Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Verletzter Polizist bei Nakba-Demo: Im Zweifel für Demoverbote
> Ein verletzter Polizist versetzt Presse und Politik in Aufregung. Doch
> die Darstellung der Polizei lässt sich durch Videos nicht bestätigen.
Bild: Eine von vielen Szenen der Konfrontation auf der Nakba-Demonstration
Berlin taz | Der Fall eines schwer verletzten Polizisten bei der
[1][Nakba-Kundgebung am vergangenen Donnerstag] schlägt weiter Wellen –
auch in Berlins Landespolitik. Im Raum steht der Vorwurf,
pro-palästinensische Demonstrant:innen hätten den Beamten gezielt
angegriffen, ihn womöglich gar umbringen wollen. Es wäre eine neue Stufe
der Eskalation der Palästina-Proteste.
Die Springer-Zeitung Welt titelte über die „Attacke“ mit einem Zitat von
Neuköllns Bezirksbürgermeister Martin Hikel (SPD), diese sei „nur als
Mordversuch zu deuten“. Fast schon zurückhaltender schrieb die B.Z.:
„Juden-Hasser treten Polizist in Klinik“. Im Text wird Stephan Weh,
Vorsitzender der Gewerkschaft der Polizei Berlin zitiert: „Wenn ein Kollege
in eine Menschenmenge gezogen und dort niedergetrampelt wird, mehrfach das
Bewusstsein verliert, müssen wir von reinem Glück reden, dass er die Nacht
überlebt hat.“
In der offiziellen Polizeimeldung hieß es: „Mehrere Gewalttäter in der
Menge des Versammlungsgeschehens griffen gezielt einen Polizeibeamten an,
brachten ihn zu Boden und traten massiv auf ihn ein.“
Doch zwei im Netz kursierende Videos lassen an dieser Darstellung Zweifel
aufkommen. [2][In einer ungeschnittenen Aufnahme eines Livestreams] (ab
38:40 min) ist zunächst zu sehen, wie sich Demonstrant:innen und
Polizisten der 24. Einsatzhundertschaft friedlich gegenüberstehen. Dann
drücken sich Polizisten, darunter auch der später Verletzte mit der
Dienstnummer BE24111, in die Menge, um eine Person herauszuziehen. Sie
greifen einen Protestierenden mit rotem Schlauchschal, es kommt zum
Gerangel. Die Umherstehenden haken sich ein, die Beamten schubsen und
schlagen sie von sich weg.
[3][Ein zweites Video zeigt], wie der betreffende Polizist, der [4][zuvor
beim Einprügeln auf Demonstrant:innen gefilmt wurde], in der
Menschenmenge auf dem Festgenommenen kniet. Im Getümmel wird ein anderer
Demonstrant von einem zweiten Polizisten auf den Beamten gedrückt. Für
einen kurzen Moment verschwindet der kniende Beamte aus dem Blickfeld der
Kamera. Kurz darauf taucht er wieder auf, schlägt mehrfach mit der Faust
auf den Kopf eines Demonstranten. Dann zerrt die Einheit den Festgenommenen
aus der Menge. Im Anschluss lehnt sich der offensichtlich verletzte Beamte
an ein Polizeigitter. Kollegen nehmen ihn hinter die Absperrung, wo er
zusammensackt.
## Kein gezielter Angriff sichtbar
Die Szenen sind hektisch und nicht immer übersichtlich. Deutlich aber wird:
Die Polizisten werden nicht in die Menge gezogen, sondern begeben sich
selbst hinein – unter massiver Gewaltanwendung. Zu keinem Zeitpunkt ist zu
sehen, wie Demonstrant:innen einen Beamten gezielt zu Boden bringen und
auf ihn eintreten.
Polizeisprecher Florian Nath sagte, er gehe „stark davon aus“, dass jene
Videos die Situation zeigen, in der sich der Polizist die Verletzung
zugezogen hat. Die Beweise würden derzeit noch gesammelt. Bisher basiere
die noch vor Ort gestellte Strafanzeige „auf der Wahrnehmung der
eingesetzten Kräfte“. Bei der Auswertung des Materials sei darauf zu
achten, dass sich der Angriff auch „in Sekundenschnelle“ ereignet haben
könnte.
Die Generalstaatsanwaltschaft teilte der taz mit, sie ermittle wegen eines
besonders schweren Falls von Landfriedensbruch und gefährlicher
Körperverletzung. Über den Zustand des 36-jährigen Gruppenführers einer
Hundertschaft wollte die Polizei aus Gründen der Privatsphäre keine Angaben
machen. Es heißt, der Beamte sei noch nicht dienstfähig, habe das
Krankenhaus aber verlassen. Mehrere Medien berichten von einer Fraktur am
Arm und Prellungen am Oberkörper.
## Koalition will ans Versammlungsgesetz
Angesichts des Vorfalls und der Berichterstattung darüber hat sich
unterdessen eine politische Debatte entzündet. Der als Hardliner bekannte
CDU-Innenpolitiker Burkard Dregger kündigte eine Verschärfung des Berliner
Versammlungsrechts an. Dem Tagesspiegel sagte er: „Wir werden dem
Missbrauch des Demonstrationsrechts Einhalt gebieten.“ Auch der
innenpolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Martin Matz, stellte die Frage,
ob ein Verbot der Versammlung, die im Vorfeld per Auflage auf eine
stationäre Kundgebung beschränkt wurde, möglich gewesen wäre.
Der taz sagte Matz, man müsse sich anschauen, ob die im Gesetz gefassten
Formulierungen für Versammlungsverbote „ausreichend sind oder ob sich die
Versammlungsbehörde nicht getraut hat“, die Nakba-Demo zu verbieten – aus
Angst vor einer Niederlage vor dem Verwaltungsgericht. In diesem Fall
müsste man das Gesetz überarbeiten. Laut Matz habe es bereits im Vorfeld
Anzeichen dafür gegeben, dass es auf der Versammlung „zu Gewalt und
verbotenen Parolen“ kommen würde, etwa durch die Bewerbung durch das
internationale Netzwerk der israelfeindlichen und in Deutschland verbotenen
Gruppe Samidoun.
Der Senat hatte eine Überarbeitung des Versammlungsfreiheitsgesetzes im
Koalitionsvertrag vereinbart. Eine Evaluation des vor fünf Jahren noch
unter Rot-Rot-Grün beschlossenen Gesetzes wird für die kommenden Tage
erwartet.
Kritik kommt vom innenpolitischen Sprecher der Linksfraktion, Niklas
Schrader. „Bevor die genauen Umstände nicht aufgeklärt sind, verbieten sich
Forderungen nach mehr Demonstrationsverboten“, sagte er der taz. Schon
heute mache es das Versammlungsgesetz möglich, Beschränkungen für
Demonstrationen zu erlassen.„Wichtiger wäre es, dass die Polizei konsequent
eine Deeskalationsstrategie fährt, wie es auch etwa beim 1. Mai gelungen
ist“, so Schrader. Bei Palästina-Demos greife die Polizei jedoch oft sehr
früh und sehr gewaltvoll ein: „Da muss man sich fragen lassen, ob das nicht
auch zur Eskalation beiträgt.“
Die Organisator:innen der Nakba-Demonstration klagen ebenfalls über
Polizeigewalt. In einem Statement sprechen sie von einer „Falle“: Die
Polizei habe den Protest bewusst eingekesselt, um die „Voraussetzungen für
gewaltsame Unterdrückung“ zu schaffen. In mehreren Fällen hätten
Polizist:innen keine Identifikationsnummern getragen,
Demonstrant:innen seien noch im Gewahrsam geprügelt worden.
19 May 2025
## LINKS
[1] /Nakba-Tag-in-Berlin/!6088163
[2] https://www.youtube.com/watch?v=4gaZvJVIR84&t=2320s
[3] https://x.com/derJamesJackson/status/1923350679642407289
[4] https://x.com/derJamesJackson/status/1923310623263248866
## AUTOREN
Timm Kühn
Erik Peter
## TAGS
Nakba
Polizei Berlin
Schwerpunkt Nahost-Konflikt
Demonstrationsverbot
Schwerpunkt Stadtland
Schwerpunkt Nahost-Konflikt
Nakba
Schwerpunkt Polizeigewalt und Rassismus
## ARTIKEL ZUM THEMA
Debatte um Demonstrationsrecht: Wer bringt die Demokratie in Gefahr?
Bei einer propalästinensischen Demonstration wurde ein Polizist verletzt.
In Berlin werden Rufe nach einem schärferen Demonstrationsrecht laut.
Nakba-Tag in Berlin: Polizei erdrückt Gedenken
Mit massivem Aufgebot verhindert die Polizei, dass die Nakba-Gedenkdemo am
Südstern losläuft. Dort wird die deutsche Unterstützung für Israel
angeklagt.
Demos am Nakba-Tag: Yalla, yalla, Repression?
Am Donnerstag gedenken Palästina-solidarische Gruppen der Nakba. Manche
befürchten dabei Antisemitismus, andere die Erosion von Grundrechten.
Palästina-Demo in Berlin: Kritik an Polizeigewalt
Videos zeigen brutale Festnahmen bei einer Palästina-Demo in Berlin. Seit
Monaten verzeichnet eine Beratungsstelle viele Anfragen wegen
Polizeigewalt.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.