# taz.de -- Bildungsministerkonferenz in Berlin: Doppelrollen und vage Versprec… | |
> Die Bildungsminister:innen wollen den Übergang von Kita zu | |
> Grundschule verbessern. Bei anderen Themen sind sich die Länder noch | |
> nicht einig. | |
Bild: Stefanie Hubig (SPD), Karin Prien (CDU) und Simone Oldenburg (Linke) stel… | |
Berlin taz | Diese Woche mussten sich Karin Prien und Stefanie Hubig im | |
Spagat üben. Die Bildungsministerinnen aus Schleswig-Holstein und | |
Rheinland-Pfalz stecken beide mitten in den [1][Koalitionsverhandlungen | |
zwischen Union und SPD]. Gleichzeitig sind Prien (CDU) und Hubig (SPD) am | |
Mittwochabend und Donnerstag mit den übrigen 14 | |
Bildungsminister:innen in Berlin zusammen gekommen, um gemeinsame | |
Positionen zu aktuellen bildungspolitischen Themen zu finden – auch zur | |
Frage, wie sich die Länder zu den Absichten der möglichen neuen | |
Bundesregierung verhalten. | |
Nach Abschluss der Bildungsministerkonferenz (BMK) am Freitag wollten sich | |
Prien und Hubig verständlicherweise nicht zu den Koalitionsgesprächen | |
äußern. So viel aber gaben die beiden preis: Sie seien zuversichtlich, dass | |
sich die Bund-Länder-Beziehungen, die unter der | |
FDP-Bundesbildungsministerin Bettina Stark-Watzinger [2][einen neuen | |
Tiefpunkt erreicht] hatten, bald wieder bessern. Dafür spräche, dass acht | |
aktuelle oder frühere Bildungs- oder Wissenschaftsminister:innen an | |
den Koalitionsgesprächen beteiligt seien, sagte Prien, die in der BMK die | |
unionsgeführten Länder vertritt. | |
Für künftig bessere Bund-Länder-Beziehungen spricht auch ein Blick auf die | |
inhaltlichen Schnittpunkte. Union und SPD haben in ihrem Sondierungspapier | |
[3][eine gezielte Förderung im Vorschulalter] in Aussicht gestellt. Unter | |
anderem wollen Christ- und Sozialdemokraten neben mehr verbindlicher | |
Frühdiagnostik das von der Ampel eingestampfte Bundesprogramm „Sprachkitas“ | |
neu beleben sowie das im Sommer 2024 angelaufene „Startchancenprogramm“ für | |
sogenannte Brennpunktschulen auf die Kitas ausweiten. | |
## Patenschaften und Elterngespräche | |
Damit läge Schwarz-Rot voll auf Linie der Länder, die sich unter der | |
aktuellen BMK-Präsidentin Simone Oldenburg (Linke) dem Dauerthema | |
Chancengerechtigkeit verschrieben und in der aktuellen Sitzung am | |
Donnerstag auf bessere Übergänge zwischen Kitas und Grundschulen | |
verständigt haben. | |
Am Freitag erklärt Oldenburg die Zusammenhänge: Es sei ungemein wichtig, | |
„Brücken über die gesamte Schullaufzeit“ zu bauen: „Deutschland ist ein | |
Land, in dem der schulische Erfolg bis heute sehr stark vom sozialen | |
Hintergrund abhängt“, so Oldenburg. Für sozial benachteiligte | |
Schüler:innen, aber auch Kinder und Jugendliche mit | |
Migrationshintergrund bedeute das: „Jeder Übergang kann einen Bruch in der | |
Bildungskarriere bedeuten“. | |
Die ungleichen Startchancen wollen die Minister:innen nun mit gezielten | |
Maßnahmen am Übergang von Kita und Grundschule minimieren. Als Beispiele | |
nennt die Bildungsministerin von Mecklenburg-Vorpommern mehr | |
multiprofessionelle Teams, eine bessere Einbindung der Eltern etwa über | |
Familiengrundschulzentren oder Patenschaftssysteme unter Schüler:innen, die | |
das soziale Miteinander stärken sollen. | |
Damit begibt sich die BMK auf einen Kurs, den Bildungsforscher:innen | |
seit Jahren fordern: die Bedeutung der frühen Bildung stärker mitzudenken. | |
Der Tenor: Um die ungleichen Startchancen wirksam zu bekämpfen, reichen | |
Rezepte allein an Schulen nicht mehr aus. Tatsächlich zeigen | |
Grundschulstudien wie [4][Iglu] oder [5][Timss], dass die Abstände zwischen | |
privilegierten und benachteiligten Kindern in der vierten Klasse bereits | |
mehr als ein Lernjahr betragen – und diese Kluft weiter wächst. | |
## Mehr Deutsch, mehr Mathe | |
Als Reaktion auf diesen Befund (und die generell sinkenden Leistungen in | |
Mathe und Deutsch) haben die Länder die Stundenzahl für Deutsch und Mathe | |
an Grundschulen erhöht und angekündigt, flächendeckend verbindliche | |
Sprachtests und Förderungen für Kinder im Kita-Alter anzubieten. Auch das | |
ist ein Punkt, den die Sondierer:innen einer möglichen schwarz-roten | |
Bundesregierung auf dem Zettel haben. | |
Nachlegen wollen die Bildungsminister:innen auch bei der | |
Sprachförderung für zugewanderte Kinder und Jugendliche. Die Empfehlungen, | |
die die Ständige Wissenschaftliche Kommission (SWK) dazu in einem Gutachten | |
abgegeben hat – darunter eine bessere Erfassung von Sprachstand und | |
Förderbedarfen bei Kindern und Jugendlichen – sollen im Juni auf einer | |
Fachtagung Praktikern im Schulbetrieb zugänglich gemacht werden. | |
Stefanie Hubig betont, dass die Zahl der zugewanderten Schüler:innen vor | |
allem durch den russischen Angriffskrieg in der Ukraine deutlich gestiegen | |
seien. „Allein in Rheinland-Pfalz sind das 22.000 Kinder“. Weil die | |
zusätzliche Unterrichtsversorgung wegen des gravierenden Personalmangels an | |
Schulen eine Herausforderung sei, erwägt die BMK unter anderem, das | |
Unterrichtsfach Deutsch als Zweitsprache (DaZ) attraktiver zu gestalten. | |
## Antiziganismus und Social Media | |
Neben den Themen Chancengleichheit und Sprachförderung befasste sich die | |
BMK auch mit dem Umgang mit Antiziganismus an Schulen. Nach einer ersten | |
recht allgemeinen Vereinbarung aus dem Jahre 2022 mit dem Zentralrat | |
Deutscher Sinti und Roma und dem Bündnis für Solidarität mit den Sinti und | |
Roma Europas umfasst der jetzige BMK-Beschluss klare Handlungsempfehlungen | |
gegen Ausgrenzung und gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit. | |
Darunter fallen die Sensibilisierung der Schulen für Antiziganismus, die | |
verbindliche Aufnahme des Themas Sinti und Roma in die Lehrpläne (nicht | |
reduziert auf die Opferperspektive, sondern auch mit ihrem Beitrag zur | |
Kultur Deutschlands) sowie die Kooperation vor Ort mit Sinti und | |
Roma-Selbstorganisationen. | |
Ein überfälliger Schritt, wie Hubig selbstkritisch einräumt. „Wenn wir uns | |
vor Augen führen, wie stark die Ausgrenzung von Sinti und Roma bis heute | |
überall zu sehen ist, hätten wir diese Empfehlungen schon früher haben | |
sollen.“ | |
Nicht einig geworden sind sich die Bildungsminister:innen dagegen | |
beim Umgang mit Smartphones an Schulen. Das Thema kam am Mittwochabend beim | |
Kamingespräch zur Sprache, auch drei Expert:innen aus der Wissenschaft | |
waren geladen. Zwar seien sich alle Länder einig, dass der Umgang von | |
Kindern und Jugendlichen mit Social Media ein vielschichtiges Problem ist, | |
das „allein mit einem Handy-Verbot an Schulen nicht zu lösen ist“ (Prien). | |
Doch während sich die Länder mit CDU/CSU-Regierungsbeteiligung hier eher | |
verbindliche Vorgaben und eine bundesweite Regelung vorstellen können, sind | |
die SPD-geführten Länder offenbar zurückhaltender. So vertritt Hubig die | |
Ansicht, dass die Schulen auch ohne klare Vorgaben gute Regeln aufstellen | |
können. | |
Am Ende bedanken sich alle Seiten für den „guten Austausch“ und freuen sich | |
auf weitere Gespräch zum Thema. Fast ein wenig erschreckend, wie harmonisch | |
es gerade läuft zwischen SPD und Union. | |
23 Mar 2025 | |
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## AUTOREN | |
Ralf Pauli | |
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