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# taz.de -- Studie über Klang-Identität in Rapmusik: Wer den Beat macht, gibt…
> Haben Rapper oder Produzenten beim Sound die Oberhand? Hamburger
> Musikwissenschaftler haben mit Maschinenlernen eine Antwort
> gefunden.
Bild: Wer an den Reglern sitzt, bestimmt den Sound eine:r Rapper:in
In [1][der Welt der Rapmusik] gibt es zwei zentrale Akteure:
Rapper:innen und Produzent:innen. Der:die Produzent:in schafft die
instrumentalen Grundlagen, die Beats, und der:die Rapper:in mit Texten
und Stimme die performative Essenz. Aber wer hat die Oberhand, wenn es um
die Klanggestaltung geht? Darüber wird schon lange gestritten.
Nun hat eine Studie von Tim Ziemer, Nikita Kudakov und Christoph Reuter vom
Institut für Systematische Musikwissenschaft an der Uni Hamburg,
[2][veröffentlicht im Februar im Journal of the Audio Engineeri]ng Society,
das Ganze mit wissenschaftlicher Präzision beleuchtet. Dabei haben die
Musikwissenschaftler modernste akustische Analysemethoden und
maschinelles Lernen benutzt, um die Klangprofile bekannter
Hip-Hop-Produzenten und ihre Zusammenarbeit mit bekannten Rappern zu
entschlüsseln – untersucht wurden ausschließlich Männer.
Die Studie an der Schnittstelle von Musikwissenschaft, Akustik und
Datenanalyse konzentriert sich auf drei der einflussreichsten Produzenten
des Genres: Dr. Dre, Rick Rubin und [3][Timbaland]. Diese drei haben nicht
nur die Entwicklung des Hip-Hop maßgeblich geprägt, sondern auch mit einer
Reihe prominenter Rapper zusammengearbeitet, unter anderem mit Eminem,
Jay-Z, LL Cool J und Nas.
## Unverwechselbares Klangprofil
Zimer, Kudakov und Reuter fragen, ob Produzenten ein unverwechselbares
Klangprofil besitzen und inwieweit dieses Profil die Zusammenarbeit mit
Rappern bestimmt. Darüber hinaus untersuchen sie, wie stark sich die
eigenen Produktionen der Rapper – sofern sie selbst als Produzenten aktiv
sind – an den Stil ihrer Mentoren anlehnen.
Um diese komplexen Fragen zu beantworten, greifen Ziemer und seine Kollegen
auf zwei akustische Analysewerkzeuge zurück: das Goniometer und die
Mel-Frequenz-Cepstral-Koeffizienten (MFCC). Das Goniometer, ein in
Tonstudios verbreitetes Instrument, misst Lautstärke, Dynamik und
Stereobreite eines Musikstücks. Es visualisiert die räumliche Verteilung
des Klangs und bietet so einen Einblick in die Produktionstechniken, die
ein Produzent anwendet. „Mit dem Goniometer können wir zum Beispiel
herausfinden, ob die Instrumente dicht gedrängt klingen wie bei einem
Kammerorchester oder weit verteilt wie bei Mahlers Sinfonie der Tausend“,
erklärt Ziemer.
Die aus der Sprachanalyse stammenden Mel-Frequenz-Cepstral-Koeffizienten
(MFCCs) wiederum erfassen die spektrale Verteilung und damit die Klangfarbe
eines Stücks – ein Merkmal, das sowohl die Arbeit des Produzenten als auch
die Stimme des Rappers widerspiegelt. Mit diesen Werkzeugen haben die
Musikwissenschaftler [4][selbstorganisierende Karten trainiert] –
sogenannte Self-Organizing Maps, SOMs, eine Form neuronaler Netzwerke, die
hochdimensionale Daten in eine zweidimensionale Darstellung überführen.
## Karten für den Klang
Analysiert haben sie so 77 Songs von Dr. Dre, 45 von Rick Rubin und 106 von
Timbaland, wobei Kollaborationen mit den genannten Rappern zunächst
ausgeschlossen blieben. Die Ergebnisse der ersten Analysephase sind
eindeutig: Jeder Produzent besitzt ein eigenständiges Klangprofil. Beim
Goniometer zeigen sich klare Unterschiede in Lautstärke und
Stereoverteilung, während die MFCCs eine erkennbare Individualität in der
spektralen Gestaltung zeigen. Dr. Dre etwa bevorzugt eine markante
Stereobreite, Rick Rubin setzt auf rohe, laute Klänge ohne viel Nachhall,
und Timbaland integriert komplexere rhythmische Strukturen.
Im zweiten Schritt wurden die Kollaborationen mit Eminem, Jay-Z, LL Cool J
und Nas auf die trainierten SOMs projiziert. Dabei zeigte sich ein
interessantes Muster: Die Mehrheit der Songs fällt in die jeweilige Region
des Produzenten auf der Karte.
Dr. Dre ist besonders dominant – 51 von 63 untersuchten Kollaborationen
liegen in seinem Goniometer-Profil. Rick Rubin ist flexibler: Während seine
Songs mit LL Cool J weitgehend seinem Profil entsprechen, weichen
Kollaborationen mit Eminem stark ab und bewegen sich in Richtung von Dr.
Dres Klangraum. Timbaland liegt zwischen beiden Polen – seine Produktionen
mit Nas und Eminem bleiben seinem Stil treu, Songs mit Jay-Z und LL Cool J
weichen teilweise ab. Statistische Tests bestätigen diese Dominanz der
Produzenten über die Rapper.
## Tool für Streamingdienste
Besonders interessant ist die Analyse von Songs, die von Rappern selbst
produziert wurden. Eminem, der seine Produzentenlaufbahn unter Dr. Dre
begann, ist dessen Klangprofil sehr nah: 14 von 15 seiner Songs fallen in
Dr. Dres Region auf der Goniometer-Karte. LL Cool Js Produktionen erinnern
stark an Rick Rubins Stil. Jay-Z und Nas wiederum sind unabhängiger: Ihre
Produktionen streuen über die Karten und lassen keine klare Bindung an
einen Produzenten erkennen.
Damit können Zimer, Kudakov und Reuter nicht nur ihre Frage klar
beantworten: Produzenten dominieren in der Rapmusik den Klang. Sie können
auch zeigen, wie wichtig Mentorenschaft dabei ist. Der Einfluss eines
Produzenten geht also weit über die unmittelbare Zusammenarbeit hinaus und
kann die kreative Identität von Rappern formen.
Die Autoren betonen, dass es sich um eine Fallstudie handelt, deren
Ergebnisse nicht ohne Weiteres aufs gesamte Genre übertragbar sind. Aber
sie legen einen Grundstein für weitere Forschungen, etwa zur Entwicklung
von Klangprofilen über die Karriere eines Künstlers hinweg oder zur
Untersuchung anderer Genres. Sein Tool hat das Team öffentlich zugänglich
gemacht. „Ich gehe davon aus, dass eine Empfehlung durch
Streaming-Plattformen, basierend auf ähnlichen Produzenten, für Hörerinnen
und Hörer interessant sein könnten“, sagt Ziemer, „und eventuell sogar
relevanter als solche, die auf ähnlichen Interpreten basieren.“
20 Apr 2025
## LINKS
[1] /HipHop/!t5009474
[2] https://aes2.org/publications/elibrary-page/?id=22793
[3] /HipHop-Produzent-als-Trendsetter/!6023707
[4] https://timziemer.github.io/gonio3-producer-train-final.html
## AUTOREN
Robert Matthies
## TAGS
Klang
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