# taz.de -- Die Grünen und Fridays for Future: Beziehungsstatus kompliziert | |
> Vize-Grünenchef Sven Giegold und Carla Reemtsma von Fridays for Future | |
> haben sich in puncto Klimaschutz und Asyl einiges zu sagen. Ein | |
> Streitgespräch. | |
Bild: Sven Giegold und Carla Reemtsma treffen am Rande des Grünen-Parteitags a… | |
taz: Frau Reemtsma, Herr Giegold, das Verhältnis zwischen den Grünen und | |
den sozialen Bewegungen war schon mal besser. Immerhin waren Sie jetzt auf | |
derselben Demo gegen den Rechtsruck in Berlin. Wie war’s? | |
Sven Giegold: Ich stand da mit meiner grünen Europafahne und meinem | |
Friedenslicht und fand großartig, dass so viele gekommen sind. Das zeigt: | |
Die Leute spüren, dass es jetzt um was geht. Das habe ich als klaren | |
Auftrag an uns verstanden. | |
Carla Reemtsma: In den USA gewinnt Trump, in Europa werden die Rechten | |
stärker, und dann passiert so was: [1][Friedrich Merz macht Politik | |
mithilfe der Stimmen der rechten AfD.] Und das, obwohl man weiß, dass man | |
rechte Populisten und Extremisten nicht bekämpft, indem man ihre Politik | |
nachmacht – dadurch verschafft man ihnen vielmehr politische Macht. Merz | |
beweist damit, dass er bereit ist, aus Wahlkampftaktik unsere Demokratie | |
mit Verachtung zu behandeln. Deswegen sind die Proteste der | |
Zivilgesellschaft so wichtig – und [2][wie die gescheiterte Abstimmung am | |
Freitag gezeigt hat]: Sie wirken auch. | |
taz: Wird die Mobilisierung sich jetzt bis zur Wahl verstetigen? | |
Reemtsma: Das ist eine hypothetische Frage, aber bei den Demos gegen rechts | |
vor einem Jahr haben wir gesehen, dass eine sehr breite Mobilisierung | |
möglich ist. Jetzt waren in großen und kleinen Städten Menschen von alt bis | |
jung, Vertreter*innen von Kirchen und Gewerkschaften auf den Straßen. | |
Die Zivilgesellschaft zeigt Haltung, die die Politik vermissen lässt. | |
taz: Gefolgt ist aus den Demos vor einem Jahr aber nichts. | |
Giegold: Das habe ich auch häufig gehört, aber das stimmt nicht. Die | |
Umfragen für die AfD sind eine ganze Weile runtergegangen. Wenn es jetzt zu | |
einer neuen Mobilisierungswelle kommt, kann die auch eine große Wirkung | |
entfalten. | |
taz: Diejenigen, die voriges Jahr gegen Rechtsextreme demonstriert, haben | |
von der Ampel politische Unterstützung erwartet. Die ist ausgeblieben und | |
daran waren die Grünen beteiligt. Das [3][Asylrecht wurde mit Ihren Stimmen | |
verschärft.] | |
Giegold: In vielen Fragen der Migration wollen Menschen zu Recht sehen, | |
dass die praktischen Probleme gelöst werden. Wenn jemand ausreisepflichtig | |
ist und eine Behörde weiß das und handelt nicht, ist das ein Problem. Das | |
frustriert Bürgerinnen und Bürger und überträgt sich zum Teil auf die | |
allgemeine Haltung zum Schutz von Geflüchteten. Doch unser Ansatz | |
orientiert sich immer an humanitärer Vernunft: Egal ob auf diesen Demos, im | |
Parlament oder der Regierung. Generell gilt, in der Regierung muss man auf | |
Probleme reagieren und als Grüne können wir dabei in Bundestag wie | |
Regierung nur mit 15 und nicht mit 100 Prozent im Rücken verhandeln. | |
Reemtsma: Die aktuelle Debatte setzt gezielt auf Spaltung und sucht | |
Feindbilder. Diese Diskursverschiebung hat Folgen. [4][Schon jetzt steigen | |
Angriffe auf Geflüchtetenunterkünfte] und in Magdeburg trauen sich | |
migrantische Eltern nicht mehr, ihre Kinder alleine draußen zu lassen. Den | |
eigentlichen Herausforderungen nimmt sich die Debatte an vielen Stellen | |
aber gar nicht an. Dafür bräuchte es andere Lösungen als mehr Abschiebungen | |
oder Zurückweisungen an den Grenzen, nämlich mehr psychologische Beratung, | |
Integrationskurse oder Zugang zu Bildung. Da wärt ihr Grünen gefragt. | |
Giegold: Es stimmt, diese Diskursverschiebung hat fatale Konsequenzen. Aber | |
wenn umgekehrt radikalere Gruppen „Grenzen auf für alle“ fordern, dann | |
klingt das, als wenn man über die eigentlichen Probleme gar nicht reden | |
will. Dass es kaum Termine für soziale Dienste gibt und der Wohnraum knapp | |
wird, hat ja auch damit zu tun, dass wir aus gutem Grund viele Menschen | |
aufgenommen haben. Dass die Lösungen dafür bislang nicht gekommen sind, ist | |
eine ganz harte Ressourcenfrage. Wir wollen auch wegen solcher | |
Herausforderungen Steuerschlupflöcher schließen und an die Schuldenbremse | |
rangehen. Dazu gab es in der Koalition aber keine Bereitschaft. | |
taz: Carla Reemtsma hat auch gesagt, dass sich die Grünen diesem Diskurs zu | |
wenig entgegenstellen. Sehen Sie das Problem? | |
Giegold: Wir sind doch diejenigen im Parteiensystem, die sich dem | |
entgegenstellen. Und deshalb kriegen wir kübelweise Hass und Hetze ab, wie | |
die Fridays auch. Und trotzdem werden wir es weiterhin tun. | |
Remtsma: Es wäre die Aufgabe der Grünen, da mehr zu tun. Ihr seid in der | |
Regierung. Wenige andere Institutionen haben so eine Diskursmacht. Und dann | |
stellt sich Robert Habeck hin und sagt: Syrer, die nicht arbeiten, müssen | |
halt zurück. Das ist keine lösungsorientierte Antwort. Auch die Grünen sind | |
Teil einer Empörungsmaschinerie, die möglichst harte Forderungen in den | |
Raum stellt, um den Leuten einfach nur das Gefühl zu geben, dass etwas | |
passiert. Damit bestärkt man am Ende nur ein Unsicherheitsgefühl, auf dem | |
die Rechten ihre Politik aufbauen. | |
Giegold: Das Interessante ist, und das ist symbolisch für das Verhältnis | |
zwischen Grünen und sozialen Bewegungen: Die Empörung ist immer besonders | |
groß, wenn Grüne unter dem Druck von Kompromissbildung Positionen | |
einnehmen, die nicht dem entsprechen, was man sich in der Bewegung wünscht. | |
Dabei verliert man leicht aus dem Blick, wo sich diese Gesellschaft gerade | |
hinbewegt. Es gibt nun mal Mehrheiten, die meinen, das Boot sei voll. Beim | |
Klima geht es leider in eine ähnliche Richtung. | |
Reemtsma: Trotzdem ist der Rechtsruck [5][Ergebnis eines Diskurses, dem | |
auch die Grünen hinterherrennen.] Je mehr in Wahlkampfreden über Migration | |
gesprochen wird, desto mehr glauben Leute, Migration sei unsere größte | |
Herausforderung. Umgekehrt heißt es jetzt, das Klima interessiere keinen | |
mehr, weil es nicht mehr auf dem ersten Platz in den Umfragen steht. Das | |
liegt aber auch daran, dass selbst die Grünen den Klimaschutz aus | |
vermeintlicher Wahlkampfstrategie kommunikativ hinten anstellen. | |
taz: Tatsächlich [6][sprechen die Grünen in diesem Wahlkampf sehr | |
zweckdienlich über Klimaschutz.] Er kommt vor allem vor, wenn er der | |
Wirtschaft hilft oder zur Unabhängigkeit von autoritären Regimen führt. | |
Giegold: Viele Menschen treibt derzeit die Frage um: Hält Deutschland seine | |
wirtschaftliche Stärke? Für uns ist klar: Wir werden unsere | |
wirtschaftlichen Probleme nur lösen, wenn wir im Bereich erneuerbare | |
Energien und dem Umbau der Industrie schneller werden. Das ist kein Verrat | |
an den ursprünglichen Zielen, sondern der Versuch, Mehrheiten für unsere | |
Kernthemen zu finden. | |
Reemtsma: So entsteht aber der Eindruck, dass Klimaschutz nur sinnvoll ist, | |
wenn er irgendwelche anderen Vorteile bringt. Dabei ist Klimaschutz | |
unabhängig davon moralisch, ökologisch und juristisch geboten. Es ist ein | |
kolossaler Fehler, das auszusparen, wie die Grünen es momentan tun. Und es | |
ist doch eine absurde Vorstellung, dass man Mehrheiten für die ökologische | |
Transformation schafft, ohne über die ökologische Transformation an sich zu | |
reden – und über den Zeitdruck, der ja durch die Klimakrise gegeben ist. | |
Die Grünen und die Klimaschutzpolitik allgemein haben massiv von unseren | |
Protesten profitiert, die genau das getan haben: Klimaschutz eben nicht nur | |
als Nebenvorteil in den öffentlichen Raum zu tragen. | |
Giegold: Ich finde schon, dass wir – als einzige große Partei – oft über | |
den Klimaschutz um seiner selbst willen reden. Aber ich möchte noch einen | |
anderen Punkt ansprechen, bei dem ich mit Freunden aus der | |
Zivilgesellschaft immer wieder aneinandergerate. Da heißt es oft: Ihr | |
Grünen seid dafür da, Mehrheiten für bestimmte Positionen zu besorgen, und | |
wir stellen auf volle Lautstärke. Das Problem mit den Mehrheiten ist aber | |
ein gemeinsames. | |
taz: Gibt es keine Aufgabenteilung zwischen Bewegungen und Partei? | |
Reemtsma: Doch. Wir können ganz viel machen auf der Ebene der Mobilisierung | |
und wir können von außen Druck machen. Aber die Forderungen in einen | |
parlamentarischen Prozess zu übersetzen und dafür zu streiten, das ist eure | |
Aufgabe. Dafür habt ihr als Partei ganz andere Möglichkeiten und Ressourcen | |
als ein paar Studis und Schülerinnen und Schüler, die Proteste | |
organisieren. | |
Giegold: Genau diese strikte Aufgabenteilung existiert aus meiner Sicht | |
nicht. Wir können uns gegenseitig befruchten oder runterziehen. Ich hätte | |
einfach gerne mehr Momente wie 2019, als wir durch euren Druck in der EU | |
den Green Deal und das Ziel Klimaneutralität 2050 durchsetzen konnten. Und | |
weniger Momente, wie wir sie nach den Straßenblockaden der Letzten | |
Generation oder nach Lützerath gesehen haben – wo wir nicht liefern konnten | |
und wollten, was ihr gefordert habt. | |
taz: Die Bewegung hatte das Dorf besetzt. Am Ende musste es aber [7][mit | |
Zustimmung der Grünen dem Kohleabbau weichen]. War das der Tiefpunkt in der | |
Beziehung zur Partei? | |
Reemtsma: Es gab immer wieder Momente der Enttäuschung. Etwa die | |
[8][Aufweichung des Klimaschutzgesetzes.] Die Grünen haben aus | |
Verhandlungsschwäche eine Entscheidung getroffen, die klimapolitisch nicht | |
zu rechtfertigen ist, und dann haben sie das auch noch als Erfolg | |
kommuniziert. Das finde ich einfach unehrlich – und unfair denjenigen | |
gegenüber, die dafür monate- und jahrelang gekämpft haben. Lützerath war | |
natürlich auch ein Symbol. Die Bewegung hat einen Kristallisationsmoment | |
gebraucht, an dem sie nach der Pandemie wieder zusammenfindet und deutlich | |
machen kann: Das Abbaggern von Dörfern für den klimaschädlichsten | |
Energieträger, den wir hier in Deutschland haben, ist einfach nicht mehr zu | |
rechtfertigen. | |
Giegold: Das konkrete Dorf zu erhalten und die Enttäuschung in der Bewegung | |
zu vermeiden, hätte Milliarden an Entschädigungen für RWE gekostet. Die | |
wollten wir aus guten Gründen nicht zahlen. Das heißt: Die Wahl der Symbole | |
entscheidet über Erfolg oder Enttäuschung. Dagegen geht unter, wie viel | |
eigentlich erreicht wurde. Wie gesagt: Dass der Green Deal gekommen ist, | |
hat im Wesentlichen eine Jugendbewegung geschafft. Die meisten, die da auf | |
der Straße waren, wissen das leider gar nicht. Ich würde mir wünschen, dass | |
soziale Bewegungen ihre Erfolge lauter stellen. Sonst entsteht kollektiver | |
Frust, und der ist gefährlich. | |
Reemtsma: Natürlich, es gab in den letzten Jahren Fortschritte, auch wenn | |
das gefühlt gerade alles in Abrede steht. Das wäre nicht möglich gewesen | |
ohne eine Partei, die bereit ist, Impulse aus der Zivilgesellschaft | |
aufzunehmen – aber auch nicht ohne eine Zivilgesellschaft mit | |
Anspruchshaltung. Beides ist wichtig. | |
taz: Herr Giegold, Sie wollen als neuer Vizeparteichef das Verhältnis zu | |
Bewegung wieder verbessern. Wie? | |
Giegold: Es ist eine Unart in der Politik, das, was einen an einem | |
Kompromiss selbst ärgert, als Erfolg zu verkaufen. Diese Kritik von Carla | |
nehme ich an. Als das Klimaschutzgesetz verhandelt wurde, war ich im Raum. | |
Das war eine schwierige Situation für uns Grüne. Koalitionspartner haben | |
gesagt: Wenn ihr den Kohleausstieg und den Green Deal wollt, dann brauchen | |
wir eine Abkehr von der Sektorverantwortung im Klimaschutzgesetz. Unterm | |
Strich war es richtig, dass wir zugestimmt haben. Aber das war ein harter | |
Kompromiss und kein grüner Erfolg – das darf man auch so benennen. | |
taz: Was wollen Sie noch tun, um die Beziehung zu verbessern? | |
Giegold: Ich habe mir vorgenommen, dass unsere zentralen Akteure wieder | |
regelmäßiger Gespräche mit den verschiedenen Gruppen führen. Und zwar, | |
bevor das Kind in den Brunnen gefallen ist. An den Abwägungen und Nöten, in | |
denen man in so einer Regierung steckt, müssen wir sie frühzeitig | |
beteiligen. Das gilt nicht nur für die Klimabewegung, sondern auch für | |
Entwicklungs- und Menschenrechtsorganisationen, die Friedensorganisationen | |
oder die Flüchtlingsbewegung. | |
Reemtsma: Schön, dass ihr das eingesehen habt. Das Gespräch hilft. Es muss | |
ehrlich sein und bestenfalls stattfinden, bevor alles brennt. | |
taz: Das war nicht immer so? | |
Reemtsma: Nicht immer. Es gibt aber auch Momente, in denen es nicht mehr | |
reicht, Entscheidungen nur besser zu erklären. Sollte es Schwarz-Grün | |
geben, müsste klar sein: Was sind die roten Linien? | |
Giegold: Ich bin überhaupt kein Freund von roten Linien. Meine Erfahrung | |
ist: Wenn man so in die Kompromissfindung geht, verbaut man sich in | |
Verhandlungen viele Möglichkeiten und erreicht im Ergebnis weniger. | |
taz: Streben Sie nach den Ereignissen der letzten Woche überhaupt noch | |
schwarz-grüne Kompromisse an – oder sollten Sie diese Option nicht so | |
langsam ausschließen? | |
Giegold: Man muss darum werben, dass sich in der Union diejenigen | |
durchsetzen, die sich glasklar von der AfD abgrenzen, die für den | |
Klimaschutz sind, die Europa stärken wollen und die noch wissen, dass | |
„Christdemokratie“ mit „Christ“ anfängt. Eine Koalition mit Demokraten | |
auszuschließen, wäre unverantwortlich – so treiben wir sie ja regelrecht | |
zur AfD. Es ist auch gegenüber der Öffentlichkeit stärker, die Union an | |
ihren eigenen Widersprüchen zu messen, als sie zu dämonisieren. | |
Reemtsma: Das finde ich richtig. Die Abstimmungen mit der AfD waren eine | |
Grenzüberschreitung sondergleichen. Aber für viele Leute, die sich nicht | |
täglich mit Politik auseinandersetzen, ist die Debatte über die Brandmauer | |
wahrscheinlich weit weg. Es ist jetzt auch für die demokratische | |
Zivilgesellschaft die zentrale Aufgabe, die CDU an ihre demokratische | |
Verantwortung zu erinnern und klarzumachen, dass sich dieser Fehler niemals | |
wiederholen darf. | |
taz: Vielleicht wäre der Bewegung und ihrer Diskursmacht aber ohnehin mehr | |
geholfen, wenn die Grünen wieder in der Opposition säßen, statt in einer | |
schwarz-grünen Regierung. | |
Reemtsma: Farbspiele bringen uns als Bewegung nichts. Mir geht es darum, | |
dass eine Regierung bezahlbaren und konsequenten Klimaschutz macht. Dafür | |
werden wir uns unabhängig der Konstellation einsetzen. Offensichtlich ist | |
das leichter, wenn die Regierung nicht vor allem aus Parteien besteht, die | |
Klimaschutz rückabwickeln wollen. | |
taz: Wie würden Sie die Beziehung von Partei und Bewegung eigentlich | |
betiteln? Sind Sie Bündnispartner? | |
Reemtsma: Wir sind Menschen, die sich auf unterschiedliche Arten und an | |
unterschiedlichen Orten für ähnliche Ziele einsetzen. Darin liegt eine | |
Stärke. Parteien sind nichts, wenn ihre Anliegen zivilgesellschaftlich | |
nicht aufgegriffen werden. Aber Zivilgesellschaft hat es auch schwer, wenn | |
niemand ihre Anliegen in einem politischen Prozess durchsetzt. | |
Giegold: Zwischen den Zielen der progressiven Zivilgesellschaft und der | |
Grünen gibt es große Übereinstimmungen. Aber wir können am meisten | |
durchsetzen, wenn die Zivilgesellschaft sich nicht hauptsächlich an die | |
Grünen wendet, sondern an alle. Wir haben gar kein Interesse an einer | |
Zivilgesellschaft, die denkt, nur die Grünen sind ihre Vertretung. | |
Reemtsma: Das stimmt, deswegen protestieren wir als Fridays for Future im | |
Moment auch bei Parteitagen aller Parteien, die an der Regierungsbildung | |
beteiligt sein könnten. Trotzdem haben wir natürlich eine andere | |
Anspruchshaltung an die Grünen. Wenn sie die Latte in der Klimapolitik | |
niedrig legen, können sich die anderen Parteien zurücklehnen. Je | |
ambitionierter die Grünen sind, desto mehr sind auch die anderen Parteien | |
gefordert. | |
Giegold: Nein, Maximalismus ist nicht immer der beste Weg. Wenn wir so viel | |
fordern, dass wir die Gesellschaft gegen uns aufbringen, führt das am Ende | |
zu weniger Klimaschutz. Das ist ein gemeinsames Problem von Partei und | |
Zivilgesellschaft. Die Letzte Generation hat genau diesen Fehler gemacht. | |
Die haben Widerstände gegen den Klimaschutz erzeugt, die wir uns jetzt | |
anhören müssen. | |
Reemtsma: Ich habe nicht gesagt, die Grünen sollen den Kohleausstieg | |
übermorgen fordern. Aber es ist zum Beispiel so wichtig, dass die Grünen | |
den Gasausstieg in ihr Wahlprogramm aufgenommen haben, weil das überhaupt | |
erst den politischen Möglichkeitsraum schafft, dass darüber irgendwann | |
diskutiert wird. Die CDU wird das nicht anstoßen. | |
Giegold: Wir haben eben nicht den Gasausstieg aufgenommen! Wir wissen ja, | |
dass viele Leute schon Bedenken haben, dass wir den Kohleausstieg schaffen. | |
Was wir beschlossen haben, ist eine Gasunabhängigkeitsstrategie mit der | |
Frage: Wie kommen wir vom Gas weg? Und wenn ich noch etwas sagen darf: In | |
der Diskussion über die Transformationsmüdigkeit, die sich in den letzten | |
zwei Jahren eingestellt hat, hat mich eines wirklich gestört. Wir haben | |
zwar Fehler gemacht. Aber es war auch verdammt einsam in der Regierung. Als | |
es ums Heizungsgesetz ging, habe ich von keiner großen Organisation den | |
Aufruf gesehen: Baut euch Wärmepumpen ein, reduziert die Nachfrage nach | |
Gas! Geht weg von den Verbrennerautos! Da war eine erstaunliche | |
Schweigsamkeit. | |
taz: Meinen Sie auch die Fridays? | |
Reemtsma: Die ganzen Schüler*innen mit ihren Wärmepumpen … | |
Giegold: Vor allem bei den Umweltorganisationen habe ich solche | |
Aufforderungen vermisst. Da war die Koordination zwischen grünem | |
Regierungshandeln und Zivilgesellschaft verbesserungsfähig. | |
taz: Haben Sie denen schon gesagt, dass es beim nächsten Mal anders laufen | |
sollte? | |
Giegold: Ich würde nicht so mit der Zivilgesellschaft reden. Aber ich bin | |
für einen offenen Austausch, in dem nicht a priori die Grünen als | |
Regierungspartei immer böse sind und die Zivilgesellschaft immer perfekt | |
ist. In meiner Brust schlagen noch immer zwei Herzen. Ich bin durch die | |
Bewegungen in die Politik gekommen und deshalb wurmt es mich, wenn da Dinge | |
falsch laufen. Genauso wie es ja offenbar Carla wurmt, wenn bei den Grünen | |
irgendwas anders ist. Obwohl du, glaube ich, gar nicht bei uns Mitglied | |
bist? | |
Reemtsma: So ist es. | |
taz: Wählen Sie am 23. Februar trotzdem die Grünen? | |
Reemtsma: Schauen wir mal. | |
9 Feb 2025 | |
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