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# taz.de -- Wahlarena und TV-Quadrell: Sind Bürger die besseren Journalisten?
> An den TV-Duellen und Quadrellen gibt es viel Kritik. Wenn Bürger selbst
> ihre Fragen an die Kandidaten stellten, war das oft erfrischender. Warum?
Bild: Jessy Wellmer vor den Fragen stellenden Bürgern bei der ARD-Wahlarena
Sind Bürger die besseren Journalisten? Diesen Eindruck konnte bekommen, wer
in den vergangenen Tagen die TV-Formate zur Bundestagswahl verfolgte.
Da waren auf der einen Seite hochbezahlte Journalisten wie etwa [1][Günther
Jauch und Pinar Atalay] zu sehen. Die fragten am Sonntag in ihrer
begrenzten Sendezeit die Kanzlerkandidaten, ob sie Lust hätten, ins
Dschungelcamp zu gehen. Die Klimakrise fiel dagegen aus dem Programm, sie
ist für RTL wohl erst dann berichtenswert, wenn man aus ihr eine
[2][Dschungelprüfung] machen kann. Und dann ging es wieder fast nur ums
Abschieben und um Probleme beim Grenzschutz, also letztlich technische
Fragen. So war es auch eine Woche zuvor im Öffentlich-Rechtlichen, [3][beim
Duell von ARD und ZDF]. Humanistische Gegenpositionen oder Fragen, in denen
das Asylrecht verteidigt wird, sind nicht erinnerlich.
Anders lief es bei der [4][Wahlarena am Montag] (ARD) und vergangene Woche
bei [5][Klartext] (ZDF). Hier stellten die Bürger die Fragen. So fragte
eine Frau Friedrich Merz nach der fehlenden psychosozialen Betreuung von
Geflüchteten. Ein Pfarrer wies Alice Weidel darauf hin, dass in den
Pflegeheimen ohne Migration nichts mehr ginge. Und eine georgische
Pflegerin mit abgelehntem Asylantrag fragte, ob sie das Land verlassen
müsse.
Woran liegt es, dass die klassische journalistische Befragung der
Kandidaten oft schlechter und für den Zuschauer weniger gewinnbringend war?
## Subjekt, Prädikat, Objekt
Es wäre zu billig, nun in Medienschelte zu verfallen. Denn auch das
Bürger-fragt-Politiker-Format ist ein journalistisches Produkt. Die
Teilnehmer sind nicht zufällig auf der Straße ausgewählt, sondern streng
gecastet worden. Zweitens reden auch Kanzlerkandidaten anders, wenn sie auf
Bürgerinnen statt auf Journalisten treffen. Dann wirft selbst der
Bundeskanzler den inneren Sprechzettel mit den technokratischen
Passivformulierungen weg und bildet aktive Sätze aus Subjekt, Prädikat und
Objekt.
Drittens ist die unterdurchschnittliche Performance der Journalisten auch
damit zu erklären, unter was für einem irren Druck sie stehen. Sie sollen
in den mit Erwartungen überfrachteten Wahlsendungen Volkes Stimme
repräsentieren, statt ihre Fragen nach unabhängigen, journalistischen
Kriterien zu stellen. Das führt dazu, dass Jauch seine erste Frage damit
einleitete, dass man in Gesprächen an „der Migration“ ja gerade nicht
vorbeikomme. Wirklich nicht?
Anders als von der AfD und in Springers Ulfenbeinturm gern behauptet wird,
leidet der Journalismus nicht darunter, dass seine Vertreter zu linksgrün
seien. Im Gegenteil: Weil der Druck von rechts auf Medienvertreter stetig
zunimmt, muss man sich für linke oder migrationsfreundliche Fragen und
Positionen nicht nur in den Öffentlich-Rechtlichen rechtfertigen. Deshalb
kommen diese in diesem Wahlkampf nur noch über Bande, von den Bürgern. Wenn
eine Bürgerin, die selbst 45 Jahre als Pflegerin gearbeitet hat, den
Kanzler fragt, warum ihre Rente so niedrig ist, wird das als erfrischend
wahrgenommen. Weist ein Journalist auf die Vermögensverteilung hin, setzt
er sich dem Verdacht aus, eine linke Agenda zu vertreten. Zugegeben: Diese
Gefahr wäre bei Günther Jauch eher klein.
Bei aller berechtigten Kritik zum Schluss noch eine Liebeserklärung: Es
wird im Wahlkampf ja gern über den Wahlkampf geflucht. Dabei gibt es nichts
Schöneres als Politik zur besten Sendezeit. Und ein Besuch in der Wahlarena
mit Fragen von Bürgern sollte für Spitzenpolitiker auch nach den Wahlen
vierteljährlich verpflichtend sein. Wer das nicht sehen will, kann ja „Wer
wird Millionär?“ gucken.
18 Feb 2025
## LINKS
[1] /RTL-Quadrell/!6069849
[2] /Quadrell-der-Kanzlerkandidaten/!6066972
[3] /Scholz-und-Merz-im-Kanzlerduell/!6068134
[4] /!6066971/
[5] /ZDF-Sendung-Klartext/!6069601
## AUTOREN
Kersten Augustin
## TAGS
TV-Duell
Schwerpunkt Bundestagswahl 2025
Journalismus
GNS
Schwerpunkt Bundestagswahl 2025
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TV Debatte
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