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# taz.de -- Ungerechtes Kindergeld: Kinder reicher Eltern bekommen mehr Geld vo…
> Kinder reicher Eltern bekommen vom Staat mehr Geld als Kinder von
> Normalverdienern. Und zwar viel mehr. Geht das gerechter? Unser Autor hat
> da eine Idee.
Bild: Kinderarmut: Der Nachwuchs braucht mehr Chancengleichheit
Alle Kinder sollten gleiche Chancen haben. Diesen Satz würde wohl jeder
unterschreiben. Und trotzdem ist es so: Kinder reicher Eltern bekommen vom
Staat mehr Geld als Kinder von Normalverdienern. Und zwar viel mehr.
Für ein Kind von [1][Dax-Vorständen] zahlt der Staat bis zu 1.260 Euro mehr
im Jahr als für ein Kind von Normalverdienern. Auf den Monat gerechnet also
mehr als 100 Euro. Woran das liegt? Am Nebeneinander von Kindergeld und
Kinderfreibetrag.
Das Kindergeld ist eine direkte Zahlung an die Familien, aktuell 255 Euro
pro Monat und Kind. Daneben gibt es noch den steuerlichen Freibetrag für
Kinder, den das Finanzamt bei der Steuererklärung berücksichtigt. Der liegt
aktuell bei insgesamt 9.600 Euro pro Jahr und Kind. Er setzt sich zusammen
aus dem Kinderfreibetrag für das sächliche Existenzminimum von 6.672 Euro
und dem Freibetrag für Betreuungs-, Erziehungs- und Ausbildungsbedarf (BEA)
von 2.928 Euro. Für arme Kinder gibt es außerdem den [2][Kinderzuschlag]
von bis zu 297 Euro pro Monat und Kind, den der Staat zusätzlich zum
Kindergeld zahlt, wenn die Familie zu wenig verdient, um über die Runden zu
kommen.
Um den Unterschied zwischen Kindergeld und Freibetrag zu verstehen,
vergleichen wir eine Dax-Vorstandsfamilie und eine Busfahrerfamilie. Die
Busfahrerfamilie hat ein zu versteuerndes Einkommen von 50.000 Euro im Jahr
und würde mit dem Kinderfreibetrag circa 2.400 Euro an Steuern sparen. Weil
sie mit dem Kindergeld im Jahr auf 3.060 Euro kommt, nutzt sie das
Kindergeld statt des Freibetrages.
Anders sieht es aus bei der Dax-Vorstandsfamilie: Ein Dax-Vorstand verdient
Millionen und zahlt auf sein Gehalt den Reichensteuersatz von 45 Prozent.
Der Kinderfreibetrag bringt also eine Steuerersparnis von 4.320 Euro im
Jahr. Bei der Steuererklärung erkennt das Finanzamt, dass der Freibetrag
günstiger ist als das Kindergeld – zur Erinnerung: Das waren 3.060 Euro –
und veranlasst eine Steuererstattung von 1.260 Euro. Auf diese Weise
unterstützt der Staat Kinder von Reichen bis Superreichen mehr als Kinder
von Normalverdienern.
## Der Koalitionsvertrag lässt vieles offen
Immerhin: Laut Koalitionsvertrag wollen Union und SPD „die Schere zwischen
der Entlastungswirkung der Kinderfreibeträge und dem Kindergeld
schrittweise verringern“. Und zwar, „indem bei einer Erhöhung des
Kinderfreibetrags auch eine adäquate Anhebung des Kindergelds erfolgt“. Was
das genau heißt? Offen! Dabei liegen längst Vorschläge auf dem Tisch. Das
Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) hat in einer Studie im
Auftrag der Arbeiterwohlfahrt (AWO) [3][berechnet, wie die Mittel für
Kindergeld, Kinderfreibetrag und Kinderzuschlag besser verteilt werden
können].
Das Ergebnis: Reduzierte man den Teil des BEA-Freibetrags auf ein Minimum –
konkret von 2.928 Euro auf 600 Euro im Jahr –, könnte der Staat knapp 3,5
Milliarden Euro einsparen. Damit ließe sich entweder das Kindergeld um 20
Euro pro Monat oder der Kinderzuschlag für armutsbedrohte Kinder um ganze
120 Euro anheben. Oder beides ein bisschen, etwas mehr Kindergeld und etwas
mehr Kinderzuschlag. Dann hätten Normalverdiener und arme Familien etwas
davon.
Für den Bundeshaushalt entstünden netto nicht mal mehr Kosten, weil nur
bereits eingeplante Gelder umverteilt würden. Und auch keine neue
Bürokratie, weil etablierte Instrumente nur anders genutzt würden, aber
eben deutlich besser, weil gerechter. Ein Quick-Fix mit großer Auswirkung –
für mehr Chancengleichheit und gegen Kinderarmut!
21 Apr 2025
## LINKS
[1] /Konjunkturflaute-in-Deutschland/!6049144
[2] /Arme-Familien-in-Deutschland/!5955810
[3] https://www.diw.de/de/diw_01.c.931499.de/nachrichten/so_leicht_und_guenstig…
## AUTOREN
Maurice Höfgen
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