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# taz.de -- Selbstverständnis einer Partei: Wie lösen wir die Probleme?
> Manche Grüne wollen sich unbedingt „treu bleiben“: 1968, Anti-Politik,
> Anti-Establishment. Das ist der falsche Ansatz – und eine gefährliche
> Illusion.
Bild: Robert Habeck versprühte Zuversicht, Politik für eine postfossile und z…
Noch immer tun große Teile der Mediengesellschaft so, als seien wir in den
1980er Jahren. Das ist besonders auffällig im Kontext der Grünen. Gerade
macht das eine normal überflüssige [1][ZDF-Doku]. Die Geschichte von Partei
und Bundesrepublik wird oberflächlich nacherzählt in starken, aber wirr
zusammengeschnittenen Bildern, die einen sagen dies, die anderen das, und
eine Stimme aus dem Off raunt dazu, dass die Grünen „eine ganz normale
Partei“ geworden seien, die im Wahlkampf nur das Ziel gehabt habe, „an der
Macht zu bleiben“.
Ja, was denn sonst, wenn man etwas politisch bewirken will, möchte man da
anständig aufschreien, wir haben 2025. Aber die grüne
Illusionismus-Erzählung beruht eben auf der Tradition von 1968, auf
Anti-Politik, auf Anti-Establishment, auf Widerstand gegen die „Zustände“,
ohne politische Macht zu haben, um sie zu ändern. In der Doku findet sich
überhaupt kein Hinweis darauf, wie das Land und seine Gesellschaft an den
Punkt gekommen sind, an dem wir heute sind, und wie die grüne
Illusionismus-Erzählung und die bundesrepublikanische
Illusionismus-Erzählung zusammenhängen.
Eine These von mir: Die grüne Illusionismus-Story wurde nicht nur von uns
Salonlinken zur moralischen Selbstbereicherung gebraucht, sondern vor
allem auch vom Business-as-usual-Land. Wie Katholiken die bessere Welt in
die Sonntagspredigt auslagern, so lagerte die Gesellschaft ihre
Zukunftsalternativen in ein realpolitisch unfähiges Nirwana aus, von dem
lange keine Verwirklichungsgefahr ausging. Als dann Robert Habeck als
Vizekanzler anfing, Politik für eine postfossile und zukunftsfähige
Wirtschaft zu machen, waren beide Seiten frustriert. Die einen, weil es
jetzt wirklich passierte, die anderen, weil es nicht so wunderschön
passierte, wie man sich das im Nirwana erträumt hatte.
In den Unsereins-Milieus geht es auch heute noch um die Ego-Frage: Wie
bleiben wir uns selbst treu? Die entscheidenden Fragen lauten aber: Wie
lösen wir die Probleme? Wie halten wir dafür die Gesellschaft und die
Gesellschaften einigermaßen zusammen? Statt die ganze Welt nur auf sich
selbst zu beziehen und die Handlungsmöglichkeiten mit den klassischen
Ausschlussformeln zu verkleinern („Geht gar nicht!“), muss eine progressive
Partei – um das Wort mal neu zu besetzen – sich eben nicht treu bleiben,
sondern so viele produktive neue Verbindungen wie möglich herstellen.
## Manchmal muss man auch streiten
Die Geschichte der Grünen war lange Zeit eine Geschichte von
selbstbezogenen und antipolitischen Milieus. Was ideal für die beiden
fossilen Volksparteien war. Mit Regierungspolitikern wie Habeck,
Kretschmann, Özdemir, aber auch Mona Neubaur, Danyal Bayaz, Monika Heinold
haben die Grünen dann zumindest programmatisch aus dem Zentrum für die
ganze Gesellschaft Politik zu machen versucht.
Das ist Fortschritt: Wenn man die Gesellschaft sozialökologisch aufladen
will, muss man die Mitte besetzen, sonst hat man das, was wir im Moment
haben – eine unsinnige Lagerbildung in pro und contra Klimapolitik. Dann
wird die Mitte ein leerer Ort. Aber man darf sich auch nicht zu viel
gefallen lassen, das ist eine Lehre aus dem Wahlkampf. „Man muss auch
streiten, wenn Streit gefragt ist“, sagt Joschka Fischer in der Doku. Aber
eben nicht nur intern, ob man „wieder links“ werden müsse und [2][welche
Pullis wer trägt].
„Doch wenn die Partei vergisst, wofür sie einst angetreten ist, wird sie
entbehrlich“, raunt die Stimme in der ZDF-Doku. Das bringt den
nostalgischen Illusionismus auf den Punkt. Andersherum: Entbehrlich sind
die Parteien, die immer zurückschauen und sich im Ideale-Geschwätz
verstecken, weil sie nicht wissen, wie sie die realen Probleme von heute
angehen.
2 Jun 2025
## LINKS
[1] https://www.zdf.de/dokus/doku-serie-die-gruenen-aufstieg-und-krise-einer-de…
[2] /ACAB-Gate-von-Jette-Nietzard-/!6087138
## AUTOREN
Peter Unfried
## TAGS
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