tag: Yalla, yalla, Repression? | |
| > Am Donnerstag gedenken Palästina-solidarische Gruppen der Nakba. Manche | |
| > befürchten dabei Antisemitismus, andere die Erosion von Grundrechten. | |
| Bild: Beim Protest im letzten Jahr wurden die Demonstrierenden am Hermannplatz … | |
| Update vom 14.05.25: Die Berliner Polizei hat den geplanten Protestzug um | |
| 16 Uhr vom Südstern in Kreuzberg zum S-Bahnhof Sonnenallee in Neukölln | |
| verboten. Die Demo muss nun „ortsfest“ am Südstern stattfinden. Die Polizei | |
| begründete die Maßnahme erneut mit der „Aufrechterhaltung der öffentlichen | |
| Sicherheit“. Die Gegendemo an der Hasenheide um 16 Uhr sowie die Kundgebung | |
| um 17 Uhr am Kreuzberger Oranienplatz können bisher wie geplant | |
| stattfinden. | |
| Berlin taz | Jedes Jahr gedenken Palästinenser:innen am 15. Mai, | |
| [1][dem „Nakba-Tag“], der Flucht und Vertreibung im Zuge der israelischen | |
| Staatsgründung 1948. Die Demonstrationen gehören wohl zu den | |
| kontroversesten Berlins. Vor allem, weil es immer wieder zu | |
| Auseinandersetzungen zwischen Polizei und Demonstrierenden kommt. | |
| Aber auch, weil der Tag polarisiert: Gegner:innen sehen im Nakba-Tag, | |
| Arabisch für Katastrophe, [2][kein Gedenken, sondern antisemitischen | |
| Protest]. Und tatsächlich kam es auf den Veranstaltungen immer wieder auch | |
| zu antisemitischen Aussagen. | |
| 2022 hat die Polizei alle Versammlungen zum Nakba-Tag untersagt, mit | |
| Verweis auf Zusammenstöße mit Demonstrierenden im Jahr zuvor. [3][Auch 2023 | |
| wurde die zentrale Demonstration] zum damals 75. Jahrestag verboten. In | |
| beiden Jahren war die Argumentation der Berliner Polizei dieselbe: Es sei | |
| mit volksverhetzenden, antisemitischen und gewaltverherrlichenden Ausrufen | |
| und Gewalttätigkeiten zu rechnen. | |
| Die Veranstalter:innen wiesen dagegen darauf hin, dass diese Taten von | |
| einzelnen Personen begangen worden seien, und kritisierten das Vorgehen der | |
| Polizei, alle Demonstrierenden dafür zu bestrafen. [4][Klagen gegen die | |
| Verbote] waren nicht erfolgreich. | |
| Spätestens seit dem 7. Oktober sind alle Palästina-solidarischen | |
| Demonstrationen von staatlichen Beschränkungen betroffen, unabhängig vom | |
| Nakba-Tag. Immer wieder werden Vorwürfe über [5][Polizeigewalt auf Demos | |
| gegen Israels Krieg in Gaza] laut, wenn sie denn stattfinden dürfen. | |
| Ab Februar 2025 fing die Polizei zudem an, Sprachverbote auszusprechen: | |
| [6][Reden, Plakate und Slogans auf Arabisch oder Hebräisch wurden | |
| untersagt], nur noch Deutsch und Englisch sind dann erlaubt. Zusätzlich | |
| gilt oft auch ein Bewegungsverbot: Proteste können dann nur als | |
| Standkundgebungen stattfinden. Die Bürgerrechtsorganisation Humanistische | |
| Union spricht von einem „düsteren Kapitel in der Unterdrückung von | |
| Meinungs- und Versammlungsfreiheit“. | |
| Auch der [7][Polizei- und Versammlungsforscher Clemens Arzt], ehemaliger | |
| Professor der HWR Berlin, hält das Vorgehen der Berliner Polizei für | |
| problematisch: Bewegungs- und Sprachverbote verstießen gegen die | |
| Versammlungsfreiheit und das Diskriminierungsverbot. „Versammlungen wegen | |
| Straftaten Einzelner zu verbieten oder aufzulösen, entzieht allen, die die | |
| Straftat nicht begehen wollen, die Versammlungsfreiheit“, sagte Arzt der | |
| taz. | |
| ## Hohe Hürden für Demoverbote | |
| Solange sich Rufe oder Transparente auf Einzelpersonen beschränken, dürfe | |
| die Polizei auch nur gegen Einzelne vorgehen. Nur, wenn das nicht möglich | |
| sei, könne eine Demo aufgelöst werden. | |
| Die Hürden, um [8][Demonstrationen im Vorhinein zu verbieten], sind in | |
| Artikel 8 des Grundgesetzes hoch angesetzt. „Der einzige Grund dafür kann | |
| Gewalt gegen Personen oder Sachen, also unwiederbringlicher Schaden gegen | |
| Dritte sein“, sagt Versammlungsrechtler Arzt. | |
| Doch seit Corona hätten die Eingriffe in die Versammlungsfreiheit | |
| zugenommen. Damals habe der Staat Demos wegen der Wahrscheinlichkeit von | |
| Verstößen gegen das Maskengebot oder wegen des Infektionsschutzes verboten. | |
| In der Folge seien auch [9][Klimaproteste der Letzten Generation wochenlang | |
| verboten] worden. Alleine in den ersten vier Wochen nach dem Angriff der | |
| Hamas am 7. Oktober 2023 erließ Berlin über 20 Demo-Verbote. | |
| „Nachdem die Rechtsprechung außerhalb von Berlin dies mehrfach gerügt | |
| hatte, musste auch Berlin von Vorabverboten Abstand nehmen. Stattdessen | |
| wurden Versammlungen nun [10][wegen angeblicher Meinungsdelikte] im Vorfeld | |
| massiv beschränkt, mit Auflagen versehen und breit gefilmt“, so Arzt. Mit | |
| Artikel 8 des Grundgesetzes sei dies nicht vereinbar. Denn dafür bedürfe es | |
| einer unmittelbaren Gefährdung der öffentlichen Sicherheit. | |
| Ein häufiges Argument für ein Verbot wegen „Meinungsdelikten“ ist der | |
| Ausruf „From the river to the sea, Palestine will be free“. Im November | |
| 2023 hat das [11][Bundesinnenministerium den Spruch als Zeichen der Hamas | |
| verboten] – in der Folge kam es wegen Verwendung des Spruches mehrfach zu | |
| Verurteilungen. | |
| Dennoch ist die rechtliche Situation vom Einzelfall abhängig, [12][nicht | |
| jede Äußerung des Spruchs erfüllt den Charakter einer Straftat]. | |
| Strafgerichte sind eigentlich vom Bundesgerichtshof dazu verpflichtet, bei | |
| mehrdeutigen Aussagen zugunsten von Straflosigkeit zu interpretieren. Eine | |
| finale Entscheidung zur Strafbarkeit des Ausrufs gibt es derzeit noch | |
| nicht. | |
| ## Die Repression wirkt | |
| [13][Die Repression zeige Wirkung], sagt Arzt. Viele Menschen ohne | |
| Aufenthaltstitel gingen nicht mehr auf solche Proteste. Auch das Filmen | |
| oder In-Gewahrsam-Nehmen von Demonstrierenden schüre Ängste. „Letztlich | |
| geht es um Einschüchterung aus Gründen der sogenannten deutschen | |
| Staatsräson“, sagt Versammlungsrechtler Arzt. | |
| Auch in diesem Jahr sind mehrere Demonstrationen zum Nakba-Tag sowie | |
| Gegenveranstaltungen angemeldet. Bisher, so teilte es die Polizei Berlin | |
| der taz mit, wurden noch keine besonderen Auflagen erteilt. Das könne sich | |
| aber jederzeit ändern, hieß es. Ob die [14][Veranstaltungen stattfinden | |
| dürfen], ist damit offen. | |
| Die Organisator:innen der Proteste wollen sich von Verboten ohnehin | |
| nicht einschüchtern lassen. „Ob verboten oder nicht, egal mit welchen | |
| Beschränkungen, wollen und werden wir eine große Massendemo auf die Beine | |
| stellen, hier im Herzen der europäischen zionistischen Bestie“, so der | |
| Aufruf. Und natürlich kokettieren auch Mobi-Videos immer wieder mit dem | |
| Spruch „From the river to the sea“. | |
| 13 May 2025 | |
| ## LINKS | |
| [1] /Demonstration-zum-Nakba-Tag-in-Berlin/!6011025 | |
| [2] /Palaestina-Demos-in-Berlin/!5766329 | |
| [3] /Verbot-von-Nakba-Demonstrationen/!5931686 | |
| [4] /Keine-propalaestinensische-Demonstration/!5935443 | |
| [5] /Polizeigewalt-auf-Palaestina-Demos/!6029454 | |
| [6] /Sprachverbote-auf-Palaestina-Demos/!6064999 | |
| [7] /Kritik-an-Bremens-Umgang-mit-Demos/!5756589 | |
| [8] /Lehren-aus-den-Gaza-Protesten/!6040006 | |
| [9] /Proteste-der-Letzten-Generation/!5902293 | |
| [10] /Verbot-gegen-Pro-Palaestina-Demos/!5967483 | |
| [11] /Umstrittene-Palaestinenserparole/!5969471 | |
| [12] /Nahost-Konflikt-in-Berlin/!6025310 | |
| [13] /Bewegungstermine-in-Berlin/!6080958 | |
| [14] /Amnesty-Bericht-zu-Versammlungsfreiheit/!6022070 | |
| ## AUTOREN | |
| Marco Fründt | |
| ## TAGS | |
| Nakba | |
| Demonstration | |
| Israel | |
| Berlin | |
| Gaza | |
| Demonstrationsverbot | |
| Schwerpunkt Stadtland | |
| Nakba | |
| Schwerpunkt Nahost-Konflikt | |
| Schwerpunkt Nahost-Konflikt | |
| Gerichtsurteil | |
| Nakba | |
| ## ARTIKEL ZUM THEMA | |
| Debatte um Demonstrationsrecht: Wer bringt die Demokratie in Gefahr? | |
| Bei einer propalästinensischen Demonstration wurde ein Polizist verletzt. | |
| In Berlin werden Rufe nach einem schärferen Demonstrationsrecht laut. | |
| Verletzter Polizist bei Nakba-Demo: Im Zweifel für Demoverbote | |
| Ein verletzter Polizist versetzt Presse und Politik in Aufregung. Doch die | |
| Darstellung der Polizei lässt sich durch Videos nicht bestätigen. | |
| Nakba-Tag in Berlin: Polizei erdrückt Gedenken | |
| Mit massivem Aufgebot verhindert die Polizei, dass die Nakba-Gedenkdemo am | |
| Südstern losläuft. Dort wird die deutsche Unterstützung für Israel | |
| angeklagt. | |
| Sprachverbote auf Palästina-Demos: Deeskalation sieht anders aus | |
| Im Umgang mit Palästina-Demos haben die Berliner Behörden jedes Maß | |
| verloren. Sprachverbote sorgen nicht für eine Befriedung der Lage – im | |
| Gegenteil. | |
| Nahost-Konflikt in Berlin: (Un-)sagbare Parolen | |
| Eine Berlinerin wird für die Verwendung der Losung „From the River to the | |
| Sea“ verurteilt, doch die Strafbarkeit ist nicht unumstritten. | |
| Erinnerungskultur: Nakba und deutsche (Un-)Schuld | |
| Die Erinnerungskultur muss sich für palästinensische Erzählungen öffnen. | |
| Was 1948 im Nahen Osten geschah, verlangt mehr als einseitige Empathie. |