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# taz.de -- Türkische Regierung gegen Opposition: Erdoğan-Rivale İmamoğlu f…
> Unter dem Vorwand, er unterstütze die PKK, wird Istanbuls
> Oberbürgermeister am Morgen verhaftet. Soziale Medien werden gesperrt,
> Versammlungen verboten.
Bild: Istanbuls Oberbürgermeister in seinem Büro in der Metropole
Berlin taz | Am Mittwochmorgen wurde der Istanbuler Oberbürgermeister Ekrem
İmamoğlu in seinem Privathaus verhaftet. Hunderte Polizisten hatten in den
frühen Morgenstunden sein Haus umstellt, insgesamt waren 3.000 Polizisten
im Einsatz. Außer İmamoğlu wurden mehr als hundert weitere Kritiker des
türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan verhaftet, darunter zwei
weitere Bezirksbürgermeister Istanbuls, der bekannte Journalist Ismail
Saymaz und einer der engsten Mitarbeiter İmamoğlus, sein Medienberater
Murat Ongun. Die [1][Staatsanwaltschaft wirft İmamoğlu] die Unterstützung
einer terroristischen Vereinigung (PKK) vor, die Bildung einer kriminellen
Vereinigung und etliche weitere angebliche Vergehen vor.
Aus Angst vor Protesten hat der Gouverneur von Istanbul für die kommenden
vier Tage jegliche Demonstrationen, Kundgebungen und Versammlungen
verboten. Die wichtigsten U-Bahn-Stationen wurden gesperrt, große Straßen
sind ebenfalls dicht. Außerdem wurden die sozialen Medien eingeschränkt und
verlangsamt. Das betrifft Instagramm, X, Youtube und Whatsapp. Die
kasernierte Anti-Aufstands-Polizei wurde derweil von dem Busunternehmen
Kamil Koc, das einem deutschem Unternehmen gehört, an die Brennpunkte der
Stadt gefahren. Als Reaktion auf die Festnahme İmamoğlu verlor die
türkische Lira erheblich an Wert gegenüber Dollar und Euro. Auch die
türkische Börse machte große Verluste, bevor sie vorübergehend geschlossen
wurde.
Kurz vor seiner Festnahme veröffentlichte İmamoğlu noch ein Video, in dem
er versicherte, er werde nicht aufgeben. „Eine Handvoll Leute, die den
Willen der Nation missachten, haben die Polizei instrumentalisiert, um das
Böse durchzusetzen. Ich werde nicht aufgeben, ich werde weiterhin dagegen
ankämpfen. Ab heute sind alle Rechte in Gefahr, ich vertraue auch den
Gerichten nicht mehr.“ Um 10 Uhr türkischer Zeit wurde Imamoglu in die
Zentrale der Sicherheitspolizei in Istanbul eingeliefert. Er wird heute
noch einem Haftrichter vorgeführt und verschwindet dann im
Untersuchungsgefängnis.
Die Festnahme am Mittwochmorgen ist der Höhepunkt eines Kesseltreibens
gegen İmamoğlu, das seit mehreren Monaten im Gange ist. In schneller Folge
wurden gegen den Oberbürgermeister seit Ende letzten Jahres insgesamt vier
neue Ermittlungsverfahren eingeleitet, zwei waren bereits in Gange. Nachdem
er vor einigen Wochen offiziell erklärt hatte, er werde sich in der
parteiinternen Wahl um die Kandidatur für den Präsidentschaftskandidaten
seiner Partei bewerben, begannen Erdoğans Anhänger die Istanbuler
Universität unter Druck zu setzen, damit sein Uni-Diplom annuliert wird. In
der Türkei können nur Akademiker für die Präsidentschaft kandidieren. Am
Dienstagnachmittag gab die Universität unter massivem Druck nach und
widerrief İmamoğlus Diplom in Volkswirtschaft.
## İmamoğlu ist der populärste Politiker der Türkei
Ekrem İmamoğlu, der im letzten Jahr mit großer Mehrheit zum
[2][Oberbürgermeister von Istanbul wiedergewählt worden] war, gehört seit
Jahren [3][zu den wichtigsten Konkurrenten von Präsident Erdoğan]. Der
Zeitpunkt der Verhaftung am Mittwoch hängt damit zusammen, dass seine
Partei, die sozialdemokratisch-kemalistische Volkspartei CHP, ihn am
kommenden Sonntag als ihren Präsidentschaftskandidaten küren wollte. Laut
Parteichef Özgür Özel will man an diesem Plan festhalten und İmamoğlu trotz
seiner Festnahme am Sonntag nominieren. Özel nannte die Festnahme İmamoğlus
einen De-facto-Putsch. İmamoğlu hatte in den letzten Wochen eine
Wahlkampftour durch die gesamte Türkei absolviert. Obwohl die Regierung
dafür gesorgt hatte, dass er kaum eine Halle mieten konnte, kamen seine
Anhänger in Massen auch zu Kundgebungen im Freien.
Nach etlichen Umfragen ist Ekrem İmamoğlu derzeit der populärste Politiker
der Türkei. In Umfragen liegt er weit vor Erdoğan, und auch die CHP führt
in Umfragen vor der AKP, der Partei des Präsidenten. Der Grund dafür ist,
dass Erdoğan die massiven Wirtschaftsprobleme, die hohe Inflation und den
damit verbundenen Kaufkraftverlust für die Bevölkerung nicht in den Griff
bekommt. Schon bei der letzten Präsidentenwahl im Mai 2022 sollte İmamoğlu
eigentlich als gemeinsamer Kandidat für insgesamt sechs Oppositionsparteien
antreten. Er musste allerdings seine Kandidatur zurückziehen, nachdem er
schon damals in einem politisch motivierten Verfahren in erster Instanz
verurteilt worden war.
Obwohl die nächsten Präsidentschaftswahlen regulär erst im Frühjahr 2028
anstehen, gibt es seit längerem Gerüchte, dass Erdoğan die Wahlen vorziehen
könnte. Laut Verfassung darf er nicht mehr antreten, es sei denn, das
Parlament wird vorzeitig aufgelöst. Eine andere Möglichkeit für Erdoğan
wäre eine Verfassungsänderung, doch dazu fehlt ihm noch die Mehrheit. Viele
Beobachter sehen die möglichen [4][Friedensverhandlungen mit der PKK] auch
in diesem Zusammenhang, weil Erdoğan hofft, dann die kurdischen
Abgeordneten im Parlament für eine Verfassungsänderung gewinnen zu können.
19 Mar 2025
## LINKS
[1] /Tuerkisch-kurdischer-Konflikt/!6069785
[2] /Kommunalwahlen-in-der-Tuerkei/!5997469
[3] /Steinmeier-besucht-mamolu-in-Istanbul/!6003294
[4] /Oecalan-will-PKK-Kapitulation/!6072437
## AUTOREN
Wolf Wittenfeld
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