Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Korruptions-Prozess gegen Staatsanwalt: 16 Tonnen Koks und ein Hauf…
> Am Landgericht Hannover hat der Prozess gegen einen mutmaßlich korrupten
> Staatsanwalt begonnen. Er soll Drogendealer vor der Polizei gewarnt
> haben.
Bild: Der angeklagte Staatsanwalt (4. v. r.) und ein weiterer Angeklagter (l.) …
Hannover taz | Es klingt wie das Eins-A-Drehbuch für einen
NDR-Vorabendkrimi. Die Zutaten: 16 Tonnen Koks im Hamburger Hafen, ein
mutmaßlich korrupter Staatsanwalt in Hannover, der Drogenbosse gegen
Bezahlung vor der Polizei gewarnt haben soll, und ein System, das ihn
offenbar lange machen ließ.
Aber: Es sind noch viele Fragen offen in diesem [1][spektakulären Fall],
der schon den Rechtsausschuss des Landtags Niedersachsen beschäftigt hat
und weswegen der Bundesgerichtshof ein Urteil in einem der größten
Kokainverfahren der europäischen Geschichte teilweise [2][aufheben musste].
Jetzt sind die Hoffnungen groß, dass das Landgericht Hannover ein bisschen
Licht in die Sache bringen wird. Dort muss sich der 39-jährige Staatsanwalt
G. seit Mittwoch verantworten. Die Staatsanwaltschaft Osnabrück wirft ihm
vor, zwischen Juni 2020 und März 2021 regelmäßig Ermittlungsinformationen
an international agierende Drogenhändler in Hannover weitergegeben zu haben
– gegen eine monatliche Bargeldzahlung von 5.000 Euro und mehr.
Der Prozess startete am Mittwoch verspätet. Die Sicherheitsvorkehrungen
sind streng, das Medieninteresse ist groß. Die Publikumsplätze sind bis auf
den letzten Platz besetzt. Auf der Anklagebank schüttelt G., weißes Hemd,
grauer Bart, unentwegt den Kopf, als er hört, wie sein Kollege von der
Staatsanwaltschaft Osnabrück die Anklage verliest. G. sitzt [3][seit
Oktober 2024 in Untersuchungshaft.]
## Boxtrainer als mutmaßlicher Mittelsmann
Insgesamt 65.000 Euro soll er kassiert und sich teils „gewerbsmäßig als
Mitglied einer Bande“ in insgesamt 14 konkreten Fällen der Bestechlichkeit,
in einem besonders schweren Fall der Verletzung des Dienstgeheimnisses und
in zwei Fällen der Strafvereitelung im Amt schuldig gemacht haben.
Schauplatz soll ein Gym in Hannover gewesen sein, betrieben von G.s Freund,
dem 41-jährigen F., einem Boxtrainer, der als Mittelsmann wegen Beihilfe
ebenfalls angeklagt wurde. Im Gym sollen Infos gegen Geld getauscht worden
sein. Als Staatsanwalt soll G. Drogenhändlern unter anderem verraten haben,
dass die Polizei einen V-Mann eingesetzt hatte und wann sie Razzien plante.
Dass die Staatsanwaltschaft Osnabrück den Fall übernommen hat, ist alles
andere als Zufall. G.s eigene Staatsanwaltschaft in Hannover hatte in
diesem Fall mehrfach in der Kritik gestanden. Das lag auch daran, dass die
Behörde die internen Ermittlungen gegen G. anfangs selbst übernommen hatte.
Schon ab 2021 hatte es Hinweise auf ein Leck bei den Ermittlern gegeben,
weil Verdächtige offenbar vor Razzien gewarnt worden waren. Damals im
Drogendezernat tätig, konnte G. den 16-Tonnen-Koks-Fall aber selbst dann
weiter bearbeiten, als gegen ihn ab 2022 erste Ermittlungen liefen. Diese
wurden zwar ein Jahr später eingestellt, Anfang 2024 aber wieder
aufgenommen.
Trotzdem arbeitete G. nach NDR-Informationen noch bis kurz vor seiner
Verhaftung im Drogendezernat. Mittlerweile beschäftigt sich das
Justizministerium mit der Frage, ob G.s Vorgesetzte gegen
Dienstvorschriften verstoßen haben.
Beim Prozessauftakt sind es G.s Verteidiger, die den „Elefanten im Raum“
ansprechen: dass hier ein Kollege auf der Anklagebank sitzt. Ein
Korruptionsvorwurf gegen einen Staatsanwalt sei selten, doch genauso
sachlich und emotionsfrei zu bewerten wie andere Fälle auch, sagt sein
Anwalt Timo Rahn. „Enttäuschungen dürfen auf keinen Fall eine Rolle
spielen“, sagt Rahn mit Blick auf die Vorsitzende Richterin, die schon mit
dem Angeklagten als Staatsanwalt in Verfahren gesessen hat.
## Die Verteidiger ziehen alle Register
G.s Verteidiger ziehen alle Register: Die Medien hätten G. vorverurteilt
und die Staatsanwaltschaft habe Beweismittel einseitig interpretiert. Sie
beziehen sich auf die fast 300 Seiten lange Anklage, die sich vor allem auf
Nachrichten aus verschlüsselten Chatprogrammen stütze. In diesen soll der
angeklagte Staatsanwalt als „Cop“, sein Mitangeklagter als „Coach“
auftauchen.
Dafür, dass G. wirklich der „Cop“ war, der Informationen weitergegeben
habe, gebe es aber keine Beweise, argumentieren die Verteidiger.
„Alternativhypothesen“ liefern sie gleich mit und zeigen mit dem Finger auf
das Landeskriminalamt (LKA). Namentlich erwähnen sie zwei LKA-Beamte sowie
eine dubiose IT-Firma aus Celle, die das LKA berät, und stellen die Frage
in den Raum: Könnte nicht auch bei der Polizei der Maulwurf sitzen?
Der Angeklagte G. äußert sich kurz vor Ende des ersten Prozesstags doch
noch. Nach vorn gebeugt spricht er quer durch den Saal zu seinen Kollegen
von der Staatsanwaltschaft Osnabrück. „Ich will klarstellen, dass es für
Sie immer noch Herr G. oder 'der Angeklagte’ ist“, sagt er. Dann bittet er
das Gericht darum, ihm „Rohdaten“ aus der Akte zu schicken, weil er dem LKA
und der Staatsanwaltschaft nicht traue. Im Fall einer Verurteilung wegen
Bestechlichkeit droht ihm eine Haftstrafe von bis zu fünf Jahren, zusammen
mit den anderen Anklagepunkten könnte sie höher ausfallen.
24 Apr 2025
## LINKS
[1] /Mutmasslich-korrupter-Staatsanwalt/!6060122
[2] /!6054279/
[3] /Rekord-Kokainfund-im-Hamburger-Hafen/!6047721
## AUTOREN
Amira Klute
## TAGS
Hannover
Bestechung
Schwerpunkt Korruption
Drogen
Kokain
Staatsanwalt
Hamburg
Prozess
Staatsanwaltschaft Hannover
Drogenkartell
## ARTIKEL ZUM THEMA
Urteil wegen Bestechlichkeit: Polizist verscherbelte Meldedaten
Ein Hamburger Polizist fotografierte Daten des Einwohnermeldeamtes ab.
Damit wollte ein Kioskbesitzer Boni bei einer Zigarettenfirma kassieren.
Korruptionsprozess gegen Staatsanwalt: Der Maulwurf ist immer woanders
Er soll mit einem Drogenkartell gemeinsame Sache gemacht haben: Erstmals
sagte vor dem Landgericht Hannover der angeklagte Staatsanwalt aus.
Mutmaßlich korrupter Staatsanwalt: Ein Staatsanwalt auf der Anklagebank
Ein Kokainkartell, ein Boxcoach, ein verhafteter Staatsanwalt und eine
dubiose IT-Firma – in Hannover nimmt ein Korruptionsskandal bizarre Ausmaße
an.
Rekord-Kokainfund im Hamburger Hafen: Verhafteter Staatsanwalt bringt Ministeri…
In Hannover wurde ein Staatsanwalt verhaftet, der Informationen an ein
Kokain-Kartell verkauft haben soll. Er war für spektakuläre Prozesse
zuständig.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.