# taz.de -- Mein Besuch bei Friedrich Merz: Erzähl's der Gartenpforte | |
> Friedrich Merz hat mich eingeladen um etwas über die Probleme von | |
> Migranten zu erfahren. Mein Bericht war knallhart, aber ziemlich kurz. | |
> Eine Satire. | |
Bild: Tritt nicht nur vor Migrant*innen auf, sondern auch vor Parteifreund*inne… | |
Meine liebe Familie, der CDU-Kanzlerkandidat Herr Friedrich Merz hat mich | |
persönlich nach Berlin eingeladen, um von mir aus erster Hand zu hören, was | |
für Probleme die Migranten haben. Na, ist das nicht super?“, freue ich | |
mich. | |
„Vater, mach dir keine falschen Hoffnungen, die lassen dich bestimmt nicht | |
reden“, nörgelt mein linksradikaler Sohn Mehmet. | |
„Oh doch, Mehmet, Herrn Merz ist die Meinung eines ganz normalen Migranten | |
total wichtig. Er will unsere Probleme erfahren, er will von mir wissen, | |
was ich über die AfD denke, über die aktuelle Lage in der Türkei, den | |
EU-Beitritt, Syrien …“ | |
„Vater, die brauchen dich dort nur als Dekoration. Du wirst nichts anderes | |
sein als eine Schaufensterpuppe, die ihren Mund nicht aufmachen darf.“ | |
„Ich soll denen doch ausdrücklich die Meinung sagen! Solange und wie ich es | |
will. Fernsehen, Radio, Zeitung, die ganzen Medien aus aller Welt werden da | |
sein. Während der ‚[1][Tagesschau]‘ kann Herr Merz mir doch nicht den Mund | |
zuhalten.“ | |
Am nächsten Tag nehme ich meine acht Aktenordner mit den Problemen und | |
Wünschen der Migranten und fahre gut gelaunt nach Berlin. So viele | |
Zeitungs- und Fernsehleute habe ich noch nie auf einem Haufen gesehen. Mein | |
Sohn Mehmet wird vor Neid platzen, wenn er mich mit Herrn Merz zusammen in | |
den Nachrichten sieht. | |
„Wir werden den Fragen und den Forderungen dieses ausländischen Mitbürgers | |
schonungslos Rede und Antwort stehen“, lächelt der Kanzlerkandidat der | |
[2][CDU] in die Kameras und fragt mich strahlend, ob ich auch gut | |
angekommen bin. | |
## Direkt neben Herrn Merz | |
„Die Bahn hatte zwar zwei Stunden Verspätung, aber was sind schon zwei | |
Stunden gegen das gleich anbrechende neue Zeitalter für Deutschland?“, | |
antworte ich voller Selbstbewusstsein. | |
Danach werden die Reporter weggeschickt und eine freundliche Dame führt | |
mich in den Konferenzraum. Jedes Mal, wenn ich mich setzen will, ruft die | |
charmante Dame: „Bitte gehen Sie doch weiter, Herr Engin.“ | |
„Soll ich mich denn wirklich direkt neben Herrn Merz hinsetzen?“, frage ich | |
die Dame sehr erfreut. | |
„Bitte gehen Sie noch ein paar Schritte weiter, Herr Engin“, sagt die | |
freundliche Dame schon wieder zu mir. | |
„Aber wir sind doch schon am Ende des Tisches!“ | |
„Bitte nur noch durch diese Tür hindurch, Herr Engin.“ | |
„Aber dann bin ich doch schon wieder draußen! Herr Merz, bitte, Herr Merz, | |
lassen Sie mich nicht rausschmeißen! Ich werde meinen Mund bestimmt nicht | |
aufmachen!“ | |
„Bitte gehen Sie weiter nach draußen, Herr Engin!“ | |
„Aber die CDU hatte mir doch versprochen, dass ich alles sagen darf. Ich | |
sollte alle Probleme der [3][Migranten] ganz offen zur Sprache bringen!“ | |
„Aber selbstverständlich, Herr Engin, hier im Garten dürfen Sie sagen, was | |
Sie wollen. Sie können hier alles ganz offen ansprechen. Niemand macht | |
Ihnen Vorschriften“, lächelt die Dame und macht leise die Panzerglastür von | |
innen zu. In dem Moment ruft mein Sohn Mehmet an: | |
„Na, Vater, wie ist es denn so gelaufen mit Herrn Merz?“, fragt er | |
ironisch. | |
„Super“, rufe ich. „Ich habe Herrn [4][Merz] und allen CDU-Männekens vor | |
laufenden Kameras knallhart gesagt, dass die deutsche Bahn nicht die | |
pünktlichste ist!“ | |
4 Feb 2025 | |
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## AUTOREN | |
Osman Engin | |
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