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# taz.de -- Korruptionsprozess gegen Staatsanwalt: Der Maulwurf ist immer woand…
> Er soll mit einem Drogenkartell gemeinsame Sache gemacht haben: Erstmals
> sagte vor dem Landgericht Hannover der angeklagte Staatsanwalt aus.
Bild: Zeit für seine Version der Ereignisse: Zum ersten Mal sagte der beschuld…
Hannover taz | Einen ganzen Packen, dicht mit der Hand beschriebenes Papier
hat Yashar G. mitgebracht. Für den 39-jährigen Staatsanwalt steht ja auch
viel auf dem Spiel. Seine Freiheit, seine Arbeit, sein Renommee, seine
ganze Existenz.
14 Fälle von Bestechlichkeit, ein besonders schwerer Fall der Verletzung
von Dienstgeheimnissen und zwei Fälle von Strafvereitelung im Amt
[1][werfen ihm die Ex-Kollegen von der Staatsanwaltschaft Osnabrück vor].
Er soll die Mitglieder eines Drogenkartells, die Ware über den Hamburger
Hafen schmuggelte, vor Überwachungsmaßnahmen, Razzien und Haftbefehlen
gewarnt haben.
Für 5.000 Euro im Monat und möglicherweise die eine oder andere
Zusatzzahlung. Vermittler soll G.s Boxtrainer gewesen sein, der ebenfalls
auf der Anklagebank sitzt – aber anders als der Staatsanwalt nicht in
Untersuchungshaft.
Die fast 300 Seiten lange Anklage stützt sich ganz wesentlich auf Chats,
die den Ermittlern nach der Entschlüsselung der von Kriminellen gern
genutzten Dienste „EncroChat“ und „SkyECC“ in die Hände fielen. In ihn…
sprechen die Drogenhändler von Informanten aus dem Justizapparat, die
zunächst mit „SA“, später mit „Cop“ und „Coach“ bezeichnet werden.
## Angeklagter sieht sich als Sündenbock
Und so wird auch G.s stundenlanger Gegenvortrag eine eigenwillige Mischung
aus detailversessener Zurückweisung, ausgiebigem Eigenlob und einem Lamento
über die Einseitigkeit von Ermittlern, Medien und Oppositionspolitikern.
Die Quintessenz: Der Maulwurf sitzt eindeutig im Landeskriminalamt (LKA),
er sei hier nur der Sündenbock.
Es ist ein bisschen wie bei diesem Kinderspiel „Haut den Maulwurf“ (im
englischen Original „Whack-a-mole“): Wo auch immer man dem Maulwurf mit dem
Gummihammer auf den Kopf haut, er taucht aus einem der anderen Löcher im
Spielfeld wieder auf.
Da ist zunächst die persönliche Ebene: Als erfahrener Ermittler sei er –
Yashar G. – doch wohl nicht so bescheuert, sich offiziell in einem Gym
anzumelden und dort auch bereitwillig für Selfies zu posieren, wenn er
gleichzeitig vorhabe, an diesem Ort brisante Informationen zu übergeben.
Auch dafür, dass die Ermittler ihm vorwerfen, den Kontakt dorthin plötzlich
abgebrochen zu haben, hat er eine ganz andere Erklärung: Seine Frau habe
ihm verboten, dort weiter hinzugehen, nachdem sie erfahren hatte, dass er
mit seiner Geliebten dort war.
Und davon, dass sein Boxtrainer und Mitangeklagter der „Coach“ sei, ist er
nicht restlos überzeugt – immerhin hätten sich so ja auch die fünf, sechs
anderen Trainer dort nennen lassen. In dem Gym hätten außerdem diverse
Polizisten trainiert.
## „Tut ein korrupter Staatsanwalt so etwas?“
Überhaupt, sagt G., passe das doch alles gar nicht ins Bild – immerhin habe
er die Verdächtigen, die angeblich auf seinen Tipp hin geflohen waren, ja
auch danach im Ausland unnachgiebig weiter verfolgt und etliche von ihnen
dann doch noch einer Verurteilung zugeführt. Fast immer mit harten, hohen
Strafforderungen.
Die beiden Ermittlungskomplexe, intern „Belarus“ und „Adios“ betitelt,
hätten vielmehr sein Gesellenstück werden sollen, ihm einen Namen
verschaffen. Tag und Nacht habe er daran gearbeitet, kaum Urlaub gemacht,
Feiertage und Wochenenden durchgearbeitet. „Tut ein korrupter Staatsanwalt
so etwas?“
Und dann auch noch für 5.000 Euro im Monat? „Das ist doch ein Witz“,
wettert G. Gemeinsam mit seiner Frau, einer Rechtsanwältin, habe er zu
dieser Zeit über ein Haushaltseinkommen von 9.000 Euro verfügt, mit dem sie
prima klargekommen seien. Das große Geld habe ihn überhaupt noch nie
gelockt, obwohl ihm mit zwei Prädikatsexamen alle Türen offen standen. Er
habe aber für die gute Seite arbeiten wollen. „Entschuldigung“, sagt er zu
seinen Verteidigern.
[2][Allerdings sei es in diesen Ermittlungsverfahren schon ziemlich früh zu
Merkwürdigkeiten gekommen.] Schon im Herbst 2019 habe ein Informant auf
einen möglichen Maulwurf im LKA hingewiesen. Immer wieder habe der
Hauptbeschuldigte S., der Kopf der Drogenbande, von Überwachungsmaßnahmen
erfahren, Observationsteams abgeschüttelt, Autos und Handys gewechselt,
Leute angewiesen, im Fahrzeug nicht zu reden. Anfangs habe man sich noch
darüber lustig gemacht, dass der Beschuldigte die Kopfstützen seines Audi
Q7 ständig wechselte, weil er darin Wanzen vermutete.
## Angeklagter will sich noch umfangreicher äußern
Bei der Installation der Wanzen am Flughafen von Hannover sei es auch zu
einer Panne gekommen: Erst nach der Installation habe sich herausgestellt,
dass der beauftragte Techniker ein Cousin der beiden Hauptbeschuldigten ist
– alle drei sind griechischer Abstammung.
An den Durchstechereien habe sich erst etwas geändert, nachdem drei Beamte
aus der Ermittlungsgruppe in eine andere Abteilung gewechselt sind. Zufall?
Überhaupt habe er es ja richtig gefunden, dass sein Verfahren letztlich an
die Staatsanwaltschaft Osnabrück abgegeben worden sei – aus Gründen der
Unabhängigkeit. Aber was sei denn mit dem Umstand, dass hier das LKA gegen
sich selbst ermittle? Zum Teil unter Beteiligung der gleichen Personen?
Für ihn sei offensichtlich, dass hier wohl vor allem der eigene Stall
sauber gehalten werden soll. [3][Und weil die Staatsanwaltschaft nun
politischen Druck verspüre] und aufgrund der drohenden Verjährung dringend
einen Schuldigen präsentieren müsse, sei man eben bei ihm gelandet.
Dazu sei man mit einer „Du kommst aus dem Gefängnis frei“-Karte durch die
Gegend gelaufen und habe sechs Berufskriminelle gefunden, für deren harte
Strafen er verantwortlich sei, die als Hörensagen-Zeugen alles Mögliche
aussagen würden.
Erst vor ein paar Tagen habe es einen tätlichen Übergriff auf ihn gegeben,
bei dem drei Albaner beim Hofgang, im toten Winkel der Kamera, auf ihn
einschlugen. Er vermute einen Zusammenhang mit dem Zeugen Jonas H., der mit
einer Albanerin verheiratet ist. [4][Jonas H. ist jener Spediteur des
Drogenkartells, dessen Urteil vom BGH aufgehoben wurde] – allerdings nicht,
weil Yashar G. an dem Verfahren beteiligt war, sondern weil der BGH fand,
man habe die Aufklärungsbemühungen des Spediteurs nicht hinreichend
gewürdigt.
Möglicherweise wird der auch noch als Zeuge aussagen müssen, genauso wie
der leitende LKA-Ermittler. Das könnte eine spannende Konfrontation werden.
Der Prozess vor dem Landgericht Hannover wird am Dienstag und Donnerstag
fortgesetzt.
12 May 2025
## LINKS
[1] /Korruptions-Prozess-gegen-Staatsanwalt/!6080704
[2] /Mutmasslich-korrupter-Staatsanwalt/!6060122
[3] /Rekord-Kokainfund-im-Hamburger-Hafen/!6047721
[4] /!6054279&s=Staatsanwalt+Hannover&SuchRahmen=Print/
## AUTOREN
Nadine Conti
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Drogenkartell
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