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# taz.de -- Paper Positions im Flughafen Tempelhof: Die Kunst kommt auch vom Ka…
> Erstmals gastierte die Kunstmesse Paper Positions in der Haupthalle des
> Flughafens Tempelhof. Hier ließ sich etwas Ruhe im Großstadttrubel
> finden.
Bild: Viele Augen auf die Kust: Kunstmesse Paper Positions im Flughafen Tempelh…
Es ist ein schlichtes Bild. Nur vier schmale Farbstreifen am Rand eines
kleinen, etwa DIN-A4-großen Blattes Papier. Dazu die sachten Schatten, die
ins Papier eingesickerte Feuchtigkeit hinterlassen hat. Und sonst nichts.
Das Wenige aber atmet in dem Weiß des Papiers eine ungemeine Ruhe. Eine
Welt im kleinen Format, in der sich die Augen verlieren dürfen.
Und jetzt gehört diese Welt mir.
Aber diese Ruhe in der Welt wollte erst mal gefunden sein, und auf dem Weg
dahin schieben wir uns durch ein Berlin, das beschlossen hat, mal kollektiv
vor die Tür zu gehen. Überall ist es voll. Auf den Gehwegen, in den
Grünanlagen drängelt sich Mensch an Mensch, Gruppen bahnen sich den Weg,
knapp bekleidete Jugendliche schreien ihre unbedingte Feierbereitschaft
heraus, PolizistInnen warten in schwerer schwarzer Montur auf ihre Stunde,
die FlaschensammlerInnen kommen schon an diesem frühen Nachmittag gar nicht
mehr hinterher, die Pfand-Bonanza flächendeckend auszubeuten … es ist ein
1. Mai in Berlin.
Unser Zielpunkt auf dem Weg durch das Gedränge ist der Flughafen Tempelhof.
Dort findet die [1][Kunstmesse Paper Positions] erstmals in der Haupthalle
statt, die schon für sich einen Schauwert hat, so hoch und licht. Auf
Merkmale der Festungsarchitektur, die sonst bei dem Nazibau reichlich
verwendet wurden, hat man hier dankenswerterweise verzichtet. Und einmal
durchgelaufen, kann man auf der anderen Seite vom Balkon aus auf das
ehemalige Flugfeld sehen. Auf diese ungemeine Weite, hinter der sich doch
mal auf einer anderen Seite, die man – wie beim Meer – gar nicht mehr sehen
kann, auch die „weite Welt“ verbarg. Eine Verheißung, Sehnsuchtsort, mit
den Flugzeugen als entsprechende Wunschmaschinen.
Ein toller Ausblick jedenfalls. Aber gekommen ist man doch wegen der Kunst,
und da gibt es wirklich genug zu gucken mit den Beiträgen von mehr als 60
Galerien aus der ganzen Welt – und das dazu noch in einem besonders
begünstigten Modus. Weil unsere Bezugsgruppe hier auf Einladung einer
eigens aus Süddeutschland angereisten Freundin unterwegs ist, die als
Künstlerin selbst von einer Galerie eingeladen wurde, bewegen wir uns in
der Kohorte des Kunstbetriebs: Zuerst werden bei der Messe nämlich die
Türen für die JounalistInnen geöffnet, dann kommen am ersten Messetag wir
Menschen mit Einladungen. Am Abend dürfen schließlich wirklich alle rein.
## Potenzielle Käufe unterwegs
Mit der Presse müssen die GaleristInnen reden, mit denen aus der zweiten
Gruppe wollen sie es, weil im Kunstbetrieb steckt ja das Geld, und da kann
hinter jedem Zausel ein Kunstsammler und damit potenzieller Käufer stecken.
Die vergrault man nicht aus maulfauler Muffeligkeit.
So plauscht man sich durch die Kojen mit der Kunst, schaut Klassische
Moderne da und aktuellste Ware dort, Emil Nolde, Man Ray, Meret Oppenheim
oder die absurd filigranen Bleistiftzeichnungen von Sebastian Rug, die mit
dem bloßen Auge gar nicht mehr richtig wahrnehmbar sind, weswegen man zur
beigelegten Lupe greift. Wer will, kann mit fast 50.000 Euro bei einem
Aquarell des Berliner Impressionisten Walter Leistikow zugreifen – [2][eine
Waldansicht mit einer schon auch sehr ruhig stimmenden Stimmung].
Und etwas weiter schräg gegenüber dann dieses Bild. Bei dem schon beim
zweiten vergewissernden Blick das innere Kleinkind zu schreien anfängt wie
andere bei der Quengelware an der Supermarktkasse: „Will haben!“
Das ist vielleicht nicht das edelste Motiv beim Zugang zur hehren Kunst,
aber das Kind schreit jetzt halt rum, während andere Teile des Ichs nach
dem Geld gucken, keine 50.000 sollen es sein, aber halt doch ein Sümmchen,
für das man auch ein durchschnittliches Fahrrad bekommt. Ein Ich weist
darauf hin, dass man mit so einem Bild nicht mal Rad fahren kann, das Kind
schreit, man schleicht um das Bild herum, vergewissert sich in der
Bezugsgruppe. „Ja?“ „Doch!“
Und wenig später läuft man zufrieden mit einem Karton unterm Arm aus der
Messe raus. So geht Kunst.
11 May 2025
## LINKS
[1] https://www.paperpositions.com/
[2] /!5675157/
## AUTOREN
Thomas Mauch
## TAGS
Schwerpunkt Stadtland
Kolumne Großraumdisco
Kunstmesse
Flughafen Tempelhof
Bildende Kunst
Ruhe
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