| # taz.de -- Londoner Rapperin Enny: Erbauliche Hoffnung | |
| > Peng, und sie war berühmt: Die emanzipierte Londoner Rapperin Enny ist | |
| > auf der Insel bereits ein Popstar. Mal sehen, wie weit sie kommt. | |
| Bild: Zuversicht ist ihre Stärke: Enny | |
| Enitan Adepitan sitzt auf einem Stuhl im Backstageraum. Ihr bleibt wenig | |
| Zeit bis zum Auftritt in Hamburg. ENNY, wie sie sich als Künstlerin nennt, | |
| wirkt konzentriert und zugleich gelassen, während ihre Stylistin sie für | |
| die Bühne schminkt. Aufgewachsen ist die 27-Jährige in Thamesmead im | |
| Südosten Londons, als Tochter nigerianischer Eltern. | |
| Zu beiden Orten hat sie eine starke Verbindung, fühlt sich hin und her | |
| gerissen zwischen Gegenwart und Geschichte. Dieser Konflikt zieht sich auch | |
| durch ihre Songtexte: „Die Identitätskrise gilt für mich und mein Team. Wir | |
| sind schwarz, britisch, aber auch afrikanisch, obwohl alles so weit | |
| entfernt liegt“, singt sie in ihrem Song „I want“. Zeilen, die viele | |
| schwarze Brit:Innen nachempfinden können. Trotzdem weiß ENNY, woher sie | |
| kommt: „Ich bin eine Künstlerin aus Südlondon“, sagt sie lächelnd, währ… | |
| ihre Stylistin eine Schminkpause einlegt. | |
| Auch ihre musikalischen Vorbilder kommen aus England und Nigeria. Ihr | |
| Lieblingsrapper ist [1][Dizzee Rascal], der für den britischen Grimesound | |
| der nuller Jahre prägend war. Eine andere Quelle der Inspiration ist | |
| Afrobeatikone [2][Fela Kuti], aber auch [3][zeitgenössische Künstlerinne]n, | |
| wie Naira Marley nennt die Künstlerin. | |
| ## Positives Selbstbild | |
| Mit ihrer eigenen Musik möchte ENNY zum positiven Selbstbild schwarzer | |
| Frauen beitragen. Das zieht sich wie ein roter Faden durch ihre Songs. Ihr | |
| bis heute bekanntester Song ist „Peng Black Girls“: „Peng Black Girl ist | |
| meine Bezeichnung für schöne schwarze Mädchen“, erklärt sie der taz. | |
| In dem Lied heißt es auch: „Willst du einen fetten Hintern wie die | |
| Kardashians? Nein. Willst du einen fetten Hintern wie meine Tante, yo!“ So | |
| klingt ENNYs eigene Interpretation von Körperbewusstsein: „Große Hintern | |
| von schwarzen Frauen galten als nicht begehrenswert. Erst als alle | |
| Kardashians ihre großen Hintern zeigten, war’s plötzlich schön“. Die | |
| Londonerin pfeift auf das zu Tode gerittene deutsche Kritikersteckenpferd | |
| kulturelle Aneignung: „Quatsch, es ist einfach nur eine eindimensionale | |
| Darstellung schwarzer Frauen.“ | |
| Und, das hat ENNY korrigiert. In ihrem Videoclip tauchen schwarze Frauen | |
| aller Altersgruppen, Haar- und Körpertypen auf. In anderen Szenen zollt sie | |
| Tribut an ihre nigerianischen Wurzeln. Mit einem pompösen rosafarbenen | |
| Gele, einer Kopfbedeckung für Yoruba und einem Ankara-Kleid. Mit dabei ihre | |
| eigene Mutter. | |
| ## Nur Frauen im Team | |
| Die Bewegtbilder sollen eine Geschichte erzählen, ähnlich denen in den | |
| Musikvideos der nuller Jahre. Ein wichtiges Anliegen für ENNY, das sie in | |
| den Texten anspricht, aber auch nach außen lebt. Anders als bei der | |
| Konkurrenz besteht ENNYs Team ausschließlich aus Frauen. | |
| Die Idee von „Peng Black Girls“ beeindruckte nicht nur Fans (mehr als | |
| dreieinhalb Millionen Aufrufe auf Youtube, fünf Millionen Streams auf | |
| Spotify). Superstar Jorja Smith war auch angetan und macht einen Remix des | |
| Hits. Daraus ergab sich mehr: Die unplugged Version von „Peng Black Girls“ | |
| mit Jorja Smith wurde 20 Millionen mal auf Youtube angeschaut. Tatsächlich | |
| war es auch Smiths Manager, der ENNY half. | |
| Der Karrierestart gelang ENNY jedoch ohne fremde Hilfe. 2018 begann sie, | |
| Songs auf Youtube hochzuladen und auf Instagram zu teilen. „Ich habe Musik | |
| gepostet, um damit Aufmerksamkeit zu erregen“, erzählt sie lächelnd und | |
| zieht dabei die Schultern hoch, als wäre es aus Versehen gewesen. Mit ihrem | |
| Debütsong „He’s not into you“, erregte sie dann die Aufmerksamkeit von | |
| deutlich mehr Leuten. | |
| Das Lied hat ENNY ohne Majorlabel-Unterstützung veröffentlicht. „He’s not | |
| into you“ ist die gefühlvolle und humoristische Auseinandersetzung über | |
| falsche Erwartungen in romantischen Beziehungen. Mit üppiger | |
| R&B-Klangkulisse. ENNY rappt über ein Szenario, wenn man auf jemanden | |
| steht, aber die Person diese Gefühle nicht erwidert. Der Song heimste ihr | |
| einen Plattenvertrag bei FAMM ein, dem Label, bei dem auch Jorja Smith | |
| unter Vertrag steht. Ihr privater Entwurf von Liebesbeziehungen liegt | |
| abseits der Mainstream-Vorstellung – weniger romantisch, dafür | |
| realistischer. | |
| Ernst wird sie, als es um ihre Heimatstadt geht: „Zu viele Londoner werden | |
| zu leicht obdachlos, für sie gibt zu wenig Sozialhilfe und Mieterschutz“, | |
| sagt sie der taz. Gentrifizierung bedrohe auch ihren Stadtteil im Südosten | |
| Londons. Teure Restaurants und Supermärkte verdrängen die ansässigen | |
| karibischen Imbisse. Der neue Wohlstand spült eine wachsende Zahl von | |
| Mittelschichtbewohnern und Touristen in den Südosten der britischen | |
| Hauptstadt. | |
| Im Lied „Same old“ thematisiert ENNY Alltagsprobleme schwarzer Briten, | |
| gescheiterte Beziehungen, Gentrifizierung und die Auswirkungen des Brexit. | |
| Direkt und unmissverständlich: „Fick dich und deine Gentrifizierung. Warum | |
| kommst du in meine Gegend und versuchst alles zu verändern?“ | |
| Die Musik appelliert an die frühen nuller Jahre, es ist eine Mischung aus | |
| HipHop und R&B. Der Londonerin gelingt es damit, Gefühle zu transportieren, | |
| die sie auch mit ihren Texten anspricht. Obwohl sie sich als pessimistisch | |
| bezeichnet, steckt viel Hoffnung in ihrem upliftendem Sound. „Nun ja, es | |
| ist meine Art zu überleben.“ ENNY lächelt. Ihr Make-up sitzt. | |
| 23 Sep 2022 | |
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| ## AUTOREN | |
| Victor Efevberha | |
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