# taz.de -- Ausstellung „Over Land and Sea“: Mit Knochenkajaks durch die Ze… | |
> Die Ausstellung „Over Land and Sea“ thematisiert im Kunsthaus Hamburg die | |
> Geschichte von Migration und Leben. Dabei bleibt sie angenehm zugänglich. | |
Bild: Knochen, die zu Schiffen werden: Die Installation Over Land and Sea im Ku… | |
Ein Dröhnen im Ohr, ein Echo im Brustkorb. Die Ausstellung „Over Land and | |
Sea“ setzt an, wo Wahrnehmung körperlich wird. Dem Verstand wird angenehm | |
schwindelig in der Halle im Hamburger Kunsthaus, durch die sonor eine | |
melancholisch klingende Soundinstallation von Louis d’Heudières und Nina | |
Kuttler dröhnt. Es fühlt sich an, als bade man in Wasser, als würde man in | |
Erde wühlen oder durch einen Vogelschwarm hindurchlaufen. | |
Von der Decke hängen große Gebilde, die aussehen wie Boote. Einige stehen | |
aufgebockt im Raum. Gebaut hat sie die Künstlerin Teresa Solar Abboud aus | |
nachgebauten überdimensionalen, orangenen Knochenfragmenten des | |
menschlichen Unterarmes. An der Oberseite der Knochen sind Öffnungen, die | |
wirken, als wären sie die Sitzlöcher eines Kajaks. Ein hybrides Konstrukt, | |
das eine Verbindung herstellt zwischen den Knochen als tragender Struktur | |
des Körpers und Schiffen als Mittel der Fortbewegung und Symbol für | |
Migration und Wissensweitergabe – über Land und Wasser. | |
Alle Installationen der Ausstellung setzen sich mit Nomadentum, Migration | |
und Sesshaftigkeit auseinander und spielen auf das Konzept der „Deep time“ | |
an. Damit sind geologische Zeiträume über Milliarden Jahre gemeint, die | |
weit über menschliche Erfahrung hinausgehen. Denn das Konzept greift auch | |
in prähistorische Epochen aus, in denen die Erde ohne menschlichen Einfluss | |
existierte. Es regt zugleich zur Reflexion über die Vergänglichkeit | |
menschlicher Einflüsse im [1][Anthropozän] an und verbindet Naturprozesse | |
mit der Geschichte von [2][Migration] und [3][Leben]. | |
„Over Land and Sea“ ist eine assoziative Ausstellung. Elemente verdichten | |
sich zu Erinnerungen an Bewegung, Herkunft und Zeit. Die Knochenkajaks | |
korrespondieren mit einer Videoinstallation des Künstlerduos Allora & | |
Calzadilla: Auch in der kommt ein Knochen vor. Sie zeigt einen Gänsegeier, | |
dem auf einer Gänsegeierflöte vorgespielt wird. | |
## Wandern zwischen Knochen und Flöten | |
Dabei handelt es sich um ein prähistorisches Instrument aus der | |
Flügelspeiche eines Geiers. Gefunden wurde sie in der Karsthöhle Hohler | |
Fels im baden-württembergischen Alb-Donau-Kreis. Mal störend, mal ergänzend | |
fügen sich die dünnen Pfeifentöne in die Klanginstallation im Raum ein. Und | |
plötzlich sehen auch die riesigen Kajaks aus wie große Knochenflöten, aus | |
den Sitzlöchern werden Tonlöcher. | |
Am Rand kann man mit Kopfhörern Interviews mit erfundenen Bergleuten hören, | |
die von ihrem Arbeitstag erzählen, während sie ein fiktives Mineral unter | |
fragwürdigen Bedingungen abbauen. So schließt sich der Kreis rund um das | |
geologische Konzept. | |
Fast unscheinbar ergänzen kleine Keramikhäufchen, die im Raum verteilt | |
sind, die Ausstellung. Sie stellen Mineralien dar und erinnern in ihrer | |
Form an Überbleibsel kleiner Lagerfeuer. | |
Besonders beeindruckend sind die Wandreliefs von Eliška Konečná. Wie ein | |
Polster auf samtiger Oberfläche zeigen sie Menschen, die in ihrer | |
Unförmigkeit an [4][Picassos Kubismus] erinnern. Je nach Winkel des | |
Betrachters verändert sich die weiche Oberfläche im Licht. | |
Die Menschen füttern sich, drücken Milch aus ihrer Brust, weinen Tränen und | |
liebkosen einander. Es sind steinzeitliche Motive, die ganz grundsätzliches | |
menschliches Verhalten darstellen. Durch die samtige Oberfläche und | |
dunkelblaue und grüne Farben erinnern sie an Renaissancedarstellungen. Die | |
Menschen auf dem Relief tragen mythologische Gewänder. Sie wecken allerlei | |
Assoziationen: Moos, Nacht, Himmel, Bäder, Erde, Wasser. | |
Der rote Teppichboden allerdings irritiert: Er beißt sich mit den orangenen | |
Kajaks und nimmt zu viel Raum ein. So behindert er nicht nur optisch die | |
Zugänglichkeit. Er sei, sagt Kuratorin Anna Nowak, als bewusste Störung | |
inszeniert. Deren Sinn erschließt sich jedoch nicht. | |
20 May 2025 | |
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## AUTOREN | |
Karoline Gebhardt | |
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