# taz.de -- Sicherheitsrisiken bei Erneuerbaren: Rotoren, wie von Geisterhand g… | |
> Pläne, Turbinen für einen Nordsee-Windpark in China zu kaufen, haben | |
> deutsche PolitikerInnen alarmiert. Wie Hacker die Erneuerbaren lahmlegen | |
> könnten. | |
Bild: Von Mingyang sollten die Windräder für einen Offshore-Windpark kommen. … | |
Berlin taz | Stellen wir uns vor: Vor Borkum stürmt es. Anstatt dass die | |
vorgesehenen Sicherheitsmaßnahmen greifen, drehen sich die 160 Meter hohen | |
Riesenrotoren im Windpark 90 Kilometer vor der Nordseeinsel mit voller | |
Angriffsfläche in die Böen. Die Anlage geht über ihre Belastungsgrenzen | |
hinaus – und wird deshalb automatisch per Notschaltung gestoppt. Nicht der | |
einzige Offshore-Windpark, der plötzlich wie von Geisterhand blockiert ist. | |
Die Abschaltungen wurden, wie deutsche Sicherheitsexperten später | |
feststellen, vom südchinesischen Zhongshan aus ferngesteuert. Hier ist der | |
Sitz von Mingyang, dem größten Windanlagenhersteller der Welt. Das | |
Außenministerium in Peking bedauert den Vorfall, der in Teilen Deutschlands | |
zu Blackouts geführt hat. War die Störung der Stromversorgung ein Versehen? | |
War es hybride Kriegsführung? Was bleibt, ist die Unsicherheit. | |
Alles nur ein hypothetisches Szenario. Aber eines, das deutschen | |
PolitikerInnen derzeit tiefe Sorgenfalten bereitet. SicherheitsexpertInnen | |
von CDU, Grünen und SPD verlangten deshalb vor einigen Wochen den Stopp des | |
Kaufs von 16 Turbinen von Mingyang für einen Offshore-Windpark vor Borkum. | |
Es wären die ersten Anlagen dieser Art aus China in Deutschland. Sie wären | |
Teil der Kritischen Infrastruktur, ein Import aus der Volksrepublik „ist zu | |
verhindern“, heißt es in einer aktuellen Analyse des Instituts für | |
Verteidigung und Strategie (GIDS), einer Forschungseinrichtung der | |
Bundeswehr. | |
„Wir dürfen unsere Kritische Infrastruktur nicht in chinesische Hände legen | |
– da gehören Offshore-Windparks auf jeden Fall dazu“, sagt Moritz Brake, | |
Chef und Gründer von Nexmaris, einer Agentur, die Politik und Wirtschaft zu | |
Fragen der maritimen Sicherheit berät. | |
## 2022 gab es Angriffe auf Erneuerbare | |
Bis Mitte des Jahrhunderts soll etwa ein Drittel des deutschen Strombedarfs | |
per Offshore-Wind erzeugt werden. Das macht die Anlagen so wichtig – auch | |
für Angreifer. | |
Dass ein Hamburger Windparkentwickler die Turbinen in China ordern will, | |
findet auch Brake unverantwortlich: „Wir dürfen nicht blauäugig sein: | |
Chinas Verhalten macht eine noch größere Vertiefung der ohnehin bestehenden | |
wirtschaftlichen Abhängigkeiten hochriskant. Die Unterstützung Russlands im | |
Ukrainekrieg und Chinas expansionistisches Auftreten zeigen, dass von dort | |
kein Wohlwollen zu erwarten ist“, sagt der Experte. | |
Der Westen ist angreifbar, das belegten viele Beispiele: „Welche | |
Möglichkeiten es gibt, zeigt die Diskussion um die Containerkräne in den | |
US-amerikanischen Häfen, die zu über 80 Prozent aus China kommen“, sagt | |
Brake. „Ein hoher Automatisierungsgrad und Fernwartungssysteme sind ein | |
leichtes Einfallstor für externe machtpolitische Manipulation.“ | |
Aber auch die erneuerbaren Energien sind betroffen. Das Bundesamt für | |
Sicherheit in der Informationstechnik schloss Ende Februar 2022, also kurz | |
nach Beginn des russischen Angriffs auf die Ukraine, eine Cyberattacke als | |
Ursache für die Störung der Fernwartung von Tausenden Windkraftanlagen in | |
Deutschland nicht aus. Wenig später griffen Hacker IT-Systeme einer Firma | |
mit Sitz in Bremen an, die Windparks wartet und überwacht. Ob der | |
chinesische Windkraftriese Mingyang Rotoren für einen schwimmenden Windpark | |
vor der Küste Großbritanniens liefern soll, ist derzeit [1][Gegenstand | |
einer Untersuchung der Regierung]. Problem: Offenbar kann keine andere | |
Firma weltweit die Anlagen liefern. | |
## Viele Störungsmöglichkeiten denkbar | |
Mit wenigen Klicks und handelsüblicher Software lassen sich vor allem | |
ältere Wind-, aber auch Solarparks kapern. Laut ExpertInnen gibt es allein | |
in Deutschland eine zweistellige Gigawatt-Leistung an nicht ausreichend | |
gesicherten Photovoltaik- und Windkraftanlagen. Besonders relevant sind | |
dabei die Windräder – wegen ihrer Größe. | |
Bis zum Jahr 2028 soll der Windpark Waterkant, für den die chinesischen | |
Rotoren bestellt sind, montiert werden. Er soll Strom für etwa 400.000 | |
Haushalte erzeugen. | |
Deutschlands größter [2][Offshore-Windpark namens He Dreiht] soll bereits | |
in diesem Jahr etwa 85 Kilometer nordwestlich von Borkum ans Netz gehen. | |
Gesamtleistung der 64 Turbinen aus dänischer Produktion: 960 Megawatt. | |
Damit können rund 1,1 Millionen Wohnungen versorgt werden. Die | |
Möglichkeiten zu stören sind vielfältig: Die Bundeswehrexperten des GIDS | |
warnen vor dem Ausspähen von Sicherheitsprotokollen. Oder auch vor | |
angeblichen „Lieferengpässen“ in China, die den Bau der für die | |
Energiewende wichtigen Anlagen verzögern könnten. Schon eine bloße Drohung, | |
die Sicherheit der Anlagen zu stören, kann in einer angespannten Situation | |
Gefahrenpotenzial haben. | |
## Auch Spionage ist möglich | |
Theoretisch ist es laut GIDS sogar möglich, die Anlagen zu Spionagezwecken | |
zu nutzen. Nicht jedes Windrad ist eine Horchanlage, aber hier werden Daten | |
ausgelesen. Zum Beispiel könnten Hacker – mit Vorsatz und Plan – die | |
Glasfaser-Steuerungskabel manipulieren, die die Konverterstationen auf See | |
bedienen. Dort wird die gewonnene Energie in eine höhere Spannung | |
umgewandelt. | |
Durch den Zugriff könnten Schwingungen in der Nähe gemessen und | |
Bewegungsprofile erstellt werden: die eines Schweinswals, eines Tauchers – | |
oder auch eines U-Boots. Das Problem: Durch Importe zum Beispiel aus China | |
Einfallstore für Störenfriede zu öffnen oder offenzuhalten, ist laut Gesetz | |
erlaubt. | |
Erst im Januar sind die Gespräche zur Umsetzung der | |
EU-Cybersicherheitsrichtlinie NIS-2 im Bundestag gescheitert, genau wie das | |
[3][Kritis-Dachgesetz], das den physischen Schutz kritischer Infrastruktur | |
verbessern sollte. | |
Mit dem Gesetz ließe es sich grundsätzlich verbieten, kritische Komponenten | |
nicht vertrauenswürdiger Hersteller einzukaufen. Es gilt allerdings derzeit | |
nur für den Telekommunikationssektor. | |
In diesem Bereich handelte die [4][Bundesregierung im vergangenen Sommer], | |
als sie chinesische Netzwerkausrüster wie Huawei und ZTE vom Ausbau des | |
5G-Mobilfunknetzes ausschloss. | |
Sicherheitsexperte Brake sieht dringenden Handlungsbedarf für die neue | |
Regierung. „Auch wenn es bisher noch kein klares gesetzliches Verbot gibt“, | |
sagt er, „erfordert schon allein die unternehmerische Sorgfaltspflicht | |
Rücksicht auf die erheblichen geopolitischen Risiken.“ | |
11 May 2025 | |
## LINKS | |
[1] https://www.theguardian.com/environment/2025/may/12/potential-role-for-chin… | |
[2] https://www.windindustrie-in-deutschland.de/unternehmensmeldung/deutschland… | |
[3] https://bwo-offshorewind.de/staat-muss-fuer-den-schutz-von-offshore-windpar… | |
[4] /Neue-Regeln-fuers-Mobilfunknetz/!6019734 | |
## AUTOREN | |
Kai Schöneberg | |
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