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# taz.de -- Debatte um Demonstrationsrecht: Wer bringt die Demokratie in Gefahr?
> Bei einer propalästinensischen Demonstration wurde ein Polizist verletzt.
> In Berlin werden Rufe nach einem schärferen Demonstrationsrecht laut.
Bild: Bei der Demonstration in Berlin am Nakba-Tag
Sind propalästinensische Demonstrant:innen, auch wenn sie mit ihren
Parolen die Existenz Israels infrage stellen und mitunter gewalttätig sind,
eine größere Gefahr für die Demokratie als regierende Politiker:innen, die
mit Hinweis auf jene Klientel allzu bereitwillig demokratische Grundrechte
einschränken wollen?
Diese Frage stellt sich derzeit in Berlin. Anlass dafür war eine
[1][Kundgebung zum Nakba-Tag], der an Flucht und Vertreibung von
Palästinenser:innen bei der israelischen Staatsgründung 1948 erinnert. Die
von der Polizei auf eine Kundgebung beschränkte Versammlung in Kreuzberg
fabrizierte geradezu hysterische Schlagzeilen wegen eines schwer verletzten
Polizisten. Dieser sei, so hieß es von der Polizei, „in eine Menschenmenge
gezogen und dort niedergetrampelt“ worden.
Berlins SPD-Chef und Neuköllns Bürgermeister Martin Hikel sprach von einem
„Mordversuch“. Das Springer-Medium B.Z. titelte mit einer Forderung eines
CDU-Bundestagsabgeordneten ganz im NPD-, also AfD-Stil: „Palästina-Prügler
raus aus Deutschland!“
## Gewalt und Tumulte
Nur: [2][Wie die taz recherchierte, konnten Videos der Szenerie den Vorwurf
eines gezielten, gewalttätigen Angriffs nicht bestätigen]. Zu sehen ist
dagegen, wie Polizisten gewaltsam in die Menge gehen, um einen
Demonstranten festzunehmen. Dabei kommt es zu Tumulten, in denen der
betroffene Polizist ohne Zutun von Demonstranten einmal zu Boden gedrückt
wird, kurz darauf aber wieder um sich schlägt. Am Ende des Einsatzes bricht
er zusammen, hat Prellungen und eine Fraktur am Arm. Wie genau die zustande
gekommen ist, lässt sich nicht auflösen.
Doch so unklar der Verlauf ist, so sicher waren sich Politiker von CDU und
SPD im Anschluss mit ihren Forderungen nach einer Verschärfung des
Versammlungsgesetzes. Das gilt seit seiner Verabschiedung durch den
Vorgängersenat vor fünf Jahren als das liberalste des Landes – ein
„Versammlungsfreiheitsgesetz“.
Fragt man den CDU-Hardliner Burkhard Dregger, will er das Ganze ins
Gegenteil verkehren und es so restriktiv ausgestalten wie nur möglich. Weil
das Gesetz nicht dazu taugt, Angriffe auf Polizist:innen zu verhindern,
sollen nun die Möglichkeiten erweitert werden, Demonstrationen im Vorfeld
zu verbieten. Bislang gilt dies nur in engen Grenzen, bei anzunehmender
Gewalt, NS-Verherrlichung oder Verletzung der Menschenwürde. Ein Verbot
antiisraelischer Demonstrationen war damit bisher schon möglich, ist aber
immer wieder auch von Gerichten gekippt worden. Geht es nach CDU und SPD,
sollen Verbote nun rechtssicherer werden.
Argumentiert wird dabei vor allem auch mit der steten Wiederholung von
Slogans wie „From the river to the sea“ oder „Yallah Intifada“, die den
meisten Polizeieinsätzen vorangehen. In der Konsequenz will man also lieber
die Demonstrations- und Meinungsfreiheit einschränken, als weiter hören zu
müssen, wie Israels Krieg in Gaza gegeißelt wird, auch wenn dies häufig auf
eine Art und Weise geschieht, die unsachlich, grenzüberschreitend und
menschenfeindlich ist.
Eigentlich aber will die deutsche Politik, ideologisch eingemauert im
Staatsräson-Diskurs und verschanzt hinter einem instrumentellen Verständnis
von Antisemitismus, gar keine Kritik an Israels Krieg und der eigenen
Verflechtung hören; nicht von den Zehntausenden Toten, der Zerstörung aller
Lebensgrundlagen, dem Aushungern und den Vertreibungsplänen.
Auf der Seite der Demonstrant:innen treibt der Trotz seine Blüten, auch
der Hang zu einem gewissen Märtyrertum. Die Fronten sind verhärtet. Ein
Einschränken des Demonstrationsrechts dreht diese Spirale weiter.
24 May 2025
## LINKS
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## AUTOREN
Erik Peter
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Postkolonialismus
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