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# taz.de -- Abwertung von Sinti und Roma: Freispruch für Bloggerin
> Eine Bloggerin, war verurteilt worden, weil sie Sinti und Roma diffamiert
> hatte. Mit Blick auf die Meinungsfreiheit wurde sie jetzt freigesprochen.
Bild: Gegen Ausgrenzung und Vorurteile: Demonstration von Sinti und Roma
Bremen taz | Nachdem das Landgericht Braunschweig in zweiter Instanz ein
Urteil wegen antiziganistischer Volksverhetzung aufgehoben hat, kritisiert
der Zentralrat Deutscher Sinti und Roma das Urteil scharf: Damit werde eine
Minderheit dem Ressentiment ausgeliefert.
Die Zeilen, um die es geht, stammen aus einem Twitter-Post vom April 2022.
Als Antwort auf einen Tweet von Innenministerin Nancy Faeser (SPD) hatte
die rechte Bloggerin Anabel Schunke Vorurteile gegen Sinti und Roma
ausgebreitet.
„Ein großer Teil der Sinti und Roma in Deutschland und anderen Ländern“,
schrieb Schunke, „schließt sich selbst aus der zivilisierten Gesellschaft
aus, indem sie den Sozialstaat und damit den Steuerzahler betrügen, der
Schulpflicht für ihre Kinder nicht nachkommen, nur unter sich bleiben,
klauen, Müll einfach auf die Straße werfen und als Mietnomaden von Wohnung
zu Wohnung ziehen.“
Aufgefallen war der Post nicht nur einem großen Teil der über 200.000
Follower Schunkes, sondern auch der Staatsanwaltschaft Göttingen. Deren
„Zentralstelle zur Bekämpfung von Hasskriminalität im Internet –
Niedersachsen“ (ZHIN). Im September 2022 ging die Anklage wegen
Volksverhetzung bei der Bloggerin ein.
## „möglicherweise beleidigend“
Schon damals bewertete die Staatsanwaltschaft den Vorgang schärfer als das
zuständige Gericht. Der Richter beim Amtsgericht Goslar lehnte den
Strafbefehl zunächst ab. Erst nach einer Beschwerde der Staatsanwaltschaft
beim Landgericht übernahm er den Fall. In dem Prozess wurde Schunke zur
Zahlung von 5.400 Euro verurteilt.
Nicht nur die Bloggerin, sondern auch die Staatsanwaltschaft legte dagegen
Berufung ein: Da die Angeklagte Journalistin sei und damit ein besonderes
Maß an Glaubwürdigkeit genieße, brauche es einschneidende Konsequenzen,
wenn sie „derartige Inhalte“ veröffentliche, argumentierte die
Staatsanwaltschaft.
Schunke und ihre Verteidiger dagegen setzen nicht nur auf die
einschränkenden Worte „ein großer Teil“, sondern auch auf den Kontext des
Tweets: Es sei Schunke nicht um die Diffamierung von Sinti und Roma
gegangen, sondern um Kritik an Innenministerin Faeser.
Das Landgericht hat nun in zweiter Instanz entschieden, dass Schunkes
Äußerungen noch von der Meinungsfreiheit gedeckt sind und die Bloggerin
freigesprochen. Die Äußerungen seien „möglicherweise beleidigend, aber
nicht volksverhetzend“, sagte der Vorsitzende Richter.
Unter Volksverhetzung fällt die Aufstachelung zum Hass gegen „eine
nationale, rassische, religiöse oder durch ihre ethnische Herkunft
bestimmte Gruppe“. Dazu gehört auch, dass diese Gruppe „beschimpft,
böswillig verächtlich gemacht oder verleumdet“ wird. Die Äußerung muss an
die Öffentlichkeit gerichtet sein. Das ist bei Schunkes über 200.000
Followern klar der Fall.
Doch das Landgericht Braunschweig sieht in den Aussagen keinen Angriff auf
die Menschenwürde. Wann genau ein solcher vorliege, sei nicht abschließend
geklärt, teilt das Landgericht auf Anfrage zum Urteil mit. Die Ausführungen
der Angeklagten in dem betroffenen Beitrag seien jedenfalls zurückhaltend
und insbesondere unter Beachtung der Meinungsfreiheit auszulegen.
Die Meinungs- und auch die Pressefreiheit hatten zuvor etliche Medien in
Gefahr gesehen: Das galt für einschlägige [1][rechtspopulistische
Onlinemedien] wie „Tichys Einblick“ und „Die Achse des Guten“, für die
Schunke als Autorin tätig ist, aber auch für den österreichischen Rundfunk,
[2][ORF].
Deren Kommentatoren begrüßen das Urteil der zweiten Instanz.
Sinti-und-Roma-Verbände dagegen alarmiert es. „Solche Entscheidungen
erfüllen uns mit Angst“, sagt der Vorsitzende des Zentralrats der Sinti und
Roma, Romani Rose. Das Urteil liefere „die Munition für Rechtsextreme und
Neonazis, die heute wieder Gewalt gegen unsere Minderheit verüben“.
Die Melde- und Informationsstelle für Antiziganismus sieht das Urteil in
einem größeren Rahmen. „Ein Problem ist, dass es keinen einheitlichen
Begriff von Antiziganismus gibt“, sagt der Vorsitzende Guillermo Ruiz. „Von
Richtern wird er deshalb oft nicht als solcher erkannt.“
Die Aussage selbst steche durch die Reichweite Schunkes hervor.
„Ansonsten“, erklärt Ruiz, „erreicht uns so etwas aber täglich. Betroff…
erlebten [3][Vorurteile] wie diese durch die Politik, in Jugendämtern, in
der Schule, im Alltag und bei der Polizei. „[4][Antiziganismus gilt als
normal], den kann man sich leisten.“
Die Staatsanwaltschaft Göttingen hat Revision eingelegt.
4 Apr 2025
## LINKS
[1] /Rechtes-Onlineportal/!5992421
[2] https://volksgruppen.orf.at/roma/meldungen/stories/3274235/
[3] /Meldestellen-fuer-Menschenfeindlichkeit/!6076572
[4] /Rassismus-Vorwurf-gegen-Pastor/!6073331
## AUTOREN
Lotta Drügemöller
## TAGS
Justiz
Urteil
Gericht
Blogging
Volksverhetzung
Antiziganismus
Bildung
Schwerpunkt Rassismus
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zu haben.
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