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# taz.de -- Neuer Film von Anna Muylaert: Camping in São Paulo
> Anna Muylaert ist für packende Sozialdramen bekannt. „A melhor mãe do
> mundo“ handelt von einer Müllsammlerin, die ihre Kinder beschützen muss.
Bild: Flucht in einer männlich dominierten Gesellschaft: Benin Ayo, Rihanna Ba…
Zäh fließt der Verkehr der Megametropole São Paulo durch ein verschlungenes
Labyrinth von Schnellstraßen. Von oben zoomt die Kamera auf ein im Strom
der Autos irritierendes Element. Seitlich der mehrspurigen Fahrbahn zieht
eine Frau kräftig einen hoch aufgetürmten Handkarren hinter sich her.
„A melhor mãe do mundo“ (Die beste Mutter der Welt), der jüngste Spielfilm
der brasilianischen Regisseurin Anna Muylaert, erzählt von Gal, die als
Müllsammlerin in São Paulo mit informeller Arbeit ihr Leben bestreitet.
Täglich liefert sie den vollbeladenen Karren zu einer Sammel- und
Sortierstelle unter der Autobahn, wo sie für das Gewicht ihrer Lieferung
jedes Mal bezahlt wird. Danach duscht sie und holt ihre beiden Kinder von
der Schule ab.
Die afrobrasilianische Mutter scheint in ihrem Leben einiges auszuhalten.
Doch nun sitzt sie mit geschwollener Schläfe sichtlich benommen auf dem
Polizeirevier. Gal will Anzeige gegen ihren gewalttätigen Lebenspartner
Leandro erstatten, aber erhält dort von der weißen Beamtin keine wirkliche
Unterstützung.
In ihrer Verzweiflung beschließt die Mutter, mit den Kindern die gemeinsame
Wohnung zu verlassen, um den Gewaltexplosionen des alkoholkranken Partners
zu entkommen. Die dramatische Flucht verkauft sie dem kleinen Bé und seiner
etwas älteren Schwester Rihanna als großes Abenteuer.
## Vielschichtiges Gesellschaftsporträt
In ihrer ersten Nacht auf der Straße parkt Gal den Handkarren unauffällig
unter den Bäumen einer Verkehrsinsel. Für die Kinder verwandelt sie den
Schlafplatz mit einer Plane in ein gemütliches Zelt. Ein Feuerwerk aus dem
Stadium ihres Lieblingsfußballvereins Corinthians erleuchtet ihnen den
Himmel.
Anna Muylaert war zuletzt 2016 mit dem Spielfilm „Mãe só há uma“ (Don´t
call me Son) Gast der Berlinale. Ein Jahr zuvor erhielt sie für das
Sozialdrama [1][„Que horas Elan volta?“ (The Second Mother) den
Publikumspreis im Panorama]. In einer männlich dominierten Gesellschaft
rückt die Regisseurin und Drehbuchautorin weibliche Perspektiven in den
Mittelpunkt und inszeniert häusliche, familiäre Situationen vielfach als
Ausgangspunkt für ein vielschichtiges und kontrastreiches Porträt der
[2][brasilianischen Gesellschaft.]
## Der Schutzpatron der Armen
Mit ihrem Ausbruch aus der missbräuchlichen Beziehung droht der
Protagonistin in „A melhor mãe do mundo“ ökonomisch der unmittelbare
Absturz in die Obdachlosigkeit. In dieser riskanten Situation macht sich
die Mutter auf den Weg zum Haus ihrer Cousine, zu Fuß quer durch die
Megacity bis nach Itaquera. Eindrucksvoll lenkt Gal den sperrigen Karren
mit Rihanna und Bé obenauf bis in den Westen São Paulos.
Doch der ersehnte Aufenthalt bei der Familie wird für sie nur zu einer
trügerischen Verschnaufpause. Zu selbstverständlich werden auch dort
häusliche Gewalt und soziale Abhängigkeit als eine alltägliche Realität
akzeptiert. In dieser für Gal scheinbar aussichtslosen Situation erscheint
ihnen in Gestalt eines Müllkutschers São Jorge, der Schutzpatron der Armen
mit weißem Pferd, und setzt ihr Abenteuer fort.
16 Feb 2025
## LINKS
[1] /Brasilianisches-Kino-auf-der-Berlinale/!5020623
[2] /TV-Show-Big-Brother-in-Brasilien/!5982736
## AUTOREN
Eva-Christina Meier
## TAGS
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