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# taz.de -- Nach Merz-Antrag zur Migrationspolitik: Der Kampf gegen rechts brau…
> Der Rechtsruck lässt sich nicht allein mit Großdemos und moralischen
> Appellen aufhalten. Es braucht langfristige Mobilisierung und linke
> Politik.
Bild: Eher Marathon als Sprints sind die derzeitigen Demonstrationen gegen Rech…
Die Brandmauer wurde von Friedrich Merz (CDU) [1][mit einem erfolgreichen
Migrationsantrag und einem gescheiterten Gesetzesentwurf] – beides mit
Stimmen vom rechten Rand – regelrecht angezündet. Besonders geschadet hat
es ihm laut jüngsten Wahlumfragen nicht und der AfD sogar geholfen, die
jetzt bei 20 Prozent plus steht.
Die Reaktion progressiver Kräfte in Deutschland schwankt zwischen Schock,
Großdemonstrationen und moralischen Appellen. Dass nun Hunderttausende auf
die Straße gehen, um zu protestieren, ist enorm wichtig, doch keine
Mobilisierung, die sich lange aufrechterhalten lässt. Die berechtigte Wut
muss langfristig in politische Praxis gegen den Rechtsruck sublimiert
werden.
Dafür sollte man sich von liebgewonnenen Illusionen verabschieden. Die
Vorstellung, CDU, CSU, FDP und BSW würden aus demokratischer Überzeugung
heraus keine Mehrheiten mit der AfD suchen, hat sich als Illusion erwiesen.
Moralische Appelle an die große Mehrheit der Abgeordneten dieser Parteien
laufen ins Leere. Sie werden eine Zusammenarbeit mit der AfD nur
ausschlagen, wenn die politischen Kosten dafür zu hoch sind.
Dafür muss jede weitere Normalisierung der AfD an jedem Ort bekämpft
werden. [2][Schüler*innen des Hans-und-Hilde-Coppi-Gymnasiums in Berlin]
wehren sich gerade unter dem Motto „Keine faschistische Propaganda an
unserer Schule“ gegen die Teilnahme von Beatrix von Storch an einer
Podiumsdiskussion. Vorbildlich. Denn der größte Fehler ist, einen
vermeintlich „demokratischen Diskurs“ mit Antidemokrat*innen zu
suchen. Wenn auf der einen Seite Faschisten stehen, auf der anderen
Demokraten, dann ist das Problem nicht die Spaltung der Gesellschaft.
## Praktische Solidarität
Der Rechtsruck trifft nicht alle gleich – am stärksten betroffen sind
Menschen, die direkt von rechter Politik und Hetze bedroht sind.
Solidarität bedeutet hier aktive Unterstützung. Sei es bei Demonstrationen
zum bald anstehenden fünften Gedenktag für die Opfer des rechtsextremen
Anschlags in Hanau, bei CSDs in sächsischen Kleinstädten oder wenn
afghanische Geflüchtete im Wahlkampf für die Tat eines Einzelnen in
Sippenhaft genommen werden.
Die schlechteste Art, von progressiver Seite auf den Rechtsruck zu
reagieren, ist es, ihn mitzumachen und mehr Abschiebungen zu fordern und so
zu tun, als würde das die Sicherheitslage entscheidend verbessern. Dieses
Anbiedern hilft den Rechten, weil man damit suggeriert, dass sie mit ihrem
Kernanliegen Recht hätten.
Leider kostet Antifaschismus Zeit und macht nicht immer Spaß. Vor allem an
Orten, an denen sich rechte Hegemonie durchsetzt. Doch Rechtsextreme
bringen vielerorts erst mal nur wenige Leute auf die Straße, weil die
Stammklientel der AfD zwar gerne schimpft, aber ansonsten oft passiv
bleibt.
[3][Blockaden beispielsweise funktionieren], weil Nazis autoritäre
Charaktere mit niedriger Frustrationstoleranz sind: Werden sie besiegt,
verschwinden sie schnell. Fühlen sie sich im Aufwind, kommen immer mehr aus
ihren Löchern gekrochen. Genau das passiert gerade. Wer es nicht zur
Anti-Nazi-Demo schafft, kann sich auch im eigenen Umfeld engagieren. Auch
bei der Elternvertretung, der freiwilligen Feuerwehr oder beim
Schützenverein. Alles Orte, die gezielt von Rechten unterwandert werden.
## Optimismus des Willens
Dabei müssen inhaltliche Widersprüche ausgehalten werden. Das bedeutet
nicht, dass man keine kontroversen und spitzen Debatten führen kann – aber
sie sollten nicht dazu führen, dass man sich selbst zerlegt, während
Rechtsextreme aufmarschieren. Gerade in Bezug auf Israel und Palästina
würde es manchen guttun, anzuerkennen, dass nicht alle, die eine andere
Position vertreten, deswegen gleich Antisemiten oder Rassisten sind. Tarek
K.I.Z rappt in seinem Song „Sensibel“: „Linke diskutier’n auf Twitter: …
darf links sein, wer darf’s nicht? Und die Rechten, sie trainieren auf dem
Schießstand für Tag X.“
Die vielleicht schwierigste Herausforderung ist, sich nicht in der eigenen
gefühlten Ohnmacht zu verlieren. Man kann gegen rechts gewinnen, aber es
erfordert eine Menge Ausdauer. Wer glaubt, die Teilnahme an einer großen
Demonstration gegen die Anzündung der Brandmauer würde reichen und die AfD
dauerhaft schwächen – eine Behauptung, die gerade mit appellativem
Charakter durch die linke Social-Media-Bubble geht –, wird enttäuscht
werden. Gerade beginnen sich einige zu wundern, dass Großdemonstrationen
weniger Auswirkungen auf die direkt darauffolgenden Wahlumfragen zu haben
scheinen als ein Lachen von Armin Laschet im Hochwassergebiet.
Der Kampf gegen den Rechtsruck wird konsequente Mobilisierung,
Organisierung und Ausdauer erfordern und das in einer vielerorts
feindseliger werdenden Umgebung. In Antonio Gramscis Worten: Wir brauchen
„Pessimismus des Verstandes“ und „Optimismus des Willens“.
8 Feb 2025
## LINKS
[1] /Die-CDU-und-die-Brandmauer/!6064743
[2] /AfD-Besuch-in-Berlin/!6063812
[3] /Nazi-Demonstration-in-Berlin/!6064751
## AUTOREN
Krsto Lazarević
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