# taz.de -- Zum Tod des Rappers Xatar: Der wahre Baba | |
> Giwar Hajabi alias Xatar hatte das, was im Hip-Hop mehr wiegt als Gold: | |
> Glaubwürdigkeit. Ein viel zu früher Nachruf. | |
Bild: Er iz nicht mehr da: Der Rapper Xatar | |
Berlin taz | Giwar Hajabi hat in seinem Leben immer beherzt zugegriffen, | |
nur Ruhe gönnte er sich nie. Xatar, wie er sich nannte, steckte mit jedem | |
Zeh in Geschäften, die er im Dunstkreis des Hip-Hop auftat: So wurde aus | |
dem Musiker, Labelchef und Cannabisunternehmer zuletzt auch ein Mann, der | |
tiefgekühlte Köftespieße im Supermarkt verkaufte. Ein Hustler, geprägt | |
durch das Rap-Game der USA Mitte der 90er-Jahre, als Geld den Musikmarkt | |
flutete und Protz und Bling Bling auch die Künstler in Deutschland träumen | |
ließen. | |
Xatar war einer der wenigen wirklich schillernden Gestalten im deutschen | |
Hip-Hop. [1][Mit Slogans wie „Baba aller Babas“ und „Iz da“ prägte er … | |
Sprache einer Generation]. Musikalisch orientierte sich der Rapper aus Bonn | |
am G-Funk der US-Westcoast und Künstlern wie Dr. Dre, Snoop Dog und Warren | |
G. | |
Xatar wusste es, mit seinen Aktionen gleichzeitig für Anerkennung, | |
Ablehnung und Sprachlosigkeit zu sorgen. Sein Name, kurdisch für „Gefahr“, | |
hat Legendenstatus: 2009 nahm er verkleidet als Polizist mit Kollegen einen | |
Goldtransporter aus. Dabei beschuldigten sie den Fahrer, Steuern | |
hinterzogen zu haben und fingierten seine Festnahme. Sie brannten mit der | |
Ware durch, wurden ertappt und setzen sich ab: Xatar floh in den kurdischen | |
Teil Iraks, wo ihn deutsche Zielfahnder schnappten. Von der Beute fehlt bis | |
heute jede Spur. | |
Was drehbuchreif klingt, ist längst ein Film. [2][Der Regisseur Fatih Akin | |
setzte 2022 mit „Rheingold“ Xatar ein visuelles Denkmal] und verschaffte | |
ihm Bekanntheit über die Grenzen des Rap hinaus. Als Musiker hatte Xatar in | |
seinen Songs das Storytelling perfektioniert und übertrug es auf andere | |
Geschäftsbereiche. Goldraub, Flucht und die achtjährige Knaststrafe | |
brachten ihm das, was im HipHop mehr wiegt als Gold: Glaubwürdigkeit. | |
## Neulich sagte er noch: „Jetzt zu sterben wäre scheiße.“ | |
„Du willst mehr als nur reich sein/Dein Feind ist deine eigene | |
Machtgeilheit“, rappte er über sich selbst auf dem Album „Alles oder nix“ | |
aus dem Jahr 2008. Er nahm den Slogan als Lebensmotto, ein Jahr zuvor hatte | |
er ein gleichnamiges Label gegründet. In dieser Zeit versank er weiter in | |
der Kriminalität; Schulden in der Unterwelt trieben ihn laut eigenen | |
Angaben zum Überfall auf den Goldtransporter. „Der Knast war gut für mich. | |
Ich war ein bisschen wild unterwegs“, [3][sagte Xatar Anfang April im | |
Podcast mit dem Berliner Comedian Kurt Krömer]. | |
Xatars Eltern, Intellektuelle und Widerstandskämpfer aus den kurdischen | |
Gebieten im Iran, fliehen Anfang der 1980er-Jahre mit ihrem damals | |
dreijährigen Sohn nach Europa. Über Paris gelangten sie nach Bonn, wo der | |
Vater seine Karriere als Komponist fortsetzen wollte. Doch es kommt anders, | |
die Familie zerbrach. Um dem Sumpf im Hochhausviertel Brüser Berg zu | |
entfliehen, setzte Hajabi auf Musik und das Ticken von Drogen. Der | |
kurdische Befreiungskampf blieb eine Konstante in seinem Leben, Xatar | |
widmete dem Thema mehrere Songs. | |
In dem Podcast mit Krömer erzählte Xatar: „Jetzt zu sterben wäre scheiße.… | |
Er wolle mehr Zeit mit seinen Kindern verbringen, die er wegen der Arbeit | |
am Film und der Musik vernachlässigt habe. Er sei glücklich seine | |
Erfahrungen gemacht zu haben, auch die schlechten. „Es bringt mich näher an | |
irgendwas, von dem ich nicht weiß, was es ist.“ In dem Podcast klingt es, | |
als hänge Xatar am Leben und sei nach Jahren der Wirrungen auf der Suche | |
nach Ausgleich und Ruhe. | |
Am Freitag wurde Xatar überraschend und unter bislang ungeklärten Umständen | |
tot in einer Wohnung in Köln aufgefunden. Er wurde nur 43 Jahre alt. | |
11 May 2025 | |
## LINKS | |
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[2] /Fatih-Akins-Rheingold/!5887554 | |
[3] https://www.youtube.com/watch?v=mJ5kOTqzRjI | |
## AUTOREN | |
Cem-Odos Güler | |
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