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# taz.de -- Die Wahrheit: So kann man doch keinen Krieg führen
> Der einstige Erholungskontinent Europa im Wahrheit-Check. Wie umgehen mit
> dem Ende der humorlos regelbasierten Weltordnung?
Bild: Sind das die europäischen Twin Towers? Und wann stürzen sie ein?
Europa rüstet auf. Wehrhaft soll die jahrzehntelang als Erholungskontinent
genutzte Landmasse zwischen Mittelmeer und Ostsee werden, seine überalterte
Bevölkerung möglichst schon zum nächsten Glockenschlag aus eigener Schmiede
bis an die dritten Zähne bewaffnet werden. Pflügte Europa bisher als
Ausflugsdampfer für Besserverdienende durch die Weltgeschichte, soll der
kümmerliche Restwesten nun zum Kanonenboot der freien Welt werden.
Denn auf den militärischen Beistand von Nato-Endboss USA ist kein Verlass
mehr. Trumps MAGA-Königreich sucht keine alten Verbündeten, sondern neue
Opfer. Vorerst braucht der US-Präsident seine Truppen für dringlichere
Aufgaben. Er muss die Dänen aus Grönland vertreiben, den Panama-Kanal
christianisieren oder einen Immobilien-Kreuzzug gegen Gaza von der Heiligen
Lanze brechen, sobald Gott, Elon vom Mars oder sonst ein Geldgeber den
Befehl dazu gibt. Das Scharmützel mit Russland um die lästige Ukraine
sollen die europäischen Zwergstaaten gefälligst mit ihren lächerlichen
Spielzeugwaffen ausfechten.
„Die Zeit der Illusionen ist vorbei“, betonte EU-Kommissionspräsidentin
Ursula von der Leyen unlängst bei einer Zaubershow im Straßburger
Europaparlament. Aus allen zivilen Taschen, Töpfen und Tiegeln will die
Europachefin abschreckende 800 Milliarden Euro für das
Wiederaufrüstungsprogramm „ReARM Europe“ zwacken, damit die hiesige
Soldateska nicht in Sack und Asche vor den Feind muss. So derangiert und
demobilisiert wie jetzt können sich Europas Armeen jedenfalls nicht mehr
auf dem Feld der Ehre blicken lassen, da stimmen Militärstrategen,
Ausrüster und Rüstungsaktionäre überein.
Die alte Welt soll wieder mehr Geld für den kostspieligen Vater aller Dinge
locker machen. Die Börse hilft, wo sie kann: Aber mehr als 58,97 Milliarden
Marktkapital konnten nicht einmal die schwer begeisterten Anleger des
Rüstungskonzerns Rheinmetall auf einen Kanonenschlag zusammenkratzen.
## Sonderschulvermögen
Deswegen werden für die Sicherheit erstaunlichste Sondervermögen in die
Bücher gezaubert, doch noch zieren sich einige Staatskassen: Überzog
Spanien einst im Alleinwaffengang ganz Mittel- und Südamerika mit
erstklassiger Gewalt aus eigener Herstellung, wenden die Iberer heute nur
1,5 Prozent ihres Bruttoinlandsprodukts für Kriegerisches auf. Die
spanische Armada muss deswegen noch immer mit Galeonen und Karavellen aus
Habsburg-Beständen zu ihren Einsätzen schippern. Und nicht nur bei der
Bundeswehr sind die Kasernen derart verschimmelt, dass ihre Insassen selber
als Biowaffen nach dem Genfer Protokoll gelten und im Ernstfall gar nicht
ausrücken dürften.
Bei den europäischen Atommächten sieht es nicht besser aus. Die
französischen Atombomben „La Boum I“ und „La Boum II“ sind so alt, das…
Halbwertszeit ihres Plutoniums von über 24.000 Jahren schon beinahe
erreicht ist.
Großbritanniens Trident-Raketen sind Gebrauchtware aus den USA, deren
Garantie längst abgelaufen ist. Zudem rosten die atomaren Restposten auf
vier U-Booten der „Vanguard“-Klasse vor sich hin, die allesamt dringend
kalfatert werden müssten und meist nutzlos in der Clyder Förde vor der
schottischen Westküste dümpeln. Die abschreckende Wirkung dieser
schwimmenden Endlager beschränkt sich im wesentlichen auf Schottland, das
vor dem brandgefährlichen UK-Atomschirm regelmäßig in die Unabhängigkeit zu
flüchten versucht. Einzig die Russlandanrainer in Finnland, dem Baltikum
und Polen haben ihre Verteidigung aus Sorge vor Putins fiebrigen
Reconquistafantasien in Schuss gehalten, dergleichen galt jedoch bis zum
Überfall auf die Gesamtukraine als persönliche Schrulle kauziger
Nordosteuropäer.
## Von-der-Leyens-Druck
Bis zur Von-der-Leyen-Offensive wurden in der EU zuletzt 326 Milliarden
Euro für Wehr und Waffen ausgegeben. Das ist zwar nicht unbedingt weniger,
als Putins Kampfkasse hergibt, aber im russischen Billigkriegsland kann man
für ein paar Kopeken ein ganzes Bataillon professionell Lebensmüder
aufstellen. In Wohlfahrtsstaaten westlicher Zurichtung bekommen dagegen
sogar Rekruten mitunter Sold und nicht nur auf die Fresse.
Ausgediente Generäle müssen nach verlorener Schlacht in kostspielige
Pensionen geschickt und können nicht wie bei Putins Truppe aus dem offenen
Fenster gestürzt werden. Europäische Militärfachkräfte müssen für das
Kriegshandwerk gewonnen werden und können nicht einfach aus dem Straflager
in gebrauchte Uniformen gepresst werden: Panzer mit Einparkhilfe,
fabrikneue Kampfjets mit getönten Scheiben und Uniformen in angesagten
Tarnfarben müssen den mündigen Munitionsendverbrauchern Lust auf den
Fronteinsatz machen. Das macht den Krieg für die Europäer so teuer, und
auch der behäbige Rechtsstaat gilt unter international führenden
Kriegstreibern als militärischer Standortnachteil.
Insofern wäre es fair, wenn nur Staaten derselben Steuerklasse und
Gesellschaftsordnung Kriege gegeneinander führen dürften, aber mit dem
Vorschlag für eine derart humorlos regelbasierte Weltordnung kann man
bekanntlich heutzutage keinen Putin mehr von der Krim locken.
Eine praktikablere Antwort auf das imperiale Säbelrasseln und explodierende
Rüstungskosten könnte die Integration nationaler Streitkräfte in eine
gesamteuropäische Armee bieten, bei der Orbans Ungarn ohne Aufsicht aber
nicht einmal die Gulaschkanone bedienen dürfte. Fraglich ist ferner, ob
ausgerechnet die Europäer, die sich auf ihrem engen Minikontinent
jahrhundertelang verbissen als polnische Ulanen, preußische Kürassiere,
griechische Hopliten oder französische Tirailleurs bekämpft haben, auf die
Abzeichen ihrer Nationalhorden oder gar auf chauvinistische Ellbogenmanöver
unter Nachbarn verzichten können.
Denn nicht einmal lautmalerisch ist Europa in Militärfragen geeint. Während
feindliches Feuer dem britischen Corporal als „Pow-pow“ um die Ohren
pfeift, knallt es auf Französisch „Pan-Pan“, während der deutsche Gefreite
„Peng-peng“ und der italienische Soldato „Pum-pum“ hört. So kann man d…
keinen Krieg führen.
17 Mar 2025
## AUTOREN
Christian Bartel
## TAGS
Festung Europa
Europäische Armee
Rüstungspolitik
Schwerpunkt Bundestagswahl 2025
Zölle
Schwerpunkt Krieg in der Ukraine
Schwerpunkt Krieg in der Ukraine
Donald Trump
Schwerpunkt Afghanistan
Demos
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