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# taz.de -- Die Wahrheit: Fellnasen ab ins Flugzeug
> Endlich greift die Politik bei der Migration tierisch durch: Abschiebung
> jetzt auch für Hunde – und wenn es nur der nächste Autobahnrastplatz ist.
Bild: Afghanische Windhunde werden ab sofort ausgewiesen
„Wir haben uns nichts vorzuwerfen. Niemand schiebt rigoroser ab als wir“,
erklärt uns Gerda Schröder vom Hundehospiz „Fellnasenregenbogenbrücke e.
V.“ im hessischen Kerbelstein und verfrachtet die beiden letzten Afghanen
in ihre Transportboxen. Schon morgen sollen die beiden Hunde nach Kabul
ausgeflogen oder wenigstens an der nächsten Raststätte in Fahrtrichtung
Afghanistan ausgesetzt werden. Denn versorgt werden auf dem ehrenamtlich
geführten Gnadenhof in Schröders überheizter Dreizimmerwohnung ab sofort
nur noch einheimische Rassen wie der Altdeutsche Schäferhund, die
Alpenländische Dachsbracke oder der Sauerländer Pimmelpinscher.
Noch in der vorigen Woche hatte der Tierschutzverein einem örtlichen
Bündnis von Vereinen und Nichtregierungsorganisationen angehört, das sich
für Demokratie und gegen Rassismus einsetzt. Doch seit ein „Gassi gegen
rechts“-Gang durch den örtlichen Stadtpark eskalierte, hat sich der Verein
politisch neu ausgerichtet. Der Fall ging durch alle Schlagzeilen
regionaler Gratisgazetten: Eine unangeleinte Promenadenmischung hatte sich
im Hosenboden eines konservativen Gemeinderats verbissen, obwohl der Hund
Behörden und Spielplatzmüttern bereits als Gefährder aufgefallen war.
Zwar stellte sich schnell heraus, dass der Köter keinerlei Verbindung zur
„Fellnasenregenbogenbrücke e. V.“ hatte, doch da hatten wichtige Sponsoren
dem Verein bereits den Rücken gekehrt. Die jährliche Tombola musste ohne
den beliebten Verwöhngutschein des Romantikhotels „Deutsches Haus Schwantz“
auskommen, und der Metzger weigerte sich, Schlachtabfälle zu spenden,
solange „kriminelle Mischlinge“ nicht ausgewiesen, seine reinrassigen
Rottweiler aber als „gefährliche Listenhunde“ diskriminiert würden.
Bei so viel Volkszorn aufrichtig besorgter Bürger musste auch der
CDU-Ortsverband das Bein heben, um möglichst viel rechtes Revier zu
markieren. Sämtliche Ausrichter der Gassi-Demo vom Frauchen-Chapter der
mutmaßlich geriatrisch-anarchistischen Vereinigung „Omas gegen Rechts“ bis
zum ökumenischen Welpenkreis wurden in einem Brandbrief als
demokratiegefährdend gebrandmarkt und damit für vogelfrei sowie
linksradikal erklärt. Damit liegt der Ortsverband ganz auf der geschärften
Bundesparteilinie. Nach neuer Lesart der Merz-CDU gelten Organisationen
bereits als demokratiegefährdend, vogelfrei und linksradikal, wenn sie bei
Demonstrationen nicht nur Vollnazis wie Hitler und Höcke, sondern auch
Christdemokraten und ihren Vorsitzenden kritisieren.
## Brandmauer als Barrikade
Nach der vergeigten CDU-Abstimmung mit den Rechtsradikalen im Bundestag
sind das von Kirchen über Gewerkschaften bis zu Sportvereinen nicht eben
wenige Organisationen, die sich zusammen mit 1,5 Millionen Demonstrierenden
an solchen Protesten beteiligten. Die Konservativen scheinen trotzdem fest
entschlossen, die eingerissene Brandmauer zur AfD als Barrikade gegen
zivilgesellschaftliche Institutionen neu aufzuschichten. Damit zeigt die
Partei erstmals Interesse am Konzept der Nachhaltigkeit, wenn auch auf
Kosten von Meinungsfreiheit und demokratischer Teilhabe.
Nun hat Unionsfraktionsvize Mathias Middelberg auch noch angekündigt,
unliebsamen Vereinen die Gemeinnützigkeit abzuerkennen und ihnen die
Fördermittel zu streichen. Geld soll es künftig offenbar nur noch gegen
politisches Wohlverhalten geben. Während der trumpwürdige Vorschlag bei
größeren Initiativen auf Widerstand stößt, hat man den autoritären
Paradigmenwechsel bei den bedrängten hessischen „Tierfreund*innen“ schon
vollzogen.
„Pfui! Aus! Böser Hund!“, unterbricht uns Schröder. „Es heißt
‚Tierfreunden‘! Wir gendern nicht mehr! Sonst muss das Herrchen in Berlin
ganz böse werden!“
Die Vorsitzende scheint tatsächlich geneigt, das Genderverbot – wie in
bayerischen Behörden bereits üblich – mit der Hundepeitsche durchzusetzen.
Dabei war Gerda Schröder bis letzte Woche nicht nur als Vereinsvorsitzende
und Kassenwart, sondern auch als Diversity-Beauftragte der
„Fellnasenregenbogenbrücke e. V.“ aktiv. Sie sorgte dafür, dass Zippe wie
Rüde zu gleichem Recht am Futternapf kamen. Nicht einmal der Pudelschnauzer
Schnoodle durfte wegen seines albernen Namens gehänselt werden und eine
extrem kurzsichtige Bulldogge konnte ihre letzten Tage unbelästigt in
eingetragener Partnerschaft mit einem Sofakissen verbringen. Doch wie die
großen Firmen in Trumps Amerika hat auch die Tierschützerin ihr
Diversitätsprogramm in vorauseilendem Gehorsam eingestampft.
## Panik im Rudel
Inzwischen sieht sich Schröder vor allem als Gleichschaltungsbeauftragte.
Bereits „on day one“, betont Schröder dynamisch, habe sie per
Präsidialdekret mit einem Maulkorberlass für Ruhe im Wurf gesorgt. Auslauf
gibt es für die Tiere nur in einem engen Meinungskorridor. Nach
Medienvorbild von Nius bis Welt setzt die autodidaktische Hundetrainerin
auf simple Schlüsselreize und knallharte Konditionierung. Immer wenn im
öffentlichen Diskurs das Wort „Migration“ fällt, bekommen die Tiere einen
Stromstoß. „Die Energierechnung ist natürlich enorm“, gibt Schröder zu.
„Aber es funktioniert: Das ganze Rudel ist in fortwährender Panik.“
Zudem pfeift Schröder ihren Vierbeinern täglich Evergreens vom
„Sozialtourismus“ ukrainischer Geflüchteter bis zum alten Lied von den
„kleinen Paschas“ auf der Dog Whistle ins empfindliche Gehör, sodass die
Viecher jedem Rechtspopulisten mittlerweile arglos aus der Hand fressen.
Allerdings hat sich die Mortalitätsrate unter den moribunden Vierbeinern
seit dem Kurswechsel derart erhöht, dass sie den Gnadenhof im Reihenendhaus
mangels Patienten schließen muss. Sorgen über ihre Zukunft scheint sich die
autoritär gewendete Tierschützerin vom Hundehospiz dennoch nicht zu machen.
„Was ich in der Hundeerziehung gelernt habe, möchte ich auch auf Menschen
anwenden“, gibt die Hundeflüsterin zu. „Durch kontrollierte Rangeinweisung
kann man auch unbotmäßige Bürger zu nützlichen Dienst- und
Gebrauchsmenschen erziehen.“
Wenn man den irrwitzigen Drohungen der wahlkampfradikalisierten CDU Glauben
schenken mag, könnte Schröders Expertise tatsächlich bald Anwendung finden
– im Sterbehospiz der liberalen Demokratie. Uns wird das aber nicht mehr
betreffen, wir haben uns vorsorglich mit den beiden Afghanen und einem
schwer kranken Peruanischen Nackthund ohne Duldung an den Autobahnrastplatz
Taunusblick Eschborn abschieben lassen. Etwas Besseres als die Zukunft
findet man derzeit wirklich überall, auch wenn man dafür nackt aus
Mülltonnen fressen muss.
17 Feb 2025
## AUTOREN
Christian Bartel
## TAGS
Abschiebung
Schwerpunkt Afghanistan
Hunde
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