# taz.de -- Auf der Wandsbeker Polizeiwache: Mit Sicherheit warten | |
> Wenn das Portemonnaie plötzlich weg ist, sollte die Polizei doch die | |
> nächste Adresse sein. Dort aber braucht man Geduld und muss auch warten | |
> können. | |
Bild: Versprochen wurde auf der Polizeiwache ein Glas Wasser | |
Manchmal gibt es seltsame Zufälle. So wie an diesem Wochentag im März. Ich | |
wollte spontan meine Mutter besuchen, sie war nicht da. Auf meinem Rückweg | |
sehe ich aber ihr Auto vor dem Supermarkt. Also gut. Rein in den Aldi. Die | |
Seniorin freut sich. Ich suche ihr einen roten Saft. Eine Milch aus dem zu | |
kalten Kühlregal. Sie wählt noch Narzissen. Dann an die Kasse. Wir lassen | |
wen vor, der nur zwei Sachen hat. Dann geht es ans Bezahlen. Wo ist denn | |
das Portemonnaie? Ganz ruhig bleiben. | |
Eben am Eingang hatte sie noch eine Straßenzeitung gekauft. Die liegt im | |
Korb. Das zeigt uns, dass sie das Portemonnaie nicht bloß zu Hause | |
vergessen hat. Schnell in alle Gänge gucken. Die Zeitungsverkäuferin | |
fragen, ob sie eine Börse fand. Die versteht nicht, reicht nur ihr Handy. | |
„Meine Mutter macht so was nicht“, sagt ihr Sohn. | |
Alles gut. Ich zahle den Einkauf, kein Ding. Im Auto als Erstes die Karte | |
sperren lassen. Dann 110. Nein, die Polizei kommt bei so was nicht. Wir | |
müssten zur Wache. Und vorher dort anrufen, ob die Tochter die Anzeige | |
stellen kann. Die Nummer der zuständigen Wache gewählt. Nein, die | |
88-Jährige soll mit. Sie bekäme auch ein Wasser. | |
Hmm. Derart angelockt bringen wir erst den Einkauf heim und fahren zur | |
Wandsbeker Wache. Die kenne ich. Im Januar tagte nebenan [1][im Bürgersaal | |
das BSW], und einem unerwünschten Kritiker drohte die Polizei hier mit der | |
Zelle, wage er sich trotz eines Platzverweises dahin. Vorn in der Wache | |
steht ein Tresen, hinter einer Glaswand sind Monitore und Beamte in | |
schwarzer Uniform. Einer kommt raus. Wir berichten, was passiert ist. „Da | |
müssen Sie noch eine halbe Stunde warten.“ Er zeigt in eine Ecke, in der | |
schon zwei sitzen. Na gut. | |
Wir setzen uns, da kommt eine ältere Dame mit Schwiegertochter. Auch sie | |
muss sich setzen. „Mir wurde das Portemonnaie bei Aldi geklaut“, sagt sie. | |
„Ach nee, uns auch.“ Ihr Aldi liegt ein paar Straßen weiter. In ihrer | |
Einkaufstasche hatte sie es, sie hält sie in der Hand. „Mir wurde meins | |
auch geklaut“, mischt sich nun die Frau ein, die schon saß. „Im | |
1-Euro-Shop. Aus dem Rucksack.“ Sie habe sich noch bei der jungen Frau | |
entschuldigt, die sie anrempelte, weil der im Weg war. Sie denkt, da ist es | |
passiert. | |
## Nun warten wir | |
Nun warten wir. Kein Beamter im Wachraum. Alle hinter Glas. Am Ende des | |
Tresens gibt es noch ein Kabuff. Darin spricht ein Polizist mit einem, der | |
ein Paket vermisst. Größere Sache, sagt ein Mann im Pulli, der zu ihm | |
gehört. Es ginge um ein paar Tausend Euro. Das braucht Zeit. Ein Beamter | |
zeigt sich am Tresen. „Sagen Sie, können Sie sagen, wie lange das noch | |
dauert, meine Mutter ist schon 88 und …“ Nichts zu machen. Wir sollen | |
warten. Nach 21 Uhr und morgens sei es leer. | |
Eigentlich haben wir hier fast eine nette Gesprächsrunde. Drei Opfer, ein | |
Thema. Die Sicherheit auf Hamburgs Straßen. Eine Frau in grünem Mantel | |
kommt rein. Steht geduldig und wartet. Auch Portemonnaie weg. Diesmal im | |
Bus. Hm. Die Zeit vergeht. Nach 45 Minuten noch mal an den Tresen. | |
Überlege, ob ich nach dem Wasser frage. Nur ist Durst gar nicht der Punkt. | |
Dann kommt ein Polizist mit Notizblock raus. Ob eine ihren Dieb sah? Nur | |
die mit dem Rucksack kann ein wenig beisteuern. Dann ist er wieder weg. | |
„Vielleicht sollten wir einen Aufstand machen?“, fragt eine. Ich denke an | |
die Zelle. „Besser nicht.“ | |
Der, der sein Paket vermisst, kommt aus dem Kabuff. Dann ist es leer. Kein | |
nächster wird aufgerufen. Mittagspause? Gegen 15 Uhr marschieren drei | |
Polizisten an uns vorbei zum Ausgang. Sie müssen zum Einsatz, sagen sie. | |
Für uns wäre hier vorn nur eine Person zuständig. Die, die gerade nicht da | |
ist. | |
Noch ein Bürger kommt rein. Wir andern tauschen schon Tipps aus, sind kurz | |
davor, eine Selbsthilfegruppe zu gründen. „Wurde Ihnen auch das | |
Portemonnaie geklaut?“, frage ich im Überschwang. Er spricht nicht. Klar, | |
muss ja auch keiner. | |
Über eine Stunde ist um, wir gehen, stellen die Anzeige später, online | |
vielleicht. Draußen scheint die Sonne. Ich setze meine Mutter ab und sehe | |
auf der Rückfahrt drei Beamte an der Straße mit einem Autofahrer reden. | |
Prioritäten eben. Die Gelddiebe hatten Erfolg, denke ich. Den Zeitdieben | |
sind wir entwischt. | |
25 Mar 2025 | |
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## AUTOREN | |
Kaija Kutter | |
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