# taz.de -- Verkehrsplanung in Hamburg: Die Autobahn durchs Biotop | |
> Die A26 Ost soll den Süden Hamburgs durchschneiden. Zwischen den wohl | |
> künftigen Koalitionspartnern SPD und Grünen ist das Projekt umstritten. | |
Bild: Christina Wolkenhauer vom Nabu an der Autobahntrasse, links der Krötenza… | |
Es ist ein nebliger Tag im Süden Hamburgs. Hoch oben zwischen zwei Bäumen | |
hängt ein Banner: „Keine A26 Ost“, darunter ein durchgestrichenes Auto und | |
ein Frosch mit rotem Mund. Der Frosch ist ein Moorfrosch, eine europaweit | |
streng geschützte Art, deren Männchen sich blau färben können, wenn sie um | |
Weibchen buhlen. | |
Die Tage dieser Bäume sind wahrscheinlich gezählt – und wenn es ganz | |
schlecht läuft auch die des Froschs. Denn die Bäume wie der Frosch sind der | |
geplanten Autobahn A26 Ost durch den Süden Hamburgs im Weg. Die A26 Ost ist | |
die Fortsetzung der A26 West, die von Stade kommend 2028 fertig gestellt | |
werden soll. Laut dem Bundesverkehrswegeplan soll sie einmal die in | |
Nord-Süd-Richtung verlaufenden Autobahnen A1 und A7 miteinander verbinden. | |
So soll sie den Hafen und die benachbarten Stadtteile entlasten. | |
Das Projekt könnte eine Rolle bei möglichen Koalitionsverhandlungen | |
zwischen SPD und Grünen für den nächsten Senat spielen. 2020 stimmten die | |
Grünen dem Bau der A26 Ost zu. Während der Legislaturperiode meldeten sie | |
jedoch Zweifel an, ob das Projekt sinnvoll und vertretbar sei. Auch eine | |
SPD-Genossin stellte es infrage. | |
Die stellvertretende Vorsitzende des Haushaltsausschusses im Bundestag, | |
Bettina Hagedorn, bezweifelte, dass das Projekt im knapp finanzierten | |
Bundesverkehrswegeplan priorisiert werden könne – nicht zuletzt, weil der | |
Bund [1][nur zwei Kilometer weiter nördlich eine neue Querverbindung durch | |
den Hafen finanziert – als Ersatz der baufälligen Köhlbrandbrücke]. | |
## Es gäbe Alternativen | |
Aus Sicht des Hamburger Naturschutzbundes (Nabu) ist die A26 Ost deshalb | |
überflüssig. „Uns stört, dass es Alternativen gibt“, sagt die | |
stellvertretende Vorsitzende Christina Wolkenhauer. Denn selbst wenn die | |
A26 Ost gebaut würde, könnte sie auch etwas weiter nördlich und nicht just | |
durch den Hamburger Moorgürtel gebaut werden. | |
Der Nabu und der Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) klagen gegen den | |
Planfeststellungsbeschluss für den ersten Bauabschnitt der A26 Ost. Einen | |
Eilantrag hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig im vergangenen Jahr | |
abgelehnt, sodass der Bau weiter vorbereitet wird. | |
Die Biologin Wolkenhauer steht unter den Bäumen mit dem Transparent, in | |
ihrem Rücken ein sumpfiges Wäldchen. Sie blickt auf einen etwa 50 Meter | |
breiten Korridor, der mit Zäunen aus schwarzen Matten eingefasst ist. Es | |
sind Krötenschutzzäune, an die in unregelmäßigen Abständen | |
halbpyramidenförmige Rampen angebaut sind, damit Frösche und Kröten das | |
Areal, auf dem gebaut werden soll, verlassen können. | |
Besonders wichtig für die Bauarbeiten ist, dass gerade der Moorfrosch diese | |
Rampen findet, hochklettert und von einer kleinen Plattform oben auf der | |
anderen Seite hinunterplumpst. Denn der Moorfrosch ist eine nach der | |
Flora-Fauna-Habitat-(FFH-)Richtlinie der EU streng geschützte Art, die | |
nicht nur nicht getötet, sondern deren Lebensraum auch nicht zerstört | |
werden darf – eigentlich. | |
Deshalb soll ein Teil der Frösche eingesammelt und in neu geschaffene | |
Gewässer umgesiedelt werden. Wolkenhauer ist skeptisch, ob das klappt. Denn | |
der Frosch brauche Gewässer, die sich über lange Zeit entwickelt haben. „Es | |
wird von vielen Dingen ausgegangen, bei denen nicht sicher ist, dass sie | |
funktionieren“, sagt sie über [2][die Bemühungen der Deges, der | |
Gesellschaft des Bundes für den Fernstraßenbau, den Schaden für die Natur | |
auszugleichen]. | |
Skeptisch ist Wolkenhauer auch mit Blick aufs Moorboden-Recycling, das die | |
Deges plant. Bis zu acht Meter mächtig sei der Moorboden unterhalb der | |
Autobahntrasse. Ein Teil davon wird ausgehoben und würde das darin | |
gebundene CO2 freisetzen. Um das zu verhindern, soll er in neu geschaffene | |
Senken mit hohem Wasserstand umgelagert werden. Diesen richtig zu | |
justieren, sei heikel, warnt Wolkenhauer. | |
Zu sehen ist von dem Moorboden freilich nichts. Stattdessen fällt der Blick | |
auf langes, braunes Gras und Gesträuch, denn die oberen Bodenschichten sind | |
vor Jahrzehnten durch Gräben trockengelegt worden, um die Flächen beweiden | |
zu können. Jetzt liegen sie schon lange brach und lassen eine Vielzahl von | |
Binsen und Stauden gedeihen. „Das sind alles Paragraf-30-Biotope“, sagt | |
Wolkenhauer, geschützt nach dem Bundesnaturschutzgesetz. Schwere Maschinen | |
haben sich hier Schneisen gebahnt und den Boden aufgerissen. | |
Auch links und rechts der Autobahntrasse ist das Gelände von den | |
halbmeterhohen schwarzen Krötenschutzzäunen durchzogen. Ein Flickenteppich, | |
der zustande kommt, weil für die Autobahn auch Hochspannungsmasten versetzt | |
und ein Graben verlegt werden soll. | |
Flüchten können die Tiere unter anderem in einen Rest wachsenden Moores, wo | |
die buschigen Blüten des Rohrkolbens, Weiden und Birken zu sehen sind. Hier | |
ist ein [3][Rastplatz des Bergpiepers], der nachts nicht gestört werden | |
darf. Für die Bauarbeiten gab es deshalb Auflagen, die nicht immer | |
eingehalten wurden. | |
## Rampen, Brücken, Tunnel | |
Hier im Moor verdichten sich die Folgen allerdings nur, die der Bau der | |
Autobahn hätte. Denn geplant ist ein gewaltiges Bauwerk, dass sich in | |
großen Bögen über 9,7 Kilometer durch Hamburgs Süden schlängelt. Ein groß… | |
Teil werde aus Ingenieursbauwerken wie Brücken und Tunneln bestehen, sagt | |
die Deges. | |
Nach der Schleife im Moor schwingt sie sich zunächst auf einer Rampe und | |
dann auf Stelzen empor zu einer Brücke mit 53 Metern Durchfahrtshöhe für | |
große Seeschiffe und 140 Meter hohen Pylonen. Im weiteren Verlauf soll es | |
mehrere Anschlussstellen mit zum Teil mehreren Ebenen geben und eine | |
Galerie als Lärmschutz für die zukünftig stärker belastete A1. | |
Das alles wird teuer. Nach Angaben des Nabu schlägt der Autobahnkilometer | |
je nach Untergrund im Regelfall mit 20 bis 50 Millionen Euro zu Buche. Bei | |
der A26 Ost, deren Kosten derzeit auf 2,3 Milliarden Euro geschätzt werden, | |
wären es 230 Millionen Euro pro Kilometer. „Das ist die pro Kilometer | |
[4][teuerste geplante Autobahn in Deutschland und ihr Nutzen ist | |
zweifelhaft“, sagte Grünen-Fraktionschef Dominik Lorenzen] vor zwei Jahren | |
dem Hamburger Abendblatt. | |
In den Verhandlungen für die neue Legislaturperiode wird es nicht | |
einfacher, aus dieser Erkenntnis Konsequenzen zu ziehen. Schließlich hat | |
die CDU seit ihrem Wahldebakel 2020 kräftig zugelegt und steht als | |
alternativer Koalitionspartner für die SPD bereit. | |
13 Mar 2025 | |
## LINKS | |
[1] /Abriss-der-Koehlbrandbruecke/!6001455 | |
[2] https://www.bund-hamburg.de/service/presse/detail/news/ausgleichskonzept-fu… | |
[3] /Verstoss-gegen-Umweltauflagen-bei-A-26/!6044063 | |
[4] /A26-Ost-infrage-gestellt/!5908654 | |
## AUTOREN | |
Gernot Knödler | |
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