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# taz.de -- Fentanyl in Berlin: Tödlicher Rausch
> Erstmals wurde in Berlin beim Drug-Checking Fentanyl nachgewiesen. Ist
> die Hauptstadt auf die Verbreitung der Horror-Droge vorbereitet?
Bild: Naloxon-Spray kann die Wirkung von Fentanyl aufheben. In Deutschland ist …
Berlin taz | Medial wird es gerne Zombie-, Todes- oder Horrordroge genannt:
Fentanyl. Das synthetisch hergestellte Opioid wird in der Medizin als
starkes Schmerzmittel etwa bei Krebspatienten eingesetzt. Als Droge hat es
eine verheerende Wirkung: Es wirkt mindestens [1][achtzig Mal so stark wie
Heroin] und der Missbrauch der Substanz hat in den USA und Kanada schon zu
einer regelrechten Opioid-Krise geführt.
Seit ein paar Jahren breitet sie sich auch in Europa aus, langsam auch in
Deutschland. Nun konnte in Berlin erstmals beim Drug-Checking in einer
Heroinprobe die Beimischung von Fentanyl nachgewiesen werden. Ein Beleg,
dass das hochgefährliche Mittel in der hiesigen Drogenszene angekommen ist.
Das war nur eine Frage der Zeit. Laut Thomas Luthmann vom Notdienst für
Suchtmittelgefährdete und -abhängige bereitet sich die Suchthilfe seit
Jahren auf eine stärkere Verbreitung vor, auch durch Aufklärung von
Konsumenten und Konsumentinnen.
Bei einem Modellprojekt der Deutschen Aidshife aus dem Jahr 2023 seien in
mehreren deutschen Städten Drogen auf synthetische Opioide getestet worden.
Rund vier Prozent der [2][Proben enthielten Fetanyl], auch in Berlin habe
es positive Tests gegeben.
## Verbreitung laut Experten wahrscheinlich
Noch sei das jedoch kein sehr großes Thema. „Bei Gesprächen stelle ich
fest, dass gegenwärtig Fentanyl eine absolut nachgeordnete Rolle spielt“,
sagt Luthmann der taz. „Unsere Klienten und Klientinnen sind da sehr
zurückhaltend und wissen, dass Fentanyl sehr schwer zu dosieren ist.“
Klar sei aber auch, dass sich diese Lage schon bald ändern könne. „Da sind
sich alle Experten und Expertinnen in der Drogenszene einig.“ Für die
stärkere Verbreitung der Droge gebe es mehrere Gründe: Einmal droht das
Heroin auf der Straße knapper zu werden. Das liegt daran, dass die Taliban
2023 in Afghanistan den Anbau von Schlafmohn, aus dem das Opium für Heroin
gewonnen wird, verboten haben.
Das führt zumindest vorläufig dazu, dass weniger Heroin produziert wird und
die Droge auf dem Schwarzmarkt knapper werden könnte. Um den Bedarf zu
decken, wird es immer mehr gestreckt, und hier könnte zunehmend Fentanyl
ins Spiel kommen, da es hochpotent ist und auch stark gestrecktem Heroin
eine hohe Wirkungspotenz verleiht.
Einen Kick, der jedoch viel schneller wieder abnehme als der von reinerem
Heroin, so Luthmann. Weitere Faktoren, die für eine weitere Verbreitung
sorgen könnten, seien, dass Fentanyl leicht zu produzieren und zu
schmuggeln ist und dabei hohe Gewinnspannen erzielt werden können.
## Per Messenger zu kaufen
Auch Vasili Franco, drogenpolitischer Sprecher der Grünen, befürchtet, dass
es zu „Ausweichbewegungen“ in der hiesigen Drogenszene kommen könnte. „M…
muss damit rechnen, „dass viele Konsumenten und Konsumentinnen umsteigen,
weil Fentanyl billiger ist und eine stärkere Wirkung hat. Und Fentanyl
lässt sich deutlich einfacher in die Breite bringen als Heroin, wenn die
Verfügbarkeit steigt.“
Die Hauptgefahr von Fentanyl liegt zumindest aktuell darin, dass es anderen
Drogen beigemischt wird. Nicht nur in Heroin kann es auftauchen, sondern
auch in Kokain und Crack. [3][In Kanada] seien bereits Leute aus der
Clubszene zu Fentanyl-Opfern geworden, weil ihre Partydrogen mit
synthetischen Opioiden gestreckt worden seien, so Franco.
Auch reines Fentanyl ist laut Luthmann in Berlin im Umlauf, es sei online
und über Messengerdienste beziehbar. „Das spielt in Berlin aber derzeit
noch eine beigeordnete Rolle“, die Einschätzung des Experten.
Besonders gefährdet sind laut Franco derzeit Schwerstabhängige, also
Menschen, die Straßenheroin beziehen. Er warnt aber auch vor möglichen
Kokain-Fentanyl-Mischungen. „Schon kleine Mengen an Fentanyl können zu
Überdosierungen oder Todesfolgen führen.“
## Mehr Drugchecking-Angebote gefordert
Der Grünen-Politiker fordert daher, das Drug-Checking-Angebot in Berlin
auszubauen. Es war ein langer Weg, um Konsumenten überhaupt die Möglichkeit
zu geben, testen zu lassen, was genau in in ihrer Droge vom Schwarzmarkt an
Substanzen enthalten ist. Vor allem die CDU hat sich immer schwer getan,
diesen Weg in Richtung akzeptierende Drogenarbeit zu gehen.
Seit fast zwei Jahren ist diese Möglichkeit immerhin [4][an drei Stellen in
Berlin möglich]. Für Franco reicht das angesichts der anrollenden
Fentanyl-Welle nicht aus: „Drug-Checking in Drogenkonsumräumen sollte zum
Standard werden“, sagt er. „Damit man das Problem angeht, bevor die Leichen
auf der Straße liegen, braucht es eine funktionierende Früherkennung.“
Thomas Luthmann vom Drogen-Notdienst fordert darüber hinaus einen
leichteren Zugang zu Naloxon. Das wird als Nasenspray eingesetzt und gilt
als sogenannter Opioid-Antagonist. „Mit Hilfe des Sprays kann man die
Wirkung des Opioids vorübergehend aufheben, bis eine medizinische Hilfe
möglich ist. Dadurch können erwiesenermaßen Todesfälle vermieden werden.“
Im angelsächsischen Bereich sei die Verwendung von Naloxon schon länger
Standard. In Deutschland ist das Mittel derzeit noch
verschreibungspflichtig. Die Chancen seien aber gut, dass es demnächst der
Verschreibungspflicht entnommen werde. „Dann wäre es breiter einsetzbar“,
so Luthmann.
## Polizeigewerkschaft fordert Naloxon-Sprays
Die Berliner Polizeigewerkschaft GdP fordert eine flächendeckende
Ausstattung von Polizisten mit Naloxon-Sprays. „Fentanyl ist eine tödliche
Droge, die alles in den Schatten stellt, womit wir es bisher auf unseren
Straßen zu tun hatten, und aufgrund der Wirkungsweise oftmals überdosiert
wird“, so GdP-Sprecher Benjamin Jendro.
Trotz Warnungen vor einer Fantanyl-Welle sei Berlin auf derart
lebensgefährliche Substanzen jedoch nicht vorbereitet. Um Menschenleben zu
retten, brauche es neben Schulungen die Naloxon-Sprays. „Sie sind kein
Allheilmittel, weil es oftmals zu Mischintoxikationen kommt, versetzen uns
aber wenigstens in die Lage, bei reinen Opioid-Überdosierungen reagieren zu
können.“
3 Apr 2025
## LINKS
[1] /Fentanyl-Konsum-in-Europa/!5955059
[2] /Synthetische-Opioide-in-Deutschland/!5992636
[3] /Fentanyl-eine-toedliche-Droge/!5367858
[4] /Drug-Checking-in-Berlin/!6031313
## AUTOREN
Andreas Hartmann
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