# taz.de -- UK-Rap: Ungutes Wachstum | |
> UK-Rap ist Garant für internationale Mainstreamerfolge. Aber Erfolg hat | |
> seinen Preis, wie sich am Sound vom Star Central Cee nachvollziehen | |
> lässt. | |
Bild: 24 Karat: Central Cee zeigt seine Klunker | |
Eine surreale Szene, vor wenigen Wochen: Im brechend vollen Velodrom – | |
einer der größten Hallen Berlins – leuchtet ein Meer aus | |
Smartphonetaschenlampen. Grund dafür: das Konzert des britischen Rappers | |
Central Cee (bürgerlich Oakley Caesar-Su). | |
Sein Publikum rappt Zeilen von Central Cees Hits wie „Doja“ und „Sprinter… | |
textsicher mit. [1][Ähnliches wird sich auch auf seinen Konzerten in | |
Hamburg und Paris zutragen.] Gemessen an Streamingzahlen und verkauften | |
Tickets, ist Central Cee einer der erfolgreichsten britischen Rapper aller | |
Zeiten. Erst kürzlich veröffentlichte der 26-Jährige das Album „Can’t Ru… | |
Greatness“. Mit dabei auch US-Rap-Schwergewichte wie Lil Durk und 21 | |
Savage. | |
Central Cee wird sogar in den USA – wo Rap vom kleinen britischen Bruder | |
immer belächelt wurde – als Aushängeschild für UK-Rap gefeiert. | |
Ironischerweise, gerade weil das Album nach US-Rap mit leichter britischer | |
Färbung klingt. Der Titel „Can’t Rush Greatness“ verspricht viel, der So… | |
dagegen klingt beliebig: hochpolierte Beats, Streaming-kompatible Refrains, | |
global verständliche Straßen-Attitüde. So urteilte das renommierte | |
Online-Musikmagazin Pitchfork in seiner Kritik und sprach sogar von einem | |
für den internationalen Markt optimierten Sound. | |
## Früher: eigenständig, wild, roh | |
Dabei war britischer Rap einstmals etwas anderes: eigenständig, wild und | |
roh. Doch bevor BritHop seine atypische Entwicklung nahm, eiferten die | |
Rapper:innen von der Insel ihren US-Kolleg:innen nach. Vor allem in | |
den späten 1980ern als sich so etwas wie eine HipHop-Szene in England | |
entwickelte, vor allem in London, Birmingham und Nottingham. Britische | |
Rapper lehnten ihren Sound eng an den US-Stil an und übernahmen teilweise | |
den Slang aus New York eins zu eins. | |
UK-Rap-Pioniere wie etwa Caveman aus High Wicombe konnten der Starpower | |
aus den USA wenig entgegenhalten und wurden sogar aus dem regionalen Markt | |
gedrängt. Majorlabels verloren schnell das Interesse an heimischen | |
Künstler:Innen und britische Rapfans besuchten eher Konzerte von | |
US-Stars wie Run DMC. Erst gegen Ende der 1980er kam etwas wie eine eigene | |
Prägung auf, durch den Umweg über jamaikanische Dancehall, Toasting und | |
Crews wie London Posse. | |
Deren Mitglied Rodney P erinnerte sich an eine USA-Reise, die den Sound der | |
Gruppe prägte: „Wir waren damals in New York. Erst dort wurde ich auf meine | |
Wurzeln gestoßen: Ich bin nun mal Engländer und spreche Englisch mit | |
Cockneydialekt.“ Man fühlt sich fast an Damon Albarn erinnert, der | |
behauptete, Blur habe Britpop als Antwort auf US-Grunge erfunden. | |
## Für Verwirrung sorgen | |
[2][London Posse] kombinierten jamaikanisches MCing mit Londoner | |
Straßenslang und verhandelten in ihren Songs eher spielerisch ihre | |
britische Herkunft und Verwurzelung in einem Londoner Viertel: „The Yanks | |
said I sound Australian“, rappte Rodney P im Song [3][„How’s Life in | |
London“] (1993). | |
Trotzdem verlagerte sich die UK-Rap-Szene in den Untergrund. Wo es noch | |
fast bis in die nuller Jahre dauern sollte, als in England ein | |
eigenständiges Rap-Genre entstand, dass wohl zu den wichtigsten | |
musikalischen Entwicklungen des Landes gehört. [4][Die Rede ist von Grime: | |
einer Mischung aus Garagehouse, Dubstep und Jungle Breakbeats über die dann | |
gerappt wird.] Ein Youtube-Video sorgte 2003 für den ersten viralen Moment | |
von Grime, lange bevor der Genrebegriff für die Beschreibung des Sounds | |
relevant wurde. | |
Ein stickiges Studio, zwei MCs, die aggressiv über einen rasanten | |
140-bpm-Beat um die Wette rappten. Grime geht sparsam mit seinen Zutaten | |
um, steckt dennoch voller Dringlichkeit. Es ist ein komplett anderes | |
Szenario als die Mainstreambespaßung beim Konzert von Central Cee in | |
Berlin. | |
## Und dann kam Grime | |
Die beiden MCs sind Dizzee Rascal und Crazy Titch. Ersterer sollte zum Star | |
der Grime-Szene werden, der auch über Großbritanniens Grenzen hinaus | |
bekannt wurde. Sein Album „Boy in da Corner“ (2003) gilt als Blaupause für | |
das Genre und gab britischem Rap seine Klangsignatur, losgelöst vom | |
US-Sound. In der taz-Kritik zum Album hieß es damals gar, Dizzee Rascal | |
habe [5][„britischen HipHop neuerfunden.“] | |
Weitere britische Künstler eroberten sich den Markt zurück, der lange von | |
US-Rapper:innen beherrscht wurde. Bald war es hip, dass britische Kids auf | |
Konzerte von Wiley, Skepta oder The Streets strömten. Binnen zehn Jahren | |
kam UK-Drill: Kompromisslos und düster klingt diese Spielart. | |
[6][Zunächst angelehnt an den Footworksound der Dancefloormetropole | |
Chicago], ging der britische Ableger klanglich eigene Wege und fand bald | |
Nachahmer:innen weltweit. Sogar in den USA. Mit dem bitteren | |
Beigeschmack, dass UK-Drill auch zum Soundtrack einer Messerattacken-Welle | |
unter Jugendlichen avancierte, die Großbritannien seit langem heimsucht. | |
[7][Eine friedliche Entwicklungshilfe für Brit-Rap stiftete dagegen der | |
kanadische Superstar Drake], der seit 2015 mit britischen Kollegen wie | |
Skepta zusammenarbeitet. Parallel dazu speiste die TV-Serie „Top Boy“ | |
britische Gangkultur via Netflix in den globalen Mainstream ein. | |
Inzwischen gehört zumindest eine Handvoll Rapper:innen aus | |
Großbritannien zum internationalen Mainstream: Skepta, Dave, Stormzy oder | |
eben Central Cee. Ihr Weg führte von stickigen Piratenradiosendern ins | |
ausverkaufte Velodrom in Berlin. Britischer Rap klopft an der Weltspitze an | |
– nur klingt er dabei leider immer weniger nach sich selbst. | |
17 May 2025 | |
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## AUTOREN | |
Victor Efevberha | |
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