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# taz.de -- Nakba-Tag in Berlin: Polizei erdrückt Gedenken
> Mit massivem Aufgebot verhindert die Polizei, dass die Nakba-Gedenkdemo
> am Südstern losläuft. Dort wird die deutsche Unterstützung für Israel
> angeklagt.
Bild: Die Polizei fährt Wasserwerfer gegen Palästinasolidarität auf
Berlin taz | Palästina-solidarische Demonstrationen gleichen inzwischen
einer sich stets wiederholenden, einstudierten Choreografie. Um halb 8 Uhr
abends harren immer noch einige Hundert überwiegend junge Protestierende am
Südstern aus, dem Startpunkt der [1][Gedenkdemo an die palästinensische
Nakba], also die Flucht und Vertreibung von Palästinenser:innen im
Zuge der israelischen Staatsgründung 1948. Ungebrochen laut klatschen sie
stoisch im immergleichen Rhythmus in ihre Hände und rufen „Gaza“ – währ…
sich im Hintergrund schon wieder die Festnahmeeinheiten der Polizei
positionieren.
Seit über dreieinhalb Stunden sind die Demonstrant:innen nun schon
hier. Nicht loslaufen konnten sie, weil die Polizei eine Laufdemo untersagt
hatte, wie es inzwischen gängige Praxis bei propalästinensischen
Demonstrationen ist. Zwar klagten die Demo-Organisator:innen dagegen
am Donnerstag erfolgreich vor dem Verwaltungsgericht – die Polizei legte
jedoch Beschwerde ein, der das Oberverwaltungsgericht schließlich stattgab.
Am Südstern hat die Polizei deshalb die Straßen in jede Richtung gesperrt
und gegittert. Zwei Wasserwerfer und 600 Polizist:innen fuhr die
Polizei auf, um die in der Spitze nach Polizeiangaben 1.100
Teilnehmer:innen der Demo in Schach zu halten – immerhin eine
1:2-Betreuung.
Ein Frontblock stellt sich trotzdem auf. Rote Hammer-und-Sichel-Schals
prägen die ersten Reihen, dahinter stehen junge Studierende, in Kufiyas
gehüllt. Um einzelne Personen zu verhaften, stürmt die Polizei immer wieder
den Block – und schlägt dabei teils heftig in Gesichter der
Demonstrierenden. Die werfen Plastikflaschen, haken sich ein, wehren sich
mit Fahnenstangen – über eine Stunde geht das so. Immer wieder schallt der
Ruf nach den „Sanis“ über den Südstern, die Protestierende am Straßenrand
verarzten.
Die Polizei spricht von 50 Festnahmen und zehn verletzten Polizist:innen,
einer davon schwer. Ein Beamter sei in die Menge hineingerissen und
niedergetrampelt worden, so die Polizei.
## „From the river to the sea“-Rufe
Anlass für das Einschreiten der Polizei dürfte wohl sein, dass zumindest im
Frontblock konsequent „From the river to the sea“ skandiert wird – ein
Spruch, den die Berliner Polizei als strafbar wertet. Ein Redner forderte
den Stopp aller militärischer und finanzieller Unterstützung für Israel,
das Ende von Abschiebungen und der Kriminalisierung von
Palästinasolidarität, ein Rückkehrrecht für alle 1948 vertriebenen
Palästinenser:innen – sowie ein freies Palästina „auf seinem gesamten
historischen Gebiet“. Was genau damit gemeint ist, bleibt offen.
„Wegen der Blockade Israels stehen [2][laut den Vereinten Nationen in Gaza
600.000 Menschen vor dem Hungertod]“, sagte am Rande der Demo eine
Aktivistin von Shut Elbit Down der taz, einer Initiative, die sich gegen
die israelische Waffenfirma Elbit richtet. Die Firma hat Standorte in Ulm,
Koblenz und Berlin, arbeitet eng mit deutschen Rüstungskonzernen zusammen –
und profitiere laut Initiative auch von dem neuen Sondervermögen für
Militärausgaben.
In Redebeiträgen wird die Geschichte der Palästinenser:innen ab 1948
als die einer andauernden Vertreibung beschrieben. „Die Nakba ist eine
fortlaufende Kampagne der ethnischen Säuberung, die nie aufgehört hat“,
ruft ein Redner auf Englisch ins Mikrofon.
Seit dem 7. Oktober habe sich diese Vertreibung in Gaza in einen offenen
Genozid gewandelt, den Deutschland unterstütze. „Aber die Palästinenser
weigern sich, ausgelöscht zu werden. Und solange Palästinenser Widerstand
leisten, ist die Nakba nicht das Ende der Geschichte!“, sagt der Redner.
Auf der anderen Straßenseite des Südsterns hat man eine andere Perspektive
auf den Nahostkonflikt. Hier haben sich 30 Personen zum Gegenprotest
versammelt, sie tragen Israelflaggen und wollen, dass das „Paliwashing“ von
Antisemismus aufhört. „Was sie sich als Befreiung erträumen, ist in
Wahrheit nur die blutrünstige Auslöschung Israels!“, ruft ein Redner. Auf
die Frage, ob er nicht verstehen könne, dass Leute gegen den Krieg in Gaza
auf die Straße gehen, sagt ein Protestierender: „Was die da drüben sagen,
ist mir völlig egal. Ich unterscheide schon längst nicht mehr zwischen
denen und jedem beliebigen Dorfnazi.“
Der Text wurde am 16.5. um 10:30 Uhr aktualisiert.
15 May 2025
## LINKS
[1] /Die-Polizei-hat-auf-die-Demos-zum-Nakba-Tag-in-Berlin-vor-allem-mit-Repres…
[2] https://unric.org/de/hunderttausende-im-gazastreifen-akut-von-hungertod-bed…
## AUTOREN
Timm Kühn
Marco Fründt
## TAGS
Schwerpunkt Nahost-Konflikt
Palästina
Repression
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