# taz.de -- Buch mit Texten von Kultautor Kid P.: Von Punk über Schnöseldorf … | |
> Sein Frühwerk wurde zum Kult: Der Sammelband „Die Wahrheit über Kid P.“ | |
> bewahrt Texte des genialischen Hamburger Popautors Andreas Banaski vor | |
> dem Vergessen. | |
Bild: Großer Popautor aus kleinen Verhältnissen: Andreas Banaski (1957-2021) | |
„Manchmal sollte man doch lieber träumen … auch wenn die Wirklichkeit | |
natürlich dagegen spricht.“ Ein Gedanke, der in Marmor gemeißelt gehört. Er | |
taucht auf, mitten in einem Text, der vom TV-Ekel J. R. Ewing (Larry | |
Hagman) handelt; Bösewicht aus „Dallas“, der epischen US-Fernsehserie über | |
einen texanischen Ölmagnaten-Clan und seine Intrigen. Sie prägte die | |
westdeutsche TV-Landschaft der 1980er, war von heute aus gesehen Vorbotin | |
von Trumps Beschimpfungsfaschismus. | |
[1][Geschrieben hat sie Andreas Banaski alias Kid P. (1957–2021), | |
Hamburger Autor und Dokumentar, der in den frühen 1980er Jahren bei all | |
jenen, die den entstehenden Punk- und Neue-Welle-Popdiskurs aufmerksam in | |
Musikmagazinen wie Sounds und Spex verfolgten, als berühmt-berüchtigt | |
galt.] Dort reüssierte Kid P. (das P steht für Punk) und eckte mit seinem | |
nerdigen Geschmäcklertum und Underground-Klatsch gerne an, bei den | |
Lordsiegelbewahrern des Massentauglichen und Aufrechten. | |
Dankenswerterweise hat die Münchner Buchwissenschaftlerin Erika Thomalla | |
mit Christoph Dallach und [2][Andreas Dorau] (die aber nicht als | |
Herausgeber genannt werden wollen – Kinder, macht’s doch nicht so | |
kompliziert!) eine Auswahl aus Banaskis Texten getroffen, mit Fokus auf die | |
frühen 1980er Jahre. | |
## Scharf im Ton, gut recherchiert | |
Rezensionen, Szenereporte, Interviews aus Musik, Film, Fernsehen und Sport | |
sind nun versammelt. Wobei sich Banaskis Rezensionen oft lesen wie Glossen: | |
scharf im Ton, unterhaltsam, gerade weil ins Persönliche ausschweifend, | |
genau recherchiert und ätzend witzig. Immer noch wichtig: Banaski wendete | |
sich gegen den streberhaften Hochkulturkatalog des bürgerlichen | |
Feuilletons einerseits, ließ andererseits aber auch kein gutes Haar am | |
selbstzufriedenen Gestus der Linken. | |
Der Deutsche Herbst 1977 war mit ein Grund, warum sich die Einführung von | |
Punk in Westdeutschland um rund zwei Jahre verzögerte. Wut und | |
Unverständnis darüber ist den frühen Texten von Kid P. anzumerken. | |
Aufgewachsen war Banaski in einem proletarischen Gewerkschaftler-Haushalt | |
in Büchen, damals Zonenrandgebiet, wo er sich „durch Action-orientierte | |
Befreiungsliteratur“ las, wie er es in einem autobiografischen Text in den | |
nuller Jahren formulierte, dank Schüler-Bafög Platten kaufen konnte und so | |
seinen kulturellen Horizont erweiterte. | |
Schnösel lassen Banaskis Punksozialisation gerne unter den Tisch fallen. | |
Als junger Leser nahm ich seine idiosynkratische Weltbetrachtungen als | |
selbstverständlich gegeben hin. Beim Wiederlesen fällt auf, dass nicht | |
alles mit leichter Hand entworfen sein konnte. [3][Sein klassizistischer | |
Oscar-Wilde-meets-Phil-Ochs-und-Siouxsie-&-the Banshees-Stil] musste mühsam | |
entwickelt werden, weil Banaski zuvor durch das Wespennest-auf-Augenhöhe | |
des Punk gegangen war. Vergessen hatte ich auch, dass sein Eintreten gegen | |
Rassismus und Misogynie auch selbst manch chauvinistischen Unterton | |
hervorbrachte. Das war Usus in den 1980ern, heute geht das so nicht mehr. | |
## Wegbegleiter, Forscherinnen und Epigonen | |
Die Kapitel werden eingeleitet durch kurze Einführungen von Wegbegleitern, | |
Forscherinnen und Epigonen. Darunter sind schlaue Beobachtungen, etwa von | |
Elena Beregow über die kreative Auswahl von Banaskis Adjektiven – „müde, | |
zäh, läppisch“ statt schlecht und seine „durchgehend affizierte Instanz“ | |
beim Schreiben. [4][Und die bornierte Vereinnahmung eines Moritz von | |
Uslar], der Banaskis angriffslustige, nie ehrfürchtige Gesprächsführung mit | |
Popstars dazu benutzt, um „der Form des Interviews zu misstrauen“. Wie | |
topdown hohl ist das denn? | |
Während Andreas Banaski in der Zeit nach der Wende als Autor kaum noch in | |
Erscheinung trat, weil er sich nach einem Studium des Bibliothekswesens | |
umorientierte, wurde sein Frühwerk zum Kult gerade von gutsituierten | |
Tempo-Autoren, die Banaski als Dokumentar immer verachtete. | |
Der Text über „Dallas“ war 1983 übrigens im Westberliner Stadtmagazin tip | |
erschienen, einer Stadt, deren Subkultur Banaski immer suspekt blieb. Es | |
war keine klassische Kritik über die Serie „Dallas“, er nahm sich J. R. | |
Ewing, um mit Zitaten aus der Serie darüber nachzudenken, wie der | |
Niedertracht im Alltag beizukommen sei: „durch höhnisches Grinsen“ etwa. Zu | |
Hilfe kamen dem Autor dabei W. C. Fields, Friedrich Nietzsche und Leonid | |
Breschnew, aber auch Philly-Soul-Songtexte, Anekdoten, die Banaski im | |
Hamburger Popunderground zugetragen wurden, und Zitate aus Leserbriefen, | |
die dem Boulevard Eindrücke von „Dallas“ geschildert hatten. | |
Banaski filterte Medien mit einem Sieb nach Brauchbarem. Er bezog diesen | |
trashigen Maelstrom auf semi-existenzielle Aspekte seines Daseins. Und | |
weil Banaski als Punk angenommen hatte, dass dies auch seine Leser:Innen | |
interessieren würde, liegt genau darin sein publizistisches Verdienst. | |
24 Apr 2025 | |
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## AUTOREN | |
Julian Weber | |
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