# taz.de -- Auf der Suche nach Mehrheiten: Wie kann man Klimapolitik wiederbele… | |
> Schönreden ist nicht mehr. Eigentlich braucht es progressive Politik für | |
> mehr Klimaschutz. Doch die Parteien haben andere Prioritäten. | |
Bild: Klimawandel: Die Insel Gardi Sugdub vor der Karibikküste Panamas ist dur… | |
Als selbst ich im Jahr 2007 die zentrale Wichtigkeit der Linderung des | |
eskalierenden Klimawandels erkannte, da dachte ich naiv: Also, wenn ich das | |
schon gecheckt habe, dann werden es alle anderen ruckzuck auch tun. Das war | |
der erste von vielen Irrtümern meines privaten und beruflichen Anspruchs, | |
Mehrheiten für Klimapolitik und Klimakultur zu sensibilisieren. Es kamen | |
die vergoldeten Merkel-und-SPD-Jahre, in denen eifrig über Klimapolitik | |
geredet wurde und so gut wie nichts getan außer sozialdemokratistischem | |
Politik- und Denkbusiness as usual. | |
Das folgte nach meiner überarbeiteten These einer unausgesprochenen | |
Übereinkunft zwischen Politik und Mehrheitsgesellschaft, dass man zwar von | |
der Spitzenpolitik hören wollte, dass die planetarischen Grundlagen für die | |
ordentliche Weiterexistenz von Menschen und im speziellen Deutschen zwar | |
selbstverständlich sichergestellt würden, man aber auf keinen Fall | |
irgendetwas dafür tun würde und schon gar nicht so einen Irrsinn, wie ein | |
Freibad nicht mehr fossil zu beheizen. Oder so. | |
Irgendwann in den zehner Jahren war ich an dem Punkt, zu sagen: Wir dürfen | |
nicht so tun, als ob es keine Alternative zur Bekämpfung des Klimawandels | |
gäbe, sondern müssen offen sagen, dass es eine gibt: Nichts tun. So, und an | |
dem Punkt sind wir jetzt. Schönreden ist nicht mehr. Das ist das Gute an | |
der Sache. | |
## Brutal zurückgeschlagen | |
Das „Klimathema“, wie wir in unserer selbstgewählten Grenzdebilität gern | |
sagen, ist durch. Zumindest Stand jetzt. Ein paar besonders Eifrige werfen | |
das den Grünen vor und dass nicht mal sie im Wahlkampf mehr darüber geredet | |
hätten, aber damit wird ja nur das Denken eines realitätsfernen Milieus | |
reproduziert, dass die Welt in Ordnung ist, wenn eine Minderheit eine | |
starke und auf keinen Fall mehrheits- und umsetzungsfähige Haltung | |
vertritt. | |
Nein, das Problem ist, dass tausende Interviews und Wahlanalysen ohne | |
Thematisierung von Klimawandel daherkamen, dass keine politischen Bündnisse | |
möglich waren, die [1][ernsthafte Klimapolitik] als gemeinsame Sache ihrer | |
Parteien und Wähler in den [2][Koalitionsvertrag geschrieben] hätten. | |
Gerade noch hatten die Kids von Fridays for Future [3][eine breite Mitte] | |
einschließlich gemäßigter Konservativer dazu gebracht, zu denken und zu | |
sagen, dass Klimapolitik nun in Gottes Namen gemacht werden müsse. Das | |
Problem schien aus dem symbolischen [4][Zuständigkeitsreservat von | |
Bewegungen und Grünen] auf die überparteiliche Mehrheitsagenda gewandert. | |
Und wurde dann in kurzer Zeit brutal zurückgeschlagen und mit ihm die | |
scheinbar unaufhaltsame Selbstaufklärung der Gesellschaft. | |
Aber nun geht es nicht darum, das zu beklagen (im Beklagen waren wir immer | |
spitze), sondern es zu verstehen (da waren wir nicht so gut), um darauf | |
reagieren zu können. Was ist da genau passiert? Gern wird psychologisiert, | |
da fänden enorme Verdrängungsleistungen statt, aber so schwer scheint mir | |
das Verdrängen gar nicht zu sein. Letztlich ist es aber schon so, dass | |
Klimapolitik uns nicht in den Kram passt, weil sie für tiefgreifende | |
Veränderungen steht, von denen wir nicht absehen können, was und wie viel | |
die uns kosten werden, ökonomisch, habituell und was die staatlich | |
organisierten Grundlagen unserer Leben angeht. | |
## Andere Prioritäten dominieren | |
Und damit sind wir bei einer unangenehmen These, die aber auch neues Denken | |
ermöglicht: Wir dachten immer, Konservative (Rechtspopulisten eh) seien das | |
Problem und Linke seien auf dem Klimapolitikticket. Das ist mitnichten der | |
Fall. Beide Glaubensrichtungen haben andere Prioritäten. Auch Teile der | |
Grünen haben übrigens andere Prioritäten. | |
Wer also „progressive Mehrheiten“ im Sinne von sozialökologischen | |
Mehrheiten zusammenbringen will, der muss sich und sein politisches Denken | |
ganz neu aufstellen. Und das mache ich jetzt. | |
12 May 2025 | |
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## AUTOREN | |
Peter Unfried | |
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