# taz.de -- Quadrell der Kanzlerkandidaten: Zurück zur Politik, bitte! | |
> Der Kandidaten-Talk auf RTL war mehr Fußballmatch als Politiksendung. Der | |
> Sender half mit der Inszenierung lediglich CDU-Chef Merz, seinen | |
> Vorsprung auszubauen. | |
Bild: Gefeiert wie ein Fußballstar? Robert Habeck darf vor dem Kanzler-Quadrel… | |
Berlin taz | Ja, ist schon klar: Die Leute von der Jungen Union, das sind | |
die Ultras der CDU. Wo Friedrich Merz auftritt, besingen sie ihn mit | |
Sprechchören. Fahnen werden geschwenkt. Sie bringen Farbe in den grauen | |
Abend in Berlin-Adlershof vor dem Fernsehstudio, in dem das | |
Kandidaten-Quadrell von RTL und NTV aufgenommen wird, in dem ihr | |
Spitzenkandidat gegen Olaf Scholz, Robert Habeck und Alice Weidel in den | |
Ring steigt. Fahnen in der blauen Farbe, die sie Cadenabbia nennen, weil | |
einer ihrer Helden vergangener Tage, Konrad Adenauer, an diesem Ort am | |
Comer See Urlaub machte. | |
Ein wenig im Abseits stehen die Fans der AfD. Auch die Grünen sind mit | |
einer Anhängerschaft angereist, die immerhin so groß ist, dass sich davon | |
Bilder machen lassen, die suggerieren, der grüne Kanzlerkandidat nehme ein | |
Bad in der Menge. Natürlich wehen auch rote SPD-Fahnen für Olaf Scholz. | |
Unverdrossen feuern ihn seine Fans an, obwohl er in der Tabelle schon einen | |
gehörigen Rückstand hat und kaum mehr einer wirklich an die | |
Titelverteidigung glaubt. „Ihr könnt nach Hause fahren!“, grölen die | |
JU-Ultras und das Portal derwesten.de schreibt von einer „Stimmung wie im | |
Fußballstadion.“ | |
Die Fans, die die Parteien zur Unterstützung ihrer Kandidaten organisiert | |
haben, vermitteln ein Bild von politischen Engagement, das es nicht | |
wirklich gibt. Es mag ja sein, dass ein Markus Söder in seiner Jugend unter | |
einem Poster von Franz-Josef Strauß geschlafen hat, aber Polit-Ultras, die | |
wie Fußballfans ihren Liebsten hinterherreisen und mit ihren Gesängen dem | |
Duell der Argumente in der Wahlarena ein performatives Element hinzufügen, | |
gibt es nicht wirklich. Und so hat das Quadrell von Sonntag mit einem Fake | |
begonnen, noch bevor Alice Weidel im TV-Studio ihre ersten Unwahrheiten | |
unters Volk gebracht hat. | |
Offenbar traut man bei RTL dem Publikum nicht zu, sich einen ganzen Abend | |
lang ernsthaft einfach nur mit Politik zu beschäftigen. Natürlich durfte | |
eine Frage zur Krone der RTL-Fernsehschöpfung, dem Dschungelcamp, an die | |
Kandidaten nicht fehlen. Was denn schlimmer sei, Dschungelcamp oder die | |
Opposition, wollten die Moderatoren wissen. Oh je! | |
## Billiges Beamtenbashing | |
Und der völlig lustlos daher nuschelnde Alt-Moderator Günther Jauch zeigte | |
nur ein einziges Mal einen Hauch von Professionalität, als er eine | |
Entscheidungsfrage im Stil seiner RTL-Stammsendung „Wer wird Millionär?“ | |
stellen durfte. Da sollten die Kandidaten raten, wie viele Beamte bis zum | |
Erreichen der Altersgrenze im Dienst blieben. 20 Prozent – hört, hört! Das | |
billige Beamtenbashing, das bei dieser Frage mitschwang, passte ganz gut | |
zum bescheidenen Niveau des ganzen Quadrell-Settings, dem auch Jauchs | |
Co-Moderatorin, die RTL-Nachrichtenpräsentatorin Pinar Atalay, nur | |
phasenweise etwas Seriosität verleihen konnte. | |
Vielleicht war es ja diese Inszenierung, die dazu beigetragen hat, dass das | |
Kandidatengespräch auf Social Media wie ein Sportevent kommentiert worden | |
ist. Mal lag für die Beobachter Scholz in Führung, dann schien Habeck der | |
Ausgleich gelungen zu sein, bevor Merz mit seinem Satz, dass Deutschland im | |
Ukrainekrieg alles andere als neutral sei, sondern fest an der Seite des | |
überfallenen Landes stehe, einen Treffer gelandet zu haben. Damit hatte er | |
Alice Weidel mustergültig abgegrätscht. Argumente haben bei einer | |
derartigen Eventisierung der Debatten keine Chance. | |
Aber vielleicht war das Kandidaten-Quadrell ja auch gar nicht so wichtig. | |
War nicht viel interessanter, wer sich beim Get-together nach dem Talk in | |
einer Studiohalle nebenan alles in die Augen geschaut hat. „Let’s | |
Dance“-Juror Joachim Llambi war unter anderem da. Das Redaktionsnetzwerk | |
Deutschland berichtet, dass er Kartoffelsalat mit Hähnchen gegessen hat. | |
Oder war es umgekehrt? | |
CDU-Dauernervensäge Philipp Amthor grinste bei der After-Show-Party mit dem | |
schrillen Entertainer Julian F. M. Stoeckel, dem Vernehmen nach selbst | |
CDU-Mitglied, in die Kameras. Wer das ist? Stoeckel war 2014 Kandidat im | |
Dschungelcamp und hat damals den ehrenwerten neunten Platz belegt. Und | |
jetzt? Zurück zur Politik, bitte! | |
17 Feb 2025 | |
## AUTOREN | |
Andreas Rüttenauer | |
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